Von: luk
Bozen – Im Landtag ging es am Nachmittag um ausländische KFZ, Parteienfinanzierung, Sozialbetreuer und die Valdastico-Autobahn.
Begehrensantrag Nr. 4/19: Ausländische KFZ-Zulassungen (eingebracht von der Süd-Tiroler Freiheit am 28.2.2019, mitunterzeichnet von Grünen, PD, Fünf-Sterne Bewegung, Team Köllensperger, Freiheitlichen und SVP). Der Landtag spricht sich dagegen aus, dass alle Personen, die einen Wohnsitz auf dem italienischen Staatsgebiet haben, grundsätzlich nicht mehr mit einem Auto fahren dürfen, das im Ausland zugelassen ist, und fordert das italienische Parlament und die italienische Regierung auf, die gesetzlichen Vorschriften dahingehend abzuändern, dass – im Geiste der europäischen Einheit – auf die besonderen Erfordernisse von Grenzregionen wie Südtirol Rücksicht genommen wird und hierbei zuvörderst Personen mit grenzüberschreitenden Lebens- und Arbeitsrealitäten das Fahren mit einer ausländischen Autozulassung gestattet wird.
“Für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, aber auch für Doppelstaatsbürger, Saisonarbeiter und Touristiker ist die neue Bestimmung nicht anwendbar”, begründete die Süd-Tiroler Freiheit ihren Antrag, “ein Saisonarbeiter müsste zukünftig mehrmals im Jahr das Auto umschreiben, Doppelstaatsbürger dürften das Auto der eigenen Familienangehörigen nicht mehr benutzen, und Gastwirte dürften nicht einmal mehr das Auto ihrer Gäste verstellen.” Auch die Behörden seien verunsichert und gäben unterschiedliche Auskünfte. Die Leasingwagen seien von der neuen Bestimmung jedenfalls ausgenommen, daher sei die Steuerhinterziehung kein Argument.
L’Alto Adige nel cuore kritisierte, dass hier nicht eine europäische, sondern eine ad-hoc-Lösung für Südtirol angestrebt werde. In Deutschland gebe es dieselbe nationale Zulassungspflicht wie in Italien, und Ausnahmen könnten auch in Palermo oder anderen Gegenden Europas nötig sein.
Die neue Bestimmung treffe vor allem Menschen in Grenzregionen hart, meinte die SVP. Es sei wichtig, dazu die Stimme zu erheben. Wichtig sei auch die Suche nach einer europäischen Lösung, das wäre ein Thema für den Dreier-Landtag.
Die Fünf-Sterne Bewegung sprach sich für eine gewisse Aufweichung der Bestimmung aus, die aber im Prinzip richtig sei, da sie Steuerhinterziehung bekämpfe. Man müsse aufpassen, nicht wieder Schleichwege zu eröffnen.
Das Team Köllensperger bezeichnete die Bestimmung als antieuropäisch. Viele Südtiroler Unternehmer mit Sitz in Deutschland dürften hier nicht mehr fahren.
Die Lega verteidigte die Bestimmung, die Steuerhinterziehung unterbinde, und kündigte ihre Gegenstimme zum Antrag an. Rom sei aber dabei, die Zielsetzung des Antrags umzusetzen – schon bald werde es positive Nachrichten in dieser Sache geben.
Die Landesregierung wies darauf hin, dass die Sache auch in anderen Ländern ähnlich geregelt sei, um prüfen zu können, ob das Auto versichert sei, aber das italienische Sicherheitsdekret schieße über das Ziel hinaus. Es seien Gespräche auf Regierungsebene am Laufen, um Ausnahmeregelungen aus familiären oder Arbeitsgründen zu schaffen. Südtirol werde sich in diesem Sinne auch bei der Staat-Regionen-Konferenz einbringen. Mit einer europäischen Regelung würde sich die Kennzeichenfrage leichter lösen lassen.
Der Antrag wurde mit 27 Ja und fünf Nein angenommen.
Beschlussantrag Nr. 59/19: Öffentliche Parteienfinanzierung durch das Land (eingebracht von L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia am 04.03.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, sich nicht dazu bereit zu erklären, eine Gesetzesinitiative zwecks Einführung einer öffentlichen Finanzierung der Parteien und/oder politischen Bewegungen durch das Land einzubringen oder zu unterstützen.
Wenn Rom den Geldhahn für alle Parteien zudrehe, könne Südtirol nicht einen neuen öffnen, erklärte L’Alto Adige nel cuore. Wenn die Parteien Geld bräuchten, müssten sie sich an ihre Mandatare oder ihre Mitglieder wenden.
Süd-Tiroler Freiheit, Grüne und Landesregierung hegten Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags: Mit diesem werde die Landesregierung verpflichtet, auf ihr Initiativrecht zu verzichten. Der Landtagspräsident erklärte den Antrag für zulässig.
Die Süd-Tiroler Freiheit sprach sich für eine öffentliche Parteienfinanzierung aus. Ohne Parteien gebe es eine Diktatur. Viele Südtiroler Parteien hätten überdies nichts von der derzeitigen staatlichen Finanzierung über die zwei Promille.
Auch die SVP sprach sich für eine Parteienfinanzierung aus, die Demokratie lebe von Parteien. Derzeit würden die Politiker die Parteien finanzieren, ein unsinniger Umweg. Südtirol sollte sich einen eigenen Weg jedenfalls überlegen. Man sollte zu diesem Antrag keine schwammigen Aussagen machen, sondern sagen, wozu man stehe. Wer dem Antrag zustimme, solle auch in Zukunft auf eine öffentliche Finanzierung verzichten.
Die Demokratische Partei kündigte Zustimmung an, wies aber darauf hin, dass der Landtag nicht über die Parteienfinanzierung entscheiden könne, die staatliche Gesetzgebung baue dem vor. Die Demokratie habe aber ihre Kosten, und man werde eine Lösung finden müssen.
Die Lega verwies ebenfalls auf die staatliche Gesetzgebung und bezeichnete die Debatte als akademisch. Eine öffentliche Parteienfinanzierung habe aber den Sinn, die Parteien unabhängig von den Lobbys zu machen.
Die Freiheitlichen vermuteten, dass der Einbringer des widersprüchlichen Antrags nur hören wolle, wie die anderen Parteien zu dieser Frage stünden. Ohne öffentliche Finanzierung würden die Konzerne und Lobbys die Parteien steuern.
Eine öffentliche Finanzierung sei grundsätzlich gerechtfertigt, erklärte das Team Köllensperger, und jedenfalls besser als eine indirekte oder versteckte. Sie müsse aber transparent sein, und da müsse man aufpassen. Auf keinen Fall sollten damit alte Schulden abgedeckt werden. Solange das nicht klar sei, werde man sich in dieser Frage enthalten.
Die Fünf-Sterne Bewegung erinnerte daran, dass beim Referendum über 90 Prozent für die Abschaffung der Parteienfinanzierung gestimmt hätten, auch in Südtirol. Die 5 Sterne Bewegung sei der Beweis, dass man auch ohne öffentliche Finanzierung Politik machen könne. Die Politikmüdigkeit gehe auch auf den großen Einkommensunterschied zwischen Politik und Bürgern zurück.
Die Grünen kündigten Stimmenthaltung an und wiesen darauf hin, dass der Landtag nicht zuständig sei, über eine Parteienfinanzierung zu entscheiden. Die derzeitige Promilleregelung sei, als Abzug von der Steuer, eine staatliche Finanzierung, hänge aber vom freien Willen der Bürger ab. Ungerecht sei, dass kleine lokale Parteien von dieser Finanzierung ausgeschlossen sein. Man wäre auch dafür, den Parteien gewisse Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.
Die Parteien seien ein wichtiger Teil des demokratischen Systems, betonte die Landesregierung. Sowohl die 2-Promille-Regelung wie auch die Finanzierung über die Mandatare brächten ein Ungleichgewicht. Der Antrag wolle der Landesregierung verbieten, über das Thema überhaupt nachzudenken, und sei daher abzulehnen. Auch die Mitglieder der Landesregierung seien Abgeordnete.
L’Alto Adige nel cuore beantragte eine namentliche Abstimmung und forderte eine genaueste Protokollierung der Debatte. Viele hätten in der Debatte nicht klar gesagt, wofür die seien. Die derzeitigen Regeln seien zugunsten der Mehrheit und der großen Parteien.
Der Antrag wurde mit drei Ja, 16 Nein und neun Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 61/19: Sozialbetreuer (eingebracht vom Partito Democratico am 07.03.2019). Damit soll die Landesregierung verpflichtet werden, − den Prozentsatz der in den Seniorenwohnheimen angestellten Sozialbetreuer/ Sozialbetreuerinnen im Verhältnis zu den Pflegehelfern/ Pflegehelferinnen zu überdenken, und z. B. von 45 Prozent auf 30 Prozent herabzusetzen; − den Lehrgang abzuändern, damit Personen, die mehrere Jahre lang als Pflegehelfer/Pflegehelferinnen gearbeitet haben, einen einjährigen und nicht mehr einen dreijährigen Lehrgang absolvieren müssen, um in das Berufsbild eines Sozialbetreuers/einer Sozialbetreuerin aufsteigen zu können. Dadurch könnten sie nach Ablauf der zehn Jahre in den öffentlichen Wohneinrichtungen angestellt werden, in denen sie als Pflegehelfer/Pflegehelferinnen bereits tätig waren. Es sollen außerdem geeignete Kommunikationsformen gefunden werden, um diese Lehrgänge attraktiv zu machen, damit der Bedarf an Arbeitskräften in diesem wichtigen Bereich abgedeckt werden kann.
“Die öffentlichen Seniorenwohnheime in Südtirol und insbesondere in der Landeshauptstadt schaffen es nicht, die Stellen der Pflegehelfer/der Pflegehelferinnen zu besetzen, was dazu führt, dass die Heimplätze gekürzt werden müssen, da die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien (Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a) nicht eingehalten werden können”, erklärte der Partito Democratico. “Dadurch wiederum werden die Wartelisten länger.”
Die Grünen sahen in dem Problem einen Aspekt des allgemeinen Fachkräftemangels. Der erste Punkt des Antrags sei nicht unterstützenswert, da er auf einen Abbau von höher qualifizierten Kräften abziele, der zweite Punkt sei hingegen sinnvoll. Eigentlich bräuchte ein neues, niederschwelliges Berufsbild für die Seniorenheime, diese Mitarbeiter könnten die anderen Fachkräfte entlasten.
Die Freiheitlichen betonten die Notwendigkeit, diese Berufe wieder attraktiver zu machen, etwa durch flexible Arbeitszeiten, ein angemessenes Gehalt, aber auch durch Wertschätzung. Der Antrag sei als Notmaßnahme sinnvoll, ebenso der Vorschlag der Grünen für ein neues Berufsbild der Seniorenheimbegleiter.
Das Team Köllensperger betonte, dass immer auch auf die Qualität geachtet werden müsse, daher sei der 45-Prozent-Anteil sinnvoll. Sozialbetreuer könnten die Pflege in einem Heim besser unterstützen. Der Antrag sei auch zu wenig präzise in dieser Hinsicht.
Auch die Süd-Tiroler Freiheit richtete das Augenmerk auf Qualität und Fachwissen, das für bestimmte Aufgaben nötig und unverzichtbar sei. Das Problem könne man nicht lösen, indem man die Pflegestandards herunterschraube. Ein weiteres Problem sei der Gebrauch der Muttersprache, die gerade für Senioren sehr wichtig sei.
Die SVP wies darauf hin, dass das Land Tirol eine höhere Finanzierung für diesen Bereich beschlossen habe. Auch Südtirol brauche eine Strategie gegen den Pflegenotstand, dazu gehörten auch neue Berufsbilder oder eine duale bzw. flexiblere Ausbildung. Die Menschen in den Heimen hätten heute einen höheren Pflegebedarf, daher dürfe man nicht den Standard senken und auch nicht von der Zweisprachigkeitspflicht absehen. Jetzt komme die Nachkriegsgeneration in die Pflegeheime, und die sei viel zahlreicher als die Generation vorher. Man müsse also schnell handeln.
Die Landesregierung bestätigte, dass die Situation vor allem in Bozen sehr kritisch sei. Für den Bedarf, der sich abzeichne, werde man nicht das Personal haben, da müsse man sachlich nach Lösungen suchen. Ziel sei es, die Qualität zