„Alternativen sind dringend gefragt“

BBT-Zulaufstrecke ab Franzensfeste südwärts: Grüne besorgt

Mittwoch, 22. Februar 2017 | 13:31 Uhr

Bozen/Franzensfeste – Die jüngste Debatte über die Kosten des BBT, ausgelöst durch den Bericht des Österreichischen Rechnungshofs, ist für die Grünen im Südtiroler Landtag keineswegs überraschend. Die Kosten für den Tunnel, die derzeit bei 8,6 bis 8,8 Milliarden Euro angesetzt sind und bis zur vorgesehenen Fertigstellung – so Koordinator Bergmeister und der Rechnungshof – mit der erforderlichen Aufwertung über zehn Milliarden Euro erreichen werden, entsprechen bisherigen Prognosen.

„Der eigentliche Kostensprung erfolgte 2006, als der neu ernannte Koordinator Bergmeister den bis damals angenommenen, völlig lächerlichen Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro drastisch nach oben stellte und damit auf eine realistischere Perspektive abhob. Die Entwicklung bei allen Großprojekten zeigt, dass Kosten regelmäßig explodieren und auch beim BBT bei der Einrichtung des Tunnels noch deutlich höhere Summen anfallen werden. Die Kosten für den annähernd gleich langen Gotthard-Tunnel sind hierbei ein guter Richtwert. Der BBT aber wird die Verkehrsbelastung an der Brennerstrecke nicht lösen, solange keine wirksame Verlagerungspolitik greift und nicht ein großer Teil des Lkw-Verkehrs auf die Schiene gezwungen wird“, erklären die Grünen.

Hierzu bleibe die Alpentransitbörse das wichtigste Instrument, der BBT hingegen sei nichts anderes als ein „sündteures Palliativ, zumal dann, wenn er nur begrenzt in Anspruch genommen wird bzw. werden kann“, erklären die Grünen.

Die Grünen als konsequente BBT-Skeptiker verweisen daher erneut auf die „Schwachstellen und Absurditäten des Konzepts“.

„Problemfall Zulauf Franzensfeste-Waidbruck“

Die aktuelle Solbruchstelle sei laut den Grünen allerdings nicht der Tunnel selbst, sondern vorab die Zulaufstrecken. „Der nördliche Zulauf in Bayern ist über das Stadium politischer Rhetorik nicht hinaus gekommen, aber auch südlich von Franzensfeste ist die Situation zunehmend düster, trotz aller Beschwichtigungen des Landeshauptmanns, von BBT-Koordinator Bergmeister und des unermüdlich Optimismus versprühenden Martin Ausserdorfer. Denn der eigentliche Zulaufstrecken-Bauträger RFI kommt mit seinen Bemühungen nicht voran, bzw. sind diese kaum spürbar“, erklären die Grünen.

Sie erinnern daran, dass schon im Juni 2011, also vor bald sechs Jahren, der damalige Landeshauptmann Luis Durnwalder große Sorge über das Stocken der Zulaufstrecke im 23-Kilometer-Abschnitt Franzensfeste-Waidbruck geäußert habe. Damals sei als Planungshorizont ausgegeben worden: Vergabe des Projektierungsauftrags bis Februar 2013, Verfügbarkeit der Finanzierung bis März 2014, Zuweisung der Arbeiten bis Oktober 2015, Abschluss des Baus 2022.

„Und bereits damals knurrte LH Durnwalder missmutig: ‚Abbiamo fatto il punto sulla progettazione e ci sembra che si proceda a rilento‘ (Corriere della Sera, 7. 6. 2011). Aktuell – also bald sechs Jahre später – ist weder von der Sicherheit der Finanzierung die Rede, geschweige denn von einer Zuweisung der Arbeiten, die bereits 2015 hätte erfolgen sollen“, erklären die Grünen. Zwar sei das Forderungspaket der Gemeinden im Hinblick auf den Zulauf Franzensfeste-Waidbruck in allen Details auf dem Tisch, aber der notwendige UVP-Beschluss der CIPE lasse auf sich warten.

Zudem verweisen die Grünen mit aller Eindringlichkeit darauf, dass der Kostenvoranschlag für den Zulauf Franzensfeste-Waidbruck in Höhe von 1,7 Milliarden auf einer Länge von 23 Kilometern nicht nur nicht angemessen, sondern „völlig illusorisch“ sei.

„Der Vergleich zeigt: Wenn der Tunnel selbst mit einer Gesamtlänge von 64 Kilometern mindestens rund zehn Milliarden E kosten wird, wird man für ein Drittel der Strecke nicht mit einem Sechstel der Summe das Auslangen finden. Auch wenn anerkannt wird, dass die Zulaufstrecke weit weniger komplex als der BBT selbst ist, zeigt ein vergleichender Blick auf den nördlichen Zulauf Kund/Radfeld und Baumkirchen im Inntal, dass dort auf 34 Kilometer Länge für die unterirdische Strecke mit zweigleisigen Tunnels und Wannen bereits bis 2012 stolze 2,35 Milliarden anstatt zunächst 1,352 Milliarden Euro fällig wurden. Wie sollen also auf der nur zehn Kilometer längeren, aber deutlich komplexeren Strecke bis Waidbruck 1,7 Milliarden genügen?“, fragen die Grünen.

Planungshorizont und Finanzierung seien beim Zulauf Franzensfeste-Waidbruck vollkommen aus dem Lot. Hinzu komme die drohende neue Finanzierungskrise in Italien, aufgrund der die Mittel für „Nebenkriegsschauplätze“ wie die Zulaufstrecke „rasch versiegen werden“. Zudem frage sich, ob der 13 Kilometer lange Schlerntunnel den neuen Verkehrszuwachs wirklich problemlos aufnehmen könne.

„Völlige Ungewissheit im Süden“

„Ist die Situation für den ersten Abschnitt des Zulaufs bereits düster, so herrscht an den zentralen Abschnitten der Zulaufstrecke vollkommene Finsternis: Die so notwendige und prioritäre Umfahrung Bozen, die bis zur angeblichen BBT-Fertigstellung 2026 abgeschlossen sein müsste, ist in Planung und Finanzierung vage, ein Vorprojekt soll bis 2018 kommen, der „wahrscheinliche“ Abschluss bis 2026 ist ein frommer Wunsch“, erklären die Grünen. Die Situation im Unterland über die nun erfolgte Eintragung in die Gemeinde-Bauleitpläne durch die Landesregierung hinaus sei völlig offen. Ob die für die Planung verantwortliche RFI die nötige Durchschlagskraft entwickelt, sei mehr als fraglich. „Von der 101 Kilometer langen Strecke zwischen Trient und Verona Nord schweigen wir lieber: Hier ist nicht einmal der Trassenverlauf rechts oder links der Etsch fest gelegt“, erklären die Grünen.

„Unter diesen Umständen wäre es verantwortungslos, der Bevölkerung weiterhin eine zügige Fertigstellung der Zulaufstrecken vorzuspiegeln und sie in der Hoffnung auf eine Entlastung in absehbarer Zeit verharren zu lassen. Vielmehr muss mit allem Nachdruck und aller Macht auf eine Verlagerung der Verkehrsströme auf die Bahn, alternative Routen, auf Verringerung und Stopp des Umwegverkehrs und sattsam bekannte Maßnehmen der Brenner-Plattform gedrängt werden (Nachtfahrverbot, Mauterhöhung usw.). Aktuell ist der Anteil der Bahn beim Brenner-Güterverkehr auf lächerliche 29 Prozent abgefallen, in wenigen Jahren erfolgte ein Rückgang um acht Prozent. Es ist an der Zeit, Illusionen und vorgetäuschte Tatsachen fallen zu lassen und den hauptbetroffenen Bürgerinnen und Bürgern als Anwohnern und Steuerzahlenden, die Wahrheit zu sagen“, erklären die Grünen.

In einer Landtagsanfrage wollen sie von der Landesregierung wissen: „Bis wann wird der Umweltbeschluss der CIPE für den Zulauf Franzensfeste-Waidbruck vorliegen? Hält sie den Kostenvoranschlag von 1,7 Milliarden Euro für die Zulaufstrecke Franzensfeste-Waidbruck wirklich für realistisch? Bei welchem Stand hält das Vorprojekt für die Umfahrung Bozen und die Trasse durch das Unterland? Welche Finanzierungsmittel stehen für die Umfahrung Bozen und die Trasse durch das Unterland in Aussicht? Wurde die bei der Brennerautobahn seit 1997 angereifte Finanzierung von mindestens 550 Millionen Euro verwendet, wenn ja, wofür oder ist sie nach 20 Jahren immer noch eingefroren? Werden Verhandlungen oder erste Vorgespräche über allfällige Verlagerungsmaßnahmen mindestens für die Zeit nach Fertigstellung des BBT geführt? Wird sie im Falle der nicht in absehbarer Zeit (20 Jahre) realisierbaren Zulaufstrecken mit Nachdruck auf andere Maßnahmen: Nachtfahrverbot, Mauerhöhung, Deckelung des LKW-Verkehrs drängen? Macht der BBT ohne Zulaufstrecken wirklich Sinn oder ist er – wie von Pat Cox oft genug wiederholt – ähnlich sinnvoll wie ein irisches Pub ohne Bier?“

Von: mk

Bezirk: Bozen