Brüsseler Trilog gestartet

Bio-Verbände warnen vor „Dammbruch“ bei Neuer Gentechnik

Montag, 12. Mai 2025 | 20:11 Uhr

Von: Ivd

Brüssel – In Brüssel haben am letzten Dienstag die entscheidenden Verhandlungen über die Zukunft der sogenannten Neuen Gentechnik (NGT) in Europa begonnen. Im sogenannten Trilog verhandeln EU-Kommission, Rat und Parlament über eine mögliche Lockerung der bisherigen Gentechnikregeln – und damit über nichts Geringeres als die Weichenstellung für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz der kommenden Jahrzehnte.

Kritik an den Plänen kommt scharf von Bio-Verbänden wie Bioland und dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Sie fürchten, dass die geplante Deregulierung der Neuen Gentechnik zulasten der Wahlfreiheit von Konsumenten, Bäuerinnen und Züchtern gehen könnte. „Für Bio und die gesamte gentechnikfreie Produktion steht Existenzielles auf dem Spiel“, warnen Bioland-Präsident Jan Plagge und BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Drei Säulen der Kritik

Im Zentrum der Kritik stehen drei Kernforderungen: Erstens soll die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) vom Saatgut über die Verarbeitung bis hin zum Endprodukt erhalten bleiben. Zweitens verlangen die Verbände klare Koexistenzregelungen – darunter Mindestabstände und Standortregister –, um den gentechnikfreien Anbau wirksam zu schützen. Drittens fordern sie eine Begrenzung der Patentierung von NGT-Produkten.

Rückenwind erhalten die Bio-Verbände aus dem Europäischen Parlament: Dort sprach sich eine Mehrheit – darunter auch die konservative EVP-Fraktion unter Führung von Manfred Weber – für die Beibehaltung der Kennzeichnungspflicht aus. „Gentechnik, auch die Neue, kann tiefgreifende Auswirkungen auf Organismen und Ökosysteme haben“, betonte Bioland-Vizepräsidentin Sabine Kabath. Deshalb brauche es weiterhin eine strikte Regulierung, Risikoprüfungen und vor allem Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Wirtschaftliche Folgen

Ein weiteres Warnsignal betrifft die wirtschaftlichen Folgen: Nach Angaben der Verbände könnten bald Tausende Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzeneigenschaften angemeldet werden – mit dem Risiko, dass Zuchtbetriebe unter Druck geraten und Bauern noch stärker von großen Saatgutkonzernen abhängig werden.

Brisant ist auch die völkerrechtliche Dimension: Ein vom deutschen Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten stellt klar, dass NGT-Produkte unter das Cartagena-Protokoll fallen – eine internationale Vereinbarung zum Schutz der biologischen Vielfalt. Demnach wäre die Abschaffung der Kennzeichnungspflicht ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht.

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