Von: APA/dpa/AFP/Reuters
Nach heftiger internationaler Kritik an der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hat Israel die Ausweitung von Hilfslieferungen über humanitäre Korridore in dem Palästinensergebiet gestattet. Sonntagfrüh verkündete die israelische Armee eine “taktische Pause” ihres Militäreinsatzes in Teilen des Gazastreifens, um die sichere Durchfahrt von Hilfskonvois zu ermöglichen. Zuvor hatte die Armee die Wiederaufnahme des Abwurfs von Hilfslieferungen bekannt gegeben.
Israels Armee verkündet “taktische Pause”
Die von Israel verkündete “taktische Pause” soll nach Angaben der Armee täglich zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr in Gebieten gelten, in denen die Armee zuletzt nicht aktiv gekämpft hatte, darunter die Orte Al-Mawasi und Deir el-Balah sowie Teile der Stadt Gaza. Im gesamten Gazastreifen seien “ausgewiesene sichere Routen” eröffnet worden, um UN-Konvois und Hilfsorganisationen eine sichere Durchfahrt zu ermöglichen, erklärte die Armee.
Bereits kurz nach der Bekanntgabe der “taktischen Pause” überquerte Sonntagfrüh eine Kolonne von rund 100 Lastwagen mit Hilfsgütern den Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Die Lastwagen können jedoch nicht direkt in das Palästinensergebiet fahren, sondern müssen einen mehrere Kilometer weiten Umweg über den von Israel kontrollierten Übergang Kerem Shalom machen, wo sie kontrolliert werden. Erst dann ist die Einfahrt in den südlichen Gazastreifen möglich.
UNO begrüßt Ausrufung humanitärer “Pausen” im Gazastreifen
Der Leiter des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) hat die Einrichtung sicherer Korridore für Hilfslieferungen im Gazastreifen begrüßt. Er begrüße Israels Ankündigung einer täglichen mehrstündigen “Pause” der Kampfhandlungen in dem Palästinensergebiet, erklärte OCHA-Chef Tom Fletcher am Sonntag im Onlinedienst X. Er stehe im Kontakt mit den UN-Helfern vor Ort, die “alles tun werden, um so viele hungernde Menschen wie möglich zu erreichen”.
Die Zeltstadt in Al-Mawasi hatte Israel schon zuvor als sicheren Rückzugsraum für Zivilisten definiert. Allerdings kam es in der Vergangenheit auch dort zu israelischen Angriffe mit vielen Toten. In Deir al-Balah befindet sich das zentrale Warenlager der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für den Gazastreifen. Dieses war laut der WHO kürzlich beschädigt worden, als das israelische Militär erstmals mit Bodentruppen in das Gebiet eingerückt war.
Israel weist Vorwurf des Aushungerns zurück
Auch eine Entsalzungsanlage zur Aufbereitung von Trinkwasser im Gazastreifen sei nun wieder an das israelische Stromnetz angeschlossen worden, teilte die Armee mit. Die eingeleiteten Maßnahmen zielten darauf ab, die humanitäre Hilfe dort zu verbessern “und die falsche Behauptung zu widerlegen, dass der Gazastreifen absichtlich ausgehungert wird”, erklärte das Militär auf Telegram.
Seit dem Zusammenbruch einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter in das abgeriegelte Küstengebiet gelangt. Israel und die UNO werfen einander gegenseitig vor, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern.
WHO warnte vor tödlicher Hungerkrise
Das israelische Militär teilte in der Nacht auf Sonntag mit, es seien sieben Paletten mit Hilfsgütern wie Mehl, Zucker und Lebensmittelkonserven abgeworfen worden, die von internationalen Organisationen bereitgestellt worden seien. Auch der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate kündigte auf X an, die Abwürfe würden “umgehend wieder aufgenommen”. Helfer halten die Methode jedoch wegen der relativ geringen Mengen Lebensmittel für ineffektiv. Außerdem könnten Menschen am Boden durch die Paletten verletzt werden.
Die WHO warnte zuletzt vor einer tödlichen Hungerkrise unter den rund zwei Millionen Bewohnern des Gazastreifens. Israel bestreitet die Gefahr einer tödlichen Hungerkrise und spricht stattdessen von einer Kampagne der islamistischen Hamas. Sie kapere Hilfstransporter, um mit Geld für die erbeuteten Hilfsgüter ihre Kämpfer zu bezahlen.
Merz: Hilfe muss bei Bevölkerung ankommen
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat einem Regierungssprecher zufolge Israel aufgefordert, der hungernden Zivilbevölkerung im Gazastreifen Hilfe zukommen zu lassen. Regierungssprecher Stefan Kornelius teilt mit, Merz und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hätten am Sonntag dazu telefoniert. “Der Bundeskanzler brachte seine große Sorge zur katastrophalen humanitären Lage in Gaza zum Ausdruck.” Netanyahu müsse alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um umgehend einen Waffenstillstand zu erreichen. Hilfe müsse die Zivilbevölkerung schnell, sicher und im gebotenen Umfang erreichen. “Den von der israelischen Regierung angekündigten Maßnahmen müssten nun rasch substanzielle weitere Schritte folgen.”
Eine Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit steht für die deutsche Bundesregierung derzeit nicht auf der Tagesordnung. Die deutsche Bundesregierung betrachte sie weiter als einen der abschließenden Schritte auf dem Weg hin zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung, erklärt Regierungssprecher Kornelius.
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