Anträge von Grünen und Freiheitlichen

Ensembleschutz und leistbares Wohnen Themen im Landtag

Dienstag, 27. Juni 2017 | 17:30 Uhr

Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge von Grünen und Freiheitlichen behandelt. Am Mittwoch gibt es keine Sitzung.

Zu Beginn der Sitzung gab Präsident Roberto Bizzo bekannt, dass die heutige Sitzung bereits um 16.00 Uhr endet, um den Abgeordneten die Gelegenheit zu geben, rechtzeitig nach Wien zu kommen, wo eine Südtiroldebatte im Nationalrat  (25 Jahre Streitbeilegungserklärung) abgehalten wird. Der Landtag wird dabei durch Vizepräsident Thomas Widmann vertreten. Alessandro Urzì wandte ein, dass ein Besuch des Nationalrats kein institutioneller Anlass sei.
Aus dem genannten Grund –  und auch wegen einer Verhandlung vor dem Rechnungshof über den Landeshaushalt – findet morgen keine Landtagssitzung statt.

Veronika Stirner, stellvertretende Vorsitzende des Wahlbestätigungsausschusses, verlas anschließend dessen Bericht zur Position des Abg. Hannes Zingerle. Demnach ist bei Zingerle nach eingehender Prüfung kein Grund für Nichtwählbarkeit oder Unvereinbarkeit mit dem Mandat gefunden worden.
Der Landtag bestätigte die Wahl Zingerles einstimmig.

Ulli Mair, die als Mitglied des I. Gesetzgebungsausschusses zurückgetreten ist, schlug als Nachfolgerin ihre Fraktionskollegin Tamara Oberhofer vor, welche vom Plenum mit 26 Stimmen gewählt wurde (4 Stimmzettel waren weiß, 1 war ungültig).

 

Beschlussantrag Nr. 670/16: Ensembleschutz: säumige Gemeinden zum Handeln anspornen (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Heiss am 2.9.2016). Die Landesregierung soll aufgefordert werden, 1. den Sachverständigenbeirat gemäß Artikel 25 Absatz 2 (Ensembleschutz) des Landesraumordnungsgesetzes unverzüglich aufzufordern, innerhalb von sechs Monaten für alle Gemeinden, die bis dahin der Pflicht laut Absatz 3 desselben Artikels nicht nachgekommen sind (Erstellung eines Verzeichnisses der Liegenschaften, die unter Ensembleschutz zu stellen sind, und Verabschiedung der entsprechenden Änderungen am Bauleitplan), eine Liste der schützenswerten Ensembles im entsprechenden Gemeindegebiet auszuarbeiten; 2. im neuen Landesgesetz für Raum und Landschaft strengere Bestimmungen zum Ensembleschutz vorzusehen, um innerhalb genauer und bindender Fristen die Einhaltung derselben zu gewährleisten, wobei für die Gemeinden unterstützende Maßnahmen zur technischen Ausarbeitung festgelegt werden.

“Obwohl diese Frist bereits 2004 verfallen ist, hat es die Mehrheit der Gemeinden bisher verabsäumt, dieser Pflicht nachzukommen”, bemängelte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). “Die Gründe für diese Untätigkeit sind unterschiedlich: Es mangelt an Geldmitteln, das Gesetz sieht bei Säumigkeit keine Sanktionen vor, es fehlen bindende Fristen, Partikularinteressen erschweren die Ausarbeitung der Ensembleschutzpläne, es besteht kaum der Wille, Einschränkungen bei der Nutzung der Bausubstanz in Kauf zu nehmen, wodurch sich allerdings die Gefahr erhöht, wertvolle Objekte unwiederbringlich zu verlieren.” Wenn das Landesgremium die Ensembles vorschlägt, könnte man die Gemeinden etwas entlasten, meinte Dello Sbarba.

