Stellungnahme der STF

“Dolmetschdienst im Gesundheitswesen darf kein Ersatz für Zweisprachigkeitspflicht sein”

Montag, 01. Juli 2019 | 11:38 Uhr

Bozen – Die Süd-Tiroler Freiheit zeigt sich grundsätzlich erfreut darüber, “dass mittlerweile auch die Verdi-Grünen-Vërc das Thema „Recht auf Muttersprache“ aufgreifen und, so wie die Süd-Tiroler Freiheit, nun ebenso die besondere Dringlichkeit des Problems im Gesundheitswesen erkennen.” Doch dem Vorschlag der Grünen, ärztlichem Personal und Pflegekräften Dolmetscher zur Seite zu stellen, kann die Süd-Tiroler Freiheit nur bedingt etwas abgewinnen, während sie in anderen Fällen ihre eigenen Vorschläge aufgegriffen sieht.

Cristian Kollmann von der Landtagsfraktion der Süd-Tiroler Freiheit und Sprachexperte, erläutert die Gründe:

1. Jene Gruppe, deren Recht auf Gebrauch der Muttersprache am häufigsten missachtet wird – obwohl ihnen dieses gesetzlich zusteht – sind ganz klar die Südtiroler deutscher Muttersprache. Ebenso häufig betroffen sind die Ladiner, deren Sprache jedoch bis heute einer völligen rechtlichen Gleichstellung mit dem Italienischen (und Deutschen) harrt. Die gilt es, vorab klarzustellen.

2. Das Recht auf Gebrauch der Muttersprache steht somit in erster Linie den drei offiziellen Sprachgruppen in Südtirol zu – wobei die italienische Sprachgruppe kaum Diskriminierungen erfährt – und nicht automatisch auch ausländischen Bürgern, deren Muttersprache eine andere ist als jene der Südtiroler. Ausländischen Patienten steht das Recht auf Gebrauch der Muttersprache nicht zu, sondern es handelt sich wenn schon um ein Entgegenkommen seitens der Behörde! Hier gilt es also zu differenzieren! Ansonsten wird das Recht auf Muttersprache, das den Schutz von autochthonen Minderheiten garantieren soll, ad absurdum geführt.

3. Die Bereitstellung von Dolmetschern kann deshalb wenn schon nur für jene Patienten diskutiert werden, die keine der drei Landessprachen beherrschen und darf demnach kein Ersatz – auch kein vorübergehender – für die Verpflichtung zur Zwei- bzw. Dreisprachigkeit seitens des ärztlichen Personals und der Pflegekräfte werden.

4. Mit dem Dolmetschdienst, der wie erwähnt wenn schon nur für ausländische Patienten eine Lösung sein könnte, käme allerdings eine weitere Komponente ins Spiel: Wer haftet im Falle von fehlerhaften Übersetzungen? Der Arzt bzw. Pfleger oder der Dolmetscher? Auf die Dolmetscher, die ja keine medizinischen Fachkräfte sind, könnte eine große Verantwortung zukommen.

5. Die mangelnde Zweisprachigkeit der Ärzte und Pfleger – und gemeint sind hiermit in erster Linie mangelnde Deutschkenntnisse – kann selbst unmittelbar nicht durch die Bereitstellung von Dolmetschern gelöst werden, da auch diese erst ausgebildet werden müssten. Vielmehr sollte stattdessen direkt auf die mehrsprachige Ausbildung der Ärzte und Pfleger gesetzt werden, anstatt mit Dolmetschern eine zusätzliche Gruppe zu bemühen.

6. Es müssen mehr Anreize für Medizinstudenten geschaffen werden, damit diese nach ihrem Studium im deutschsprachigen Ausland nach Südtirol zurückzukehren. Gleichzeitig muss müssen, wie immer wieder von der Süd-Tiroler Freiheit gefordert, gezielt mehr Ärzte und Pfleger aus dem deutschsprachigen Raum angeworben werden.

7. Die von den Grünen geforderte Einführung eines Bonussystems für Personen, die die Zweisprachigkeitspflicht erfüllen, ist lobenswert. Damit greifen die Grünen einen ähnlichen Vorschlag der Süd-Tiroler Freiheit auf. Eine weitere Forderung der Süd-Tiroler Freiheit ist in diesem Zusammenhang das Ende der Untergrabung des Systems der Zweisprachigkeitsprüfung und die Aushöhlung des ethnischen Proporzes. Mehr Klartext von den Grünen auch in diese Richtung wäre durchaus wünschenswert!

8. Ebenso lobenswert ist der Vorschlag der Grünen, dass für Patienten die Möglichkeit vorgesehen wird, in welcher Sprache sie kommunizieren können. In der Tat greifen die Grünen hiermit einen weiteren Vorschlag der Süd-Tiroler Freiheit auf. Konkret sähe dieser im Rahmen der Datenschutzerklärung die Sprachwahl für Patienten bei deren Ersteintritt ins Krankenhaus vor.

 

“Der Vorschlag der Grünen ist aus Sicht der Süd-Tiroler Freiheit, kurzum, nicht a priori abzulehnen, sondern insgesamt diskussions-, verbesserungs- und präzisierungswürdig. Auf keinen Fall soll der grüne Vorstoß jedoch dazu dienen, die Verpflichtung seitens des ärztlichen Personals und der Pfleger zur Zweisprachigkeit und zum ethnischen Proporz und damit eine grundlegende Säule des Minderheitenschutz obsolet zu machen”, heißt es abschließend.

Von: luk

Bezirk: Bozen