Von: APA/dpa/Reuters
Zehn Wochen nach der Bundestagswahl in Deutschland ist am Montag die fünfte schwarz-rote Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik besiegelt. Die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben in Berlin ihren Koalitionsvertrag mit dem Titel “Verantwortung für Deutschland” unterzeichnet. Der designierte Regierungschef Friedrich Merz (CDU) versprach den Bürgerinnen und Bürgern eine Wende zum Positiven. Merz’ Wahl soll am Dienstag erfolgen.
Im Fall seiner Wahl an diesem Dienstag im Bundestag und einer Bestätigung des Kabinetts werde das Land eine Regierung bekommen, die entschlossen sei, Deutschland mit Reformen und Investitionen nach vorne zu bringen, sagte der CDU-Vorsitzende kurz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags der künftigen Regierung mit dem Titel “Verantwortung für Deutschland” in Berlin.
Merz ergänzte: “Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt, ab morgen unser Land kraftvoll, planvoll, vertrauensvoll zu regieren.” Die Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD zeuge “von diesem Willen, ernsthaft, konzentriert, problembewusst an die Arbeit zu gehen”, sagte Merz. Die Regierungsmannschaft sei entschlossen “genau diesen Plan jetzt konzentriert umzusetzen und die Dinge in Deutschland zum Guten zu wenden”.
Klingbeil: Brauchen “Möglichmacher” – Söder will Volldampf
Der designierte SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil betonte, dass die Regierung nur mit Teamgeist erfolgreich sein könne. Als Motto für Schwarz-Rot gab er aus: “Deutschland braucht weniger Verwalter und mehr Möglichmacher.”
CSU-Chef Markus Söder forderte “Volldampf für Deutschland”. “Es wird nicht alles über Nacht gehen.” Man müsse aber mit der Umsetzung der Beschlüsse aus dem Koalitionsvertrag zu einem neuen “Deutschlandtempo” zu kommen. “Es ist Zeit für einen neuen Optimismus.”
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken verwies auf die Gefahren für die Demokratie. “Demokratie und demokratische Übergänge sind keine Selbstverständlichkeit”, warnte sie. Die größte Oppositionspartei werde vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, sagt sie mit Blick auf die AfD. Es sei Aufgabe aller Demokraten, “diesem rechten Spuk ein Ende zu bereiten”.
Zwölf Stimmen Polster bei der Kanzlerwahl
Der Weg für die Kanzlerwahl am Dienstag ist nun auch formell bereitet. Merz benötigt im Bundestag in geheimer Wahl die Zustimmung der Mehrheit aller Bundestagsabgeordneten, um Kanzler zu werden. Das sind 316 Stimmen. Dem Bundestag gehören 328 Politiker von Union und SPD an. Trotz des dünnen Polsters gilt Merz’ Wahl im ersten Wahlgang als ziemlich sicher.
Nach seiner Wahl erhält der 69-Jährige im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde und wird dann im Bundestag vereidigt. Darauf folgt Ernennung und Vereidigung seines Kabinetts.
Die Zeit der GroKo ist vorbei
Am Dienstagnachmittag kann die neue Regierung dann an die Arbeit gehen – auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der ersten Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Deutschland hat dann wieder eine voll handlungsfähige Regierung, die auch eine Mehrheit im Bundestag hinter sich hat.
Bündnisse von CDU, CSU und SPD wurden früher Große Koalition oder GroKo genannt, weil sie eine große Mehrheit im Bundestag hatten. Bei der ersten Großen Koalition von 1966 bis 1969 stellten die drei Koalitionsparteien zusammen 90 Prozent der Abgeordneten. Schon bei der letzten schwarz-roten Koalition 2018 bis 2021 waren es aber nur noch 56 Prozent. Jetzt ist es eine knappe Mehrheit von 52 Prozent.
Merz will eine “Arbeitskoalition”
Für die nicht mehr besonders große Koalition wurde in den letzten Wochen nach einem neuen Namen gesucht, ohne dass sich einer durchsetzte. Die Vorschläge von KleiKo (kleine Koalition, Idee der Grünen), über Angola- und Albanien-Koalition (nach den Landesfarben) bis zur Cola-Zero-Koalition (nach den Produktfarben) waren zum größten Teil auch nicht so richtig ernst gemeint.
Der designierte Kanzler hat das neue Bündnis nun “Arbeitskoalition” getauft. Die Überschrift des Koalitionsvertrags ist mit “Verantwortung für Deutschland” entsprechend nüchtern gewählt.
Schwarz-Rot steht akut vor allem vor vier Herausforderungen: Die Koalition will die schwächelnde Wirtschaft wieder ankurbeln, die irreguläre Migration eindämmen und die Finanzen mit Budgetplänen für 2025 und 2026 in den Griff bekommen. Außerdem muss die Regierung Merz/Klingbeil nach dem außenpolitischen Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump und angesichts der Bedrohung aus Russland ihre Rolle in Europa und der Welt neu definieren. Bis zum Sommer sollen nach dem Willen des designierten Kanzlers erste Ergebnisse spürbar sein.
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