Rücktrittsaufforderungen

FDI-Vertreter wettert gegen Regenbogenfahne mit Nazi-Spruch

Freitag, 20. Juni 2025 | 16:09 Uhr

Von: mk

Bozen – Ein Beitrag auf Facebook von Diego Salvadori, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden vom Fratelli d’Italia im Gemeinderat Bozen, schlägt hohe Wellen. Offenbar im Versuch, die Regenbogenfahne im NOI Tech Park zu diskreditieren, hat er ein Bild von ihr mit einem mutmaßlichen Goebbels-Zitat versehen. Zahlreiche Politiker haben sich zu Wort gemeldet.

Übersetzt lautet Salvadoris Beitrag: “Die Flagge folgt nicht dem Volk, es ist das Volk, das der Flagge folgen muss. Joseph Goebbels, Propagandaminister des Dritten Reiches.”

Christian Bianchi, Landesrat und Koordinator von Forza Italia, distanzierte sich umgehend von den Äußerungen. “Sowohl in der Sprache als auch im Verhalten sind solche Äußerungen inakzeptabel und schaden der gesamten Koalition”, erklärte Bianchi laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Ansa. Forza Italia und deren Gemeinderäte würden eine solch kulturelle Niveaulosigkeit nicht akzeptieren.

Auch aus den Reihen der Grünen kam scharfe Kritik. Neo-Gemeinderätin Cornelia Brugger sprach von “Verherrlichung des Nationalsozialismus “. Auf Facebook schrieb sie: “Ich frage mich, was Bozens Bürgermeister Claudio Corrarati dazu sagt, der versprochen habe, dass der Faschismus nicht in die Gemeindestube einziehen werde. Ich frage mich, was die SVP dazu sagt. Wo sind die Werte und Prinzipien geblieben, auf denen die Volkspartei gegründet wurde?”

Zu Wort meldete sich zunächst SVP-Senatorin Julia Unterberger. “Goebbels zu zitieren, um die Regenbogenfahne zu diskreditieren, die im Techpark in Bozen gehisst wurde, ist eine sehr schwerwiegende Entgleisung. Tausende Homosexuelle sind in den Konzentrationslagern der Nazis gestorben.“ Salvadoris Beitrag sei eine Beleidigung des Gedenkens an alle Opfer des Holocaust. „Es handelt sich um eine regelrechte Verherrlichung des Nationalsozialismus, des Hasses und der Intoleranz, die nicht ohne Folgen bleiben darf”, kommentierte die Vorsitzende der Autonomiegruppe im Senat. Ebenso schwerwiegend sei das „Like“ von Vizelandeshauptmann Marco Galateo – ebenfalls Mitglied von Fratelli d’Italia – zu diesem Beitrag. „Was denken die nationalen Führungskräfte von Fratelli d’Italia darüber? Was denkt die Vorsitzende Meloni über derartige Verirrungen ihrer Parteimitglieder?“, fragt Unterberger.

Erste Rücktrittsaufforderungen

Vom PD kommen unterdessen erste Rücktrittsaufforderungen. Salvadori sei seines Amtes unwürdig, erklärt Landessekretär Carlo Bettio. Er habe die Verfassung – allem voran Artikel 54 – verletzt, indem er die Prinzipien der Gleichheit, Nichtdiskriminierung und Freiheit verhöhne. Auch Galateo wird scharf kritisiert. Landeshauptmann Arno Kompatscher solle den andauernden Provokationen seines Stellevertreters endlich einen Riegel vorschieben.

Auf den Rechten von Personen baue das friedliche Zusammenleben einer Gemeinschaft auf. Man dürfe jenen keinen Raum geben, die Freiheit und Demokratie einschränken wollen, so der PD.

Auch die Jugendbewegung des Partito Democratico verurteilte die Gleichsetzung der LGBT-Bewegung mit dem Nationalsozialismus. Dabei handle es sich nicht nur eine “vulgäre und unbegründete Provokation”, sondern um einen Akt, der die Institutionen entehre und die italienische Verfassung mit Füßen trete. Mit seinem Post habe Salvadori die Würde vieler Bürgerinnen und Bürger beleidigt und die Grundprinzipien der Demokratie verletzt. PD-Senator und Bozens Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli bezeichnete die Äußerungen des FdI-Vertreters als “moralischen Abfall”.

Angesichts der massiven Kritik versuchte Salvadori, seinen Post zu relativieren. Er erklärte, sein Beitrag habe lediglich ein historisches Zitat enthalten, das auf sich auf Goebbels zurückzuführen lasse und von dem er sich selbst sich in absoluter Weise lossage. Er verurteile “jede Art von totalitärem Regime” aufs Schärfste. “Ich habe jedoch erkannt, dass das Zitat unpassend ist und zu Missverständnissen führen kann”, räumte der Gemeinderat ein und entschuldigte sich, wie die Nachrichtenagentur Ansa schreibt.

Auch Galateo ruderte nach den Polemiken zurück. So bezeichnete er den Vorfall als “schlimmen Ausrutscher unseres Gemeinderats, der jedoch nicht als Zustimmung zu Prinzipien von Diktaturen der Vergangenheit” gelesen werden dürfe. Auch Galateo entschuldigte sich im Namen der Partei “bei allen Personen, die sich durch das Zitat beleidigt gefühlt haben sollten”. Gleichzeitig fügte er hinzu: “Das ist nichts, womit wir uns identifizieren, das ist nichts, woran wir glauben, und es war ein Fehler, der vielleicht der noch unerfahrenen Kommunikationspraxis geschuldet ist.”

Kritik vom Heimatbund

Auch der Südtiroler Heimatbund (SHB) verurteilt unterdessen die Verharmlosung nationalsozialistischer Rhetorik und fordert eine klare Distanzierung von Goebbels-Zitat. „Unabhängig davon, ob das Zitat historisch exakt Goebbels zuzuordnen ist oder nicht, ist es völlig inakzeptabel, die nationalsozialistische Propagandasprache zur Kritik an gesellschaftlichen oder politischen Symbolhandlungen zu verwenden“, so SHB-Obmann Roland Lang.

Der Südtiroler Heimatbund erinnert daran, dass Südtirol eine schmerzhafte Geschichte autoritärer Unterdrückung kenne – durch faschistische Italianisierung und noch verstärkt durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs. „Gerade vor diesem Hintergrund sind geschichtsrevisionistische Anspielungen oder eine Relativierung nationalsozialistischer Weltanschauung völlig untragbar – insbesondere von gewählten Mandataren“, betont Lang.

Dass sich Salvadori nachträglich entschuldigt und das Zitat als „missverständlich“ bezeichnet hat, sei ein notwendiger Schritt, reiche aber nicht aus. Die Verwendung einer solchen Sprache im öffentlichen Raum stellt eine bewusste Provokation dar und beschädige das demokratische Klima in Südtirol.

Der SHB fordert die politischen Verantwortungsträger auf allen Ebenen auf, „klar Stellung zu beziehen – nicht nur gegen die Verharmlosung totalitärer Ideologien, sondern auch gegen die Normalisierung faschistischer oder nationalistischer Rhetorik in Gemeinderäten und anderen Gremien.“

Bezirk: Bozen

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