Putin verheizt seine Soldaten

Berichte von der Front: “Es ist eine verdammte Hölle”

Montag, 23. Januar 2023 | 11:29 Uhr

Kiew/Moskau – Erneut hat der ukrainische Militärgeheimdienst Anrufe russischer Soldaten an der Front mit Familien und Freunden abgefangen.

Diese Telefonate zeigen immer wieder aufs Neue, wie dramatisch die Lage auch für die Russen an der Front tatsächlich ist. Sie offenbaren auch, dass für Diktator Wladimir Putin die einzelnen Soldaten nichts Wert sind. Vielmehr werden sie vom Kreml-Regime regelrecht in den Kämpfen verheizt.

APA/APA (AFP/Sputnik/Archiv)/MIKHAIL KLIMENTYEV

Ein Soldat, der seit zwei Monaten in der Ukraine im Einsatz ist, berichtet einem Freund via Telefon: „Das ist kein Krieg, das ist eine verdammte Hölle. Es gibt keinen Nachschub, wir leben wie verdammte Hunde in Löchern.“ Er erklärt weiter, dass von den ursprünglich 240 Soldaten nur noch 94 übrig seien. Jeden Tag würden zwei bis drei Soldaten entweder sterben oder verwundet werden. Zwei Tage, berichtet er, hätten er und seine Kameraden im Keller eines zerstörten Hauses gesessen und rohe Kartoffeln gegessen.

Ukraines Militärgeheimdienst HUR fängt Telefonate wie diese regelmäßig ab und veröffentlicht sie. Einige dieser Gespräche sind nun erneut auf dem Twitter-Account @wartranslated ins Englische übersetzt worden.

Ein weiterer russischer Soldat zeigt sich in einem Telefonat mit der Heimat schockiert über die hohen Verluste an Menschen und Material. Fahrzeuge seien von den Ukrainern zerstört worden und nun warte man viel zu lange auf neue.

Das deckt sich mit den Schätzungen westlicher Militärs und Geheimdienste über die russischen Verluste. Es wird davon ausgegangen, dass mittlerweile über 100.000 Russen seit dem 24. Februar 2022 ihr Leben für die Großmachtfantasien Putins lassen mussten.

Ein Ende ist nicht in Sicht: Auf die hohen Verluste reagiert Russland mit weiteren Einberufungen. Erst kürzlich kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu an, die Truppenstärke von 1,15 auf 1,5 Millionen Soldaten erhöhen zu wollen. Der britische Geheimdienst antwortete darauf am Sonntag in seinem täglichen Briefing allerdings: Russland werde vermutlich Probleme haben, Personal und Ausrüstung für die geplante Erweiterung aufzutreiben.

Indes scheint auch ohne den offiziellen Beginn dieser geplanten Mobilmachung die Einziehung von Soldaten weiterzugehen: In einem anderen abgehörten Telefonat berichtet eine Frau einem Soldaten über eine neue Welle der Mobilisierung. Ein Mann sei nur zehn Tage nach einer Operation zum Militärdienst eingezogen worden.

In der Zwischenzeit geht die Schlacht um Bachmut in der Ostukraine unvermindert weiter. Ein ukrainischer Soldat berichtet heute unter dem Tosen und Donnern der Geschütze aus dem Zentrum der Stadt und gibt einen Lagebericht ab: Bachmut halte stand und bleibe weiterhin ukrainisch.

 

Von: luk