Caramaschi über „Störaktion“ verärgert

„Goldener Benito“: Eklat im Bozner Stadtrat – VIDEO

Dienstag, 07. Februar 2017 | 06:57 Uhr
Update

Bozen – Vertreter der Bozner Ortsgruppe der Süd-Tiroler Freiheit und der ehemalige Bozner Vizebürgermeister Oswald Ellecosta sowie die ehemalige Landtagsabgeordnete Eva Klotz haben heute Bozens Bürgermeister Renzo Caramaschi den „Goldenen Benito“ überreicht.

Diesen Negativpreis erhalte Caramaschi, so die Süd-Tiroler Freiheit in ihrer „Laudatio“, „für seine Beihilfe zur Förderung einer positiven faschistischen Erinnerungskultur in Südtirol und Italien“. Auf dem Podest der 50 Zentimeter hohen Duce-Skulptur wurde – in Anspielung auf die durch den Holocaust-Gedenktag veranlasste Internetaktion „I remember“ – ein Etikett mit dem Satz „remember all fascisms!“ aufgeklebt.

Auch Caramaschi hatte sich an der Aktion der Erinnerung an den Holocaust beteiligt. Doch die Süd-Tiroler Freiheit wirft dem Bozner Bürgermeister in diesem Zusammenhang „Zweigleisigkeit und Unglaubwürdigkeit“ vor.

Cristian Kollmann, der Bozner Ortssprecher der Süd-Tiroler Freiheit, erklärt: „Wenn Caramaschi auf der einen Seite des Holocausts gedenkt, doch auf der anderen Seite Denkmäler des Faschismus reaktiviert, missbraucht er den Holocaust, um sich hinter diesem zu verstecken und vom italienischen Faschismus, der staatstragend ist und in die Gegenwart hereinstrahlt, abzulenken!“ Indem Caramaschi Duplikate des Markuslöwen und der römischen Wölfin auf die Säulen gegenüber dem so genannten Siegesdenkmal zurückhieven will, fördere er eine scheinbar positive Kultur der Erinnerung an den Faschismus und wolle diesen als ‚Faschismus light‘, als ‚Pazifaschismus‘ relativieren und zukunftstauglich machen“, kritisiert die Bewegung.

Der Vizebürgemeister (SVP) hatte sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten – und bekam daher als „Anerkennung“ von der Süd-Tiroler Freiheit den “Kleinen Feigling” überreicht.

Kollmann hatte gegen den Beschluss des Bozner Stadtrates zur Wiederanbringung der beiden faschistischen Skulpturen Einspruch erhoben. Dieser wurde jedoch vom Stadtrat abgelehnt mit der Begründung, dass die Anbringung der Duplikate „auf den kunsthistorischen Stellenwert der beiden Skulpturen zurückzuführen“ sei.

„Faschismus ist keine Kunst, sondern ein Verbrechen und eine Demütigung all jener, die nicht mitlaufen!“, hält Kollmann dagegen. Auch hat er eine Eingabe beim Rechnungshof hinterlegt und ihn gebeten zu prüfen, ob vor dem Steuerzahler die Ausgabe von 30.000 Euro für diese Maßnahme gerechtfertigt ist. Eine Stellungnahme des Rechnungshofes steht noch aus.

Die Entwicklung insgesamt im Umgang mit dem Faschismus in Bozen findet die Süd-Tiroler Freiheit höchst besorgniserregend: „Eine positive faschistische Erinnerungskultur wie in Bozen wäre für Deutschland undenkbar, und wir sind froh darüber! Doch was in unserer Stadt gerade passiert, ist ungeheuerlich! Es sieht so aus, als ob zum neuerlichen Aufstieg des Faschismus in Europa der italienische Faschismus wieder entscheidend beiträgt und dieser erneut in Bozen seinen Ausgang nimmt.“ Es sei ein beschämendes Armutszeugnis, wenn italienischen Mitbürgern immer wieder unterstellt werde, dass sie ihre kulturelle Identität unter anderem auch aus den faschistischen Relikten schöpfen müssten.

„Dies hat eine so bedeutende Kulturnation wie Italien überhaupt nicht nötig! Aus unserer tiefsten Überzeugung, dass der Faschismus niemals ein Kulturgut, sondern ein Kulturverbrechen ist und immer bleiben wird, werden wir auch in Zukunft nicht müde werden, mit besonderen Aktionen auf die faschistischen Umtriebe in Südtirol und besonders in Bozen aufmerksam zu machen“, erklärt die Süd-Tiroler Freiheit.

Caramaschi seinerseits hat auf den Besuch der Süd-Tiroler Freiheit empört reagiert und sprach von einer „Störaktion“ am Beginn der Montagspressekonferenz

„Was sich heute Cristian Kollmann, die ehemalige Abgeordnete Eva Klotz und der ehemalige Vizebürgermeister Oswald Ellecosta und ihre Begleiter geleistet haben ist eine Clownerie. Ich lasse mich von diesen Leuten nicht beleidigen. Scheinbar müssen sich diese Menschen mit derartigen Dummheiten die Zeit vertreiben. Wenn das auch noch dazu Volksvertreter sind, die mit derartig peinlichen Auftritten provozieren wollen, dann sollen sie sich schämen. So eine Unanständigkeit, die hier inszeniert worden ist – ich lasse mir keine Mussolinistatue überreichen, weil ich mich zeitlebens den Faschismus abgelehnt habe und es heute noch tue“, erklärte Caramaschi.

„Diese Leute“ seien unangemeldet hier gewesen und hätten Dummheiten von sich gegeben. „Bereits im Landtag wollten sie diese Themen auf die Tagesordnung bringen und ihr Antrag wurde abgelehnt. Bereits damals wurde ihnen die Begründung mitgeteilt“, meinte der Bürgermeister.

SVP-Stadtobmann Dieter Steger spricht von einer Aktion, die nicht ernst zu nehmen sei. “Es ist nur ein Versuch, ethnische Konflikte heraufzubeschwören.”

Grüne: Volle Solidarität mit Bürgermeister Camaraschi

Die Bozner Grünen drücken Bürgermeistern Renzo Caramaschi ihre volle Solidarität aus.

Sie verurteilen mit Nachdruck das “unangemeldete Eindringen und die beleidigenden Worte einiger Exponenten der rechten Südtiroler Politszene”. “Die Aussagen, welche jeglicher Grundlage entbehren, führen lediglich zu einer völlig unnötigen Verschärfung der politischen Debatte.”

Die Bozner Grünen fordern alle politischen Akteure auf, sich in ihren Aussagen und Aktionen zu mäßigen und schädigende wie beleidigende Provokationen zu unterlassen.

“Sie verlangen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung der jüngeren Geschichte, welche bereits beachtliche Ergebnisse erzielt hat, wie etwa das Museum im Siegesdenkmal, zu dessen Realisierung auch die damalige Grünen Stadträtin Patrizia Trincanato wesentlich beigetragen hat, das bereits über 80.000 BesucherInnen verzeichnen konnte und 2016 einen internationalen Preis erhielt, konsequent und mutig weitergeführt wird. Dies scheint im Licht der genannten Vorfälle umso dringender”, heißt es in einer Aussendung.

“Wir setzen uns für eine konsequente Politik des klaren und offenen Dialogs ein, für gegenseitigen Respekt und Weitsichtigkeit im Sinne des friedlichen Zusammenlebens aller StadtbewohnerInnen. Nur sachlich fundiertes Wissen und das Bewusstsein der eigenen Vergangenheit führen zu einem angstfreien und daher friedlichen Blick auf den Alltag und in die Zukunft”, schließen die Grünen.

PD zeigt sich solidarisch mit Caramaschi

Auch der Partito Democratico zeigt sich solidarisch mit Bürgermeister Renzo Caramaschi. Die Aktion der Süd-Tiroler Freiheit wird als eine Attacke auf die demokratischen Institutionen sowie auf die Landeshauptstadt gewertet.

 

Von: mk

Bezirk: Bozen