Für Walter Blaas (Freiheitliche) haben die Gemeinden hier zu viel Spielraum. Das Land sollte den Druck ein bisschen erhöhen. Den zweiten Teil des Antrags lehnte Blaas aber ab, strengere Bestimmungen zum Ensembleschutz seien nicht nötig, man müsse nur dafür sorgen, dass die Gemeinden die Ensembles ausweisen.
Oswald Schiefer (SVP) verwies auf seine Gemeinde Kurtatsch, die bereits 2008 mit dem Plan begonnen habe. Die Ensembleschutz- und die Wiedergewinnungspläne würden sich allerdings oft decken, wodurch man eine Verdopplung habe. Schiefer plädierte dafür, es den Gemeinden zu überlassen, ob sie einen Ensembleschutz wollten.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) bezeichnete es als nicht akzeptabel, dass viele Gemeinden das Gesetz noch nicht angewendet hätten. Der Ensembleschutz müsse allerdings weiter gedacht werden als bis zum Status quo, manches sei erst einige Jahrzehnte alt. Die derzeitige Regelung sei unzufriedenstellend, weil interpretierbar, und dadurch gehe vieles verloren.

Hans Heiss (Grüne) bedauerte, dass das zuständige Amt oft nicht einschreite, um auf die Einhaltung der Auflagen zu pochen. Der Ensembleschutz bedeute keine Käseglocke, er sei flexibel. In vielen Gemeinden gehe hier seit Jahren nichts weiter, daher wäre ein Anstoß durch das Land gut.

Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) sprach sich gegen den Vorschlag aus. Es brauche eine bessere Kommunikation zwischen Gemeinden und Betroffenen, eine Wertschätzung der Dorfgemeinschaft für ein Ensemble. Dazu brauche es keinen Sachverständigenrat. Am Ensembleschutz hätten deshalb so wenige Freude, weil man immer mit Auflagen und Sanktionen komme.

Wahrscheinlich seien die Gemeinden in Verzug, weil die Bürgermeister derzeit mehr mit ihrer Rente und Abfertigung beschäftigt seien, scherzte Andreas Pöder (BürgerUnion). Das Gesetz stelle sich als zahnlos heraus. Was zum Ensemble zähle, hänge vielfach auch von der politischen Position des Betroffenen ab. Wenn der Ensembleschutz ein Landesziel sei, dann müsse der Landtag dem Gesetz Respekt verschaffen.

In seiner Heimatgemeinde sei der Plan schon längst erstellt, erklärte Sigmar Stocker (Freiheitliche) und berichtete von zwei positiven Anwendungsfällen. Er schlug vor, säumige Bürgermeister zum Lokalaugenschein in Gemeinden einzuladen, die dies bereits umgesetzt hätten. Das könnte ihnen die Angst nehmen.

Ziel sei es, die Identität eines Ortes zu erhalten, erklärte LR Richard Theiner. Das bedeute nicht, dass alles so bleiben müsse, wie es ist. Das Wesen eines Ortes müsse bleiben, und das könne oft auch durch eine Neugestaltung erreicht werden. Wenn keine Gemeinde den ursprünglichen Termin eingehalten habe, so sei das vielleicht auch die Schuld des Gesetzgebers. 56 hätten den Plan ausgewiesen, in 32 lägen Entwürfe vor. Es habe keinen Sinn, wenn Ortsfremde festlegen würden, was in einer Gemeinde schützenswert sei. Der Ensembleschutz sei eine Gemeindekompetenz, daher wolle man sensibilisieren, nicht Zwangsmaßnahmen setzen.
Riccardo Dello Sbarba fand es befremdlich, dass man die Nichteinhaltung eines Gesetzes akzeptiere. Dieses werde einfach boykottiert, und das sei ein schlechtes Omen für das neue Raumordnungsgesetz. Dello Sbarba verzichtete schließlich auf Punkt 2 seines Antrags. Wichtig sei es vor allem, einen Ansporn für die Gemeinden zu schaffen.

Der Antrag wurde mit 11 Ja, 20 Nein und 2 Enthaltungen abgelehnt.

 

Beschlussantrag Nr. 736/17: leistbares Wohnen (vorgelegt von den Abg. Leitner, Blaas, Mair, Oberhofer, Stocker S. und Tinkhauser am 31/1/2017).  Die Landesregierung möge im Zuge der Wohnbaureform das Astat mit einer Erhebung des Bedarfs beauftragen, bei der EEVE angespartes Eigenkapital nicht bestrafen, junge Ehepaare und Familien mit Kindern bevorzugen, konventionierte und WOBI-Wohnungen den Einheimischen vorbehalten.

“Der Begriff ‘Leistbares Wohnen’ ist in Südtirol zu einem Synonym dafür geworden, dass sich viele Menschen kein Eigenheim bzw. keine eigene Wohnung leisten können”, bemerkte Ulli Mair (Freiheitliche). “Dazu kommt, dass für viele auch die Mieten unerschwinglich sind. Das Problem kann nur mit einem Paket von Maßnahmen gelöst bzw. zumindest eingeschränkt werden, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass in erster Linie die Einheimischen zu unterstützen sind. Derzeit ist dies nicht so, wie die Zuweisung des Wohngeldes eindrucksvoll beweist. Dieses geht zu mehr als einem Drittel an Nicht-EU-Bürger. Die Absicht der Landesregierung, Wohnungen des Institutes für den sozialen Wohnbau (WOBI) auch anerkannten Flüchtlingen zuzuweisen und die Praxis, konventionierte Wohnungen auch für Nicht-EU-Bürger zu öffnen, gereicht den Südtirolern zum Nachteil.”

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wandte ein, dass anerkannte Flüchtlinge EU-Bürgern gleichgestellt seien, ebenso Einwanderer mit unbeschränkter Aufenthaltserlaubnis. Um Wohnen leistbar zu machen, müsse man die Spekulation verhindern anstatt wieder auf die Letzten zu treten. Es gebe genug Vorschläge in diese Richtung.

Die EEVE belaste die einheimische Bevölkerung, insbesondere die Mittelschicht, kritisierte Andreas Pöder (BürgerUnion). Vom Ziel der Koalition, besonders die Mittelschicht zu fördern, sei nichts mehr übrig.

Sven Knoll (STF) bestätigte das Problem. Junge Mitbürger würden einen Wohnbaukredit verschieben und damit Altersarmut riskieren. Die Südtiroler Wohnbauförderung sei in einer anderen Zeit entstanden, als noch niemand mit einer derart massiven Einwanderung gerechnet habe. Die Politik müsse sich nun entscheiden: Mehr Wohnungen bauen oder der einheimischen Bevölkerung den Vorzug geben.

Walter Blaas (F) wies auf vielfachen Missbrauch der konventionierten Wohnungen hin. Die Gemeinden wollten nicht kontrollieren, und nur die Hälfte von ihnen nutze die eigens dafür geschaffene Kontrollagentur. Bei solch weitverbreitetem Missbrauch sei ein Markt mit leistbaren Wohnungen schwierig.

LR Christian Tommasini kündigte das Nein der Landesregierung an, wenngleich der Antrag ein echtes Problem aufzeige. Es sei Aufgabe der Politik, den Bürgern leistbare Wohnungen zu ermöglichen. Das Land habe für dieses Ziel viel Geld ausgegeben. Mit den Jahren habe sich aber die Struktur der Gesellschaft, hätten sich die Familien geändert, und damit auch der Bedarf. Mit dem Bausparen wollte man eine Möglichkeit schaffen, auf diese Bedürfnisse einzugehen. Das Gesetz sehe übrigens bereits eine Beschränkung bei den Nicht-EU-Bürgern auf 10 Prozent der Institutswohnungen vor, eine weitere Einschränkung sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Mit dem neuen Wohnbaugesetz wolle man auch die Verfügbarkeit der Baugründe erhöhen, ebenso denke man an WOBI-Wohnungen für den Mittelstand.

Die Debatte wird am Donnerstag fortgesetzt.

Von: luk