Von: luk
Bozen – Der Landtag hat heute die Debatte zum jüngsten Bericht des Weltklimarats (IPCC) wieder aufgenommen.
Der Klimaschutz sei aufgrund der Pandemie etwas in den Hintergrund gerückt, bemerkte Jasmin Ladurner (SVP). Sie zitierte eine Umfrage, laut der 75 Prozent Jugendlichen sich aus diesem Grund Sorgen über die Zukunft machen. Ernährung und Verkehr seien wichtige Aspekte der Entwicklung, und genau in diesen Bereichen könne Südtirol viel tun. Verkehr fange bei jedem an, aber der Tourismus leiste einen wichtigen Beitrag zu unserer Wirtschaft. Man hier zu einem Mehr an Qualität und nicht an Quantität kommen. Südtirol habe große Chancen bei der Nachhaltigkeit, nicht nur auf die Umwelt bezogen, sondern auch auf die Chancengerechtigkeit. Der Klimawandel sei Realität, es gelte, jetzt zu handeln.
Greta Thunberg habe mit ihrem “Bla-bla-bla”-Vorwurf recht, meinte Josef Unterholzner (Enzian), bei anderen Dingen sei er mit ihr nicht einverstanden. Es werde nur geredet. Jeder könne seinen Beitrag leisten, schon beim Schulweg der Kinder. Auch die Abgeordneten sollten ein Beispiel geben. Autos und Traktoren hätten vor 30 Jahren viel mehr Ausstoß gehabt, die Abgaswerte hätten sich mehr als halbiert, während der Verkehr sich verdreifacht habe. 15 der großen Frachtschiffe würden mehr Treibgas ausstoßen als der gesamte Verkehr weltweit. Deutschland würde Wald roden, um Tesla anzusiedeln, aber die deutsche Autoindustrie hätte Kapazitäten genug. Ein kleines E-Auto habe viele Vorteile, vor allem in der Stadt, aber ein großes E-Auto habe Nachteile. Irgendwann würden die Fakten ans Licht kommen.
Arnold Schuler (SVP) richtete den Blick auf die Landwirtschaft. Deren Anteil am CO2-Ausstoß sei bei 20 Prozent, das sei aber nicht viel, wenn man bedenke, dass die Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähre. 1 Stunde Netflix habe denselben Einfluss auf das Klima wie die Produktion von 1 kg Äpfel. Eine Null-Prozent-Lösung gebe es nicht, aber man müsse das Mögliche versuchen. Wenn man in Südtirol die Produktion senken und dafür mehr importieren würde, würde sich das nicht positiv auf die Bilanz auswirken. In der Forstwirtschaft werde bei Aufforstungen bereits der Klimaneutralität Rechnung getragen. Auch die Landwirtschaft werde ihre CO2-Bilanz vorlegen, erklärte Schuler.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) bemerkte, dass der jüngst im Landtag vorgestellte Klimaplan ein Energie-Audit ab 2025 ankündige, ohne jedoch einen Zeitrahmen anzugeben. Auch andere Ziele seien ungenügend formuliert, etwa zur Fernheizung. Er fragte, wie lange man die Krankenhäuser noch mit Heizöl heizen wolle. Nur rund ein Drittel der Heizmasse in den Fernheizwerken stamme aus heimischen Wäldern, und diesen Anteil wolle man laut Klimaplan nur um 5 Prozent steigern. Das Auto, egal ob klein oder groß, müsse weg von den urbanen Zonen. Der Klimaplan sehe eine Erhöhung der Fläche für ökologische Landwirtschaft vor, sage aber nicht, um wie viel. Faistnauer fragte, welche Wissenschaftler an der Erstellung des Plans teilgenommen hätten.
Ulli Mair (Freiheitliche) bezeichnete die Debatte als wichtig, aber man sollte nicht nur vom Klima reden, sondern auch allgemein vom Umwelt- und Naturschutz. Man müsse die Menschen dafür sensibilisieren, ohne Sündenböcke zu suchen und Technologien pauschal anzuklagen. Klimapanik ohne Lösungsansätze sei ebenso abzulehnen wie eine Politik des “Weiter so”. Man müsse auch schauen, alle mitzunehmen, schauen, dass nicht Mehrkosten auf die Familien zukämen. Gemeinsame Lösungsansätze seien besser als radikale Maßnahmen. Südtirol hätte eine gute Ausgangsposition, wenn der politische Wille dazu aufgebracht werde. Man müsse die Mittel für Forschung und Innovation erhöhen, die Nutzung der Biomasse noch stärker fördern. Aus Biomasse ließen sich auch Strom und Wasserstoff generieren. Die Maßnahmen müssten partnerschaftlich getroffen werden. Keine Klimahysterie nach der Coronahysterie, forderte Mair. Jugend solle kritisch sein, aber in der Bewegung “Fridays for Future” werde oft ein Generationenkonflikt heraufbeschworen. Sie hoffe, dass man bei dieser Debatte schlauer vorgehe als bei Corona, um nicht Gräben aufzuwerfen.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) bezeichnete die Klimakrise als das größere Thema. Die Globalisierung sei anfangs als große Chance gesehen worden, nun sehe man auch ihre negativen Auswirkungen. Durch den Wunsch nach Mehr habe man nicht mehr den sparsamen Umgang mit den Ressourcen, wie man sie von der Elterngeneration gewohnt war. Die Natur habe sich immer verändert, aber heute handle es sich um Raubbau; man habe nicht das Recht, ein solches Wirtschaften weiter zu unterstützen. Die junge Generation sei nicht mehr gewillt, das BIP auf Kosten der Natur zu vergrößern. Bei Abriss und Wiederaufbau von Häusern falle Bauschutt an; ein erster Ansatz wäre, festzulegen, wie lange ein Haus nach dem Bau stehen bleiben müsse. Viele alte Häuser seien im Grunde Klimaschutzhäuser, sie seien im Laufe der Jahrhunderte repariert und instandgehalten worden, ohne viele Ressourcen zu verbrauchen. Lebensqualität sei nicht unbedingt Konsum, man müsse und könne diese Sackgasse verlassen. Jeder sei persönlich aufgerufen, seinen Lebensstil zu überdenken.
Manfred Vallazza (SVP) sprach über die Vorwürfe der Umweltverschmutzung gegenüber der Landwirtschaft. Er wies darauf hin, dass jedes Jahr mehr als 100 landwirtschaftliche Betriebe geschlossen werden, und rief dazu auf, darüber nachzudenken, was zur Schließung von Betrieben und zum Verlust eines wichtigen Erbes führt. Es müsse gesagt werden, dass durch die Landwirtschaft Tonnen von Stickstoff im Boden gespeichert und nicht mehr in die Luft abgegeben werden. Was die Waldgebiete betrifft, so breiten sich die Baumschädlinge rasch aus und verringern die positive Wirkung des Waldbestandes: Die Waldbesitzer müssen ihre Flächen weiterhin pflegen, damit sie für die CO2-Bindung von Nutzen bleiben. Jedes Jahr nimmt die Waldfläche zu und die Fläche der Almen nimmt ab, man müsse auch an das Überleben der kleinen Betriebe denken. Jeder könne seinen Beitrag zum Klimaschutz und zum Überleben der Landwirtschaft leisten, wenn er einheimische Produkte kaufe.
Waltraud Deeg (SVP) meinte, es gehe um ein Miteinander der Generationen, nicht um einen Generationenkonflikt. Wer in den 60-ern und 70-ern aufgewachsen sei, habe gelernt, Dinge wiederzuverwenden oder weniger zu heizen. Die Jugend poche sehr auf das Thema, habe aber einen hohen Energieverbrauch. Deutschland wolle auf E-Autos umstellen, habe aber nicht genug Strom aus nachhaltigen Quellen. Es sei Politik mit Zielen gefragt, aber es gebe auch Zielkonflikte. Man dürfe nicht ganze Bevölkerungsgruppen außen vor lassen. Die großen Herausforderungen würden nicht an der Landesgrenze Halt machen. Während der Lockdowns habe der Onlinehandel stark zugenommen, auch das sei eine Belastung für die Umwelt. Auch hier könne jeder seinen Beitrag leisten, indem er lokal einkaufe.
Philipp Achammer (SVP) sah einen Zwiespalt zwischen gesteigertem Umweltbewusstsein und Betonung auf persönliche Freiheiten. Wenn man die Änderung wolle, müsse man auch Einschränkungen in Kauf nehmen, indem man sich z.B. an früheren Generationen orientiere. In den Betrieben habe das Umweltbewusstsein zugenommen, auch weil die Kunden danach verlangten. Eine Änderung müsse auch sozial verträglich sein und die Entwicklung im ländlichen Raum berücksichtigen. In punkto Nachhaltigkeit sei Südtirol in vielen Bereichen im Spitzenfeld.
Die Freiheitlichen seien nicht für den Weg der Verbote, sondern für die Unterstützung von Fortschritten im Klimaschutz, erklärte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Er lobte LR Deeg und den sozialen Flügel der SVP für die vernünftigen und ehrlichen Beiträge zur Debatte. Andererseits beginne man, wie Tauber und die Bauernfraktion, schon mit der Verteidigungsposition. Es bringe nichts, einzelne Branchen zu beschuldigen. Der Verweis auf China und andere Länder bringe nichts, man müsse sachlich darüber diskutieren, was man in diesem Land tun könne. Die Entwicklung müsse weitergehen, und man dürfe bei Kernenergie nicht nur an Tschernobyl denken. Einkaufen beim Billighändler, Schwertfisch in der Berghütte – vieles ließe sich vermeiden. Wenn man richtig vorgehen wolle, dürfe man nichts unterschlagen, auch nicht die Milchimporte. Man müsse positiv nach vorne blicken, anstatt den Notstand auszurufen.
Daniel Alfreider (SVP) sah die Klimadebatte als große Chance, um unser Land weiterzuentwickeln. Es sei bereits viel getan worden, und es sei nicht korrekt, dies auszublenden. Auch die Transitproblematik müsse mit eingerechnet werden, das sei klar. Der BBT, von manchen als untragbar bezeichnet, sei die einzige Möglichkeit für eine nachhaltige Lösung. Die Güte gewisser Entscheidungen sehe man erst nach Jahren, da gelte auch für die Mobilität mit Wasserstoff, die vor 16 Jahren beschlossen worden sei. Die Pustertaler Bahn sei vor 150 Jahren gebaut worden, weil es noch keine Autos gab, heute brauche man sie, weil es zu viele Autos gebe. Man müsse immer mehr Möglichkeiten bieten, auf Bus und Bahn umzusteigen. Gerade die Mobilität als eine der größten Abnehmer erneuerbarer Energien sei ein wichtiger Partner im Klimaschutz. Er hoffe, dass man neue Projekte nicht a priori ablehne.
Die Rittner Seilbahn befördere eine Million Personen pro Jahr, die dafür auf das Auto verzichteten, machte Thomas Widmann (SVP) ein Beispiel. Im Pustertal gebe es eine Reihe von Fernheizwerken, die fast das ganze Tal versorgten. Das Breitband sei eine Möglichkeit, die Kilometer in Richtung null zu bringen, es ermögliche auch, von daheim aus zu arbeiten. Bei der Versorgung des ländlichen Raums sei Südtirol weiter als Bayern. Im Gesundheitswesen gebe es nun einen Plan für einen Umstieg auf erneuerbare Quellen. Die Lebensmittelversorgung müsse man immer mehr im Lande behalten. Südtirol könne nicht die Welt verändern, aber beispielhaft vorausgehen.
Giuliano Vettorato (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) ging auf die Kritik an den vom ihm vorgestellten Klimaplan ein. Es sei nicht zu leugnen, dass seit dem letzten Plan von 2011 vieles getan worden sei, pro Jahr seien 103.000 t CO2 eingespart worden. Es seien Biomasseanlagen errichtet worden, die Zahl der Fernheizanschlüsse sei stark erhöht worden. Mit dem Klimahaus seien 16.000 t CO2 pro Jahr eingespart worden. In seinem Klimaplanentwurf schlage er eine 80-Prozent-Quote an erneuerbaren Quellen vor, eine Senkung des CO2-Ausstoßes von 4 auf 3 t, die Erhöhung der Stromproduktion aus nachhaltigen Quellen. Die Landesregierung bemühe sich, dass der Plan breit mitgetragen werden, dazu werde es Gespräche mit allen Stakeholdern geben. Das Ziel sei, den Plan Anfang Februar zu verabschieden.
LH Arno Kompatscher betonte, dass es sich weniger um einen Plan, sondern um eine Strategie handle. Die Ziele von 2011 seien nicht erreicht worden, räumte er ein. Die Fahrzeuge seien vergleichsweise CO2-ärmer geworden, aber auch größer und schwerer. Der Entwurf sei von der Landesregierung erst zur Kenntnis genommen worden, er werde erst nach ausführlicher Diskussion verabschiedet. Man wolle auf jeden Fall die Landwirtschaft noch mit hineinnehmen – daran werde bereits gearbeitet -, ebenso die Autobahn, auch wenn man dort nicht alles tun könne, was man möchte. Die Eurac sei beauftragt worden, den Prozess zu begleiten. Man werde die Daten laufend veröffentlichen. Im Klimaplan würden auch die Effekte der staatlichen Maßnahmen berücksichtigt. Er führe diese Debatte gerne, aber er wolle nicht Dinge versprechen, die er nicht halten könne – der Plan sei bereits ambitioniert. Die Frage sei, ob der technologische Ansatz genüge. Er glaube das nicht: Die Technologie werde hilfreich sein, aber allein werde sie es nicht richten. Alle müssten täglich ihren ökologischen Fußabdruck überprüfen. Die Umstellung müsse auch sozialverträglich sein, und das werde eine große Herausforderung sein. Wenn man jetzt Null-Emission für 2030 verkünde, bedeute das, dass man viele Menschen in ihrem Leben und Arbeiten einschränken würde. Nicht alle könnten sich das neue, umweltfreundliche Auto leisten können. Es werde neue Regeln und Grenzwerte brauchen, aber man müsse auch einen Konsens erreichen. Totale Wunscherfüllung und totaler Verzicht seien zwei Extreme, er glaube, dass man einen Zwischenweg finden werde. Aber das könne nicht verordnet werden, dazu brauche es diese gesellschaftliche Debatte darüber, was Lebensqualität sei.