Ärztekammer will ihn ausschließen

Keine Italienischkenntnisse: Ärger für Primar in Bozen

Donnerstag, 06. Juni 2019 | 11:07 Uhr

Bozen – Der Primar an der Abteilung Pathologie am Bozner Krankenhaus, Thomas Müller, riskiert, von der Ärztekammer ausgeschlossen zu werden, weil er kein Italienisch spricht. Dies berichtet die Tageszeitung Alto Adige.

Der Arzt stammt aus Österreich. Bei einer Überprüfung vonseiten den Gesundheitsministerium stellte sich heraus, dass er nur über ein passives Verständnis der italienischen Sprache verfügt. Die Ärztekammer soll bereits für den Ausschluss gestimmt haben, es fehlt nur noch das Dekret.

Das Land setzt sich dagegen allerdings zu Wehr. Gesundheitslandesrat Thomas Widmann ist überzeugt, dass der Ausschluss rechtlich nicht in Ordnung ist, weil in Südtirol die deutsche und die italienische Sprache als Amtssprachen gleichgestellt sind.

Müller müsste sich im Fall eines Ausschlusses an die Zentralkommission des nationalen Verbandes der Berufskammern wenden. Widmann hat unterdessen eine Überprüfung des Falles durch die Anwaltschaft des Landes angeordnet.

Auch Sanitätsdirektor Florian Zerzer warnte davor, ethnische Spannungen im Land zu schüren.

Bei dem Fall handelt es sich laut Berichten um ein Nachspiel eines Treffens in Rom, bei dem Zerzer um die Möglichkeit gebeten hatte, auch Krankenpfleger einzustellen, die kein Italienisch sprechen.

Am 29. April waren dann Carabinieri der Sondereinheit NAS bei der Ärztekammer in der Volta-Straße in Bozen aufgetaucht, um sich zu erkundigen, ob Ärzte eingetragen sind, die die italienische Sprache nicht beherrschen. Dabei war man auf den Fall von Müller gestoßen. Das Ministerium in Rom hat daraufhin nachgehakt.

Müller stellt klar, dass er niemals behauptet habe, die italienische Sprache zu beherrschen. „Ich weiß, dass sich meine Italienischkenntnisse verbessern muss, doch ich habe keinen Kontakt mit den Patienten, da ich im Labor arbeite“, erklärt der Primar.

Tschenett: „Sanitätsschikane eine Frechheit!“ 

Hinsichtlich der drohenden Zwangsaustragung eines österreichischen Arztes aus der Südtiroler Ärztekammer, weil dieser der italienischen Sprache nicht mächtig ist, bezichtigt der Vorsitzende des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbundes (ASGB), Tony Tschenett, das italienische Gesundheitsministerium der Schikane und einer Ungleichbehandlung.

Es sei, so der Chef des ASGB, offensichtlich, dass es im Südtiroler Sanitätswesen Ärzte erster Klasse und Ärzte zweiter Klasse gebe. Ersterer würden jene Ärzte angehören, die italienischer Muttersprache sind, der zweiten jene, die deutscher Muttersprache sind. Man müsse kein Fachmann sein, um zu verstehen, dass in Zeiten massiven Ärztemangels, in Zeiten in welchen sogar der ethnische Proporz ausgehebelt wird, um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern, derart unnötige, vom Nationalstolz getriebene Maßnahmen konträr jeglicher Vernunft seien.

„Es scheint Kräfte zu geben, die der mehrsprachigen Realität in Südtirol nicht Rechnung tragen wollen. Dazu gehört anscheinend die nationale Krankenpflegergewerkschaft Nursing Up, welche, laut Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, beim Gesundheitsministerium hinsichtlich dieses Falles interveniert hat. Dabei hat der betroffene Arzt vor Dienstantritt angekündigt, sich zeitnahe zu bemühen, ausreichende Italienischkenntnisse anzueignen, um der Zweisprachigkeitspflicht Genüge zu tun und alle vorgegebenen Ziele erreicht, auch die interne Kommunikation hat laut dessen eigener Aussage problemlos funktioniert. Wenn nun das italienische Gesundheitsministerium – auf Antrag von Nursing Up – alle zur Verfügung stehenden Geschütze auffährt, um allgegenwärtig bekannte Koryphäen der Kammer zu verweisen, dann sollte es dem Gleichheitsgrundsatz folgend, selbiges auch für jene Ärzte tun, welche kein Deutsch sprechen. Dann würde aber das Bozner Krankenhaus kollabieren. Und das wäre wider die Vernunft“, so Tschenett.

Um eben der Vernunft und der prekären Situation im Sanitätswesen Rechnung zu tragen, so Tschenett, hätte die Landesregierung die befristete Anstellung von Ärzten ohne Zweisprachigkeitsnachweis ermöglicht. Dass nun eine nationale Gewerkschaft, die übrigens auch einen Ableger in Südtirol unterhält, aus vermutlich ethnischen Gründen diese Diktion der Landesregierung hinterfragt, sei kurzsichtig, betriebsschädigend und ein Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in Südtirol.

„Der ASGB steht in dieser Causa jedenfalls hinter dem zuständigen Landesrat Thomas Widmann und der Landesregierung“, schließt Tschenett.

Freiheitliche: „Wo bleibt der Aufschrei der Volkspartei?”

Die Freiheitlichen kritisieren unterdessen die ihrer Ansicht nach „lasche Reaktion der SVP“ in Sachen „Ärzte ohne Italienischkenntnisse“

„Die deutsche und die italienische Sprache sind in Südtirol laut Art. 99 Autonomiestatut gleichgestellt und das Italienische genießt  keinen höheren Rang. Wenn eine staatliche Bestimmung wie das gv. Dekret 207/2006 für Ärzte Italienischkenntnisse vorschreibt, so bedeutet das in Südtirol somit ‚Italienisch- oder Deutschkenntnisse‘. Das Autonomiestatut ist ein Verfassungsgesetz und jedem einfachen Staatsgesetz übergeordnet“, so der freiheitliche Generalsekretär Otto Mahlknecht.

„Wenn der Staat im Jahr 2019 plötzlich die Gleichstellung von Deutsch und Italienisch in Frage stellt, so ist das ein Rückfall in finstere Zeiten und eine skandalöse Missachtung des Autonomiestatutes. Wo bleibt der Aufschrei des Landeshauptmanns, wo die Empörung des SVP-Parteiobmanns, wenn es um eine volkstumspolitisch so wichtige Verletzung der Sprachenrechte geht?“, fragt Mahlknecht.

„Den Südtirolern mutet es die SVP in den Spitälern immer öfter zu, von Italienern ohne Deutschkenntnisse behandelt zu werden, wenn ein Arzt aber kein Italienisch kann, soll er entlassen werden. Wir Freiheitliche verurteilen diese rechtswidrige Ungleichbehandlung aufs Entschiedenste“, erklärt Mahlknecht abschließend.

Von: mk

Bezirk: Bozen