Von: luk
Bozen – Freiheitliche und Süd-Tiroler Freiheit kritisieren ein Unterrichtsmodell, das am Realgymnasium in Bozen eingeführt wird. In einer “internationalen Klasse” soll es einen rein englischsprachigen Unterricht geben.
Freiheitliche: “Zweifel an Qualität”
Der freiheitliche Obmann Otto Mahlknecht kritisiert den Plan einer rein englischsprachigen Klasse am Realgymnasium Bozen: „Wir Freiheitlichen setzen uns seit jeher für die muttersprachliche Schule ein und lehnen bi- oder trilinguale Experimente ab. Erst recht sind wir gegen einsprachig englische Schulklassen”, so Mahlknecht.
„Ich bin ein vehementer Verfechter der muttersprachlichen Schule – sie ist der wertvollste Schatz, den wir haben. Wohin eine gemischtsprachige Schule führt, kann jeder an der Universität Bozen beobachten; dort spielt das Deutsche nur mehr eine untergeordnete Rolle nach dem Englischen und Italienischen. In der Region Aosta wurde nach 1945 die gemischtsprachig französisch-italienische Schule eingeführt. Das hat dazu geführt, dass dort heute kaum noch jemand Französisch bzw. Frankoprovenzalisch spricht. Wenn der Unterricht an einer Südtiroler Schule jetzt gar nur mehr in englischer Sprache stattfinden soll, so wäre dies eine eklatante Verletzung von Artikel 19 unseres Autonomiestatuts“, so der freiheitliche Obmann.
„Abgesehen davon möchte ich gar nicht wissen, welche sprachliche Qualität dieses Englisch haben würde, besitzen doch nur die wenigsten Lehrer zertifizierte Englischkenntnisse auf C2-Niveau. Wir Freiheitlichen sind für guten Englisch- und Italienischunterricht der Südtiroler Schüler, für Sprachaufenthalte im Ausland und für bestmögliche Zusatzförderung, aber all das bitte auf dem Fundament unserer hart erkämpften muttersprachlichen Schule“, so Mahlknecht abschließend.
STF: “Sprachexperimente gefährden Identität und Autonomie”
“Dieses Unterrichtsmodell verletzt ganz klar das Autonomiestatut. Ein weiteres gefährliches Sprachexperiment, das die Identität der deutschsprachigen Südtiroler und ihr Recht auf muttersprachlichen Unterricht gefährdet. Laut einer offiziellen Medienaussendung des Landes hat „Bildungslandesrat Philipp Achammer die Einrichtung eines internationalen Klassenzugs von Anfang an unterstützt und diese im politischen Aufbau aktiv begleitet. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, wie gleichgültig der SVP die hart erworbenen Autonomierechte der Südtiroler sind. Während die Gründerväter der SVP für jeden Beistrich im Autonomiestatut und das Recht des muttersprachlichen Unterrichts in Südtirol kämpften, scheint der aktuelle SVP-Obmann und Bildungslandesrat Philipp Achammer eine der wichtigsten Grundsäulen unserer Autonomie ohne Bedenken zu opfern. Dies ist leichtsinnig und untragbar”, so die Bewegung.
“Der muttersprachliche Unterricht ist das Rückgrat der Identität Südtirols als Minderheit im Staat Italien und hat vor einer fortschreitenden Italienisierung geschützt. Bereits frühere Sprachexperimente wie CLIL sind gescheitert, was dazu führte, dass die Regierung in der Provinz Trient sich von derartigen Projekten verabschiedet hat. In Südtirol scheint man dies noch nicht verstanden zu haben und versucht ein gut funktionierendes Schulsystem mit aller Gewalt zu verändern und kaputt machen zu wollen. Bei 14-Jährigen ist die Sprachentwicklung der eigenen Muttersprache noch nicht vollständig gefestigt. Es ist absehbar, dass sich die Sprachkenntnisse im Allgemeinen verschlechtern werden, insbesondere die Deutschkenntnisse. Es ist wichtig, diesen Qualitätsverlust bei unseren Kindern zu verhindern”, heißt es weiter.
“Bei einer Tagung an der Universität Bozen warnten angesehene Fachexperten unter dem Thema ‘Die Minderheitenschule im mehrsprachigen Kontext’ kürzlich eindringlich vor einer Schwächung des Artikel 19 im Autonomiestatut, der den muttersprachlichen Unterricht für die deutsche und ladinische Bevölkerung in Südtirol vorsieht. An unseren deutschen Schulen dürfen unter dem Decknamen ‘Projekte’ keine Sprachexperimente mehr erlaubt werden. Zudem muss Artikel 19, der das Recht auf muttersprachlichen Unterricht garantiert, mit sämtlichen Mitteln ausnahmslos bewahrt werden, um einen Qualitätsverlust für unsere Kinder zu verhindern”, so Myriam Atz Tammerle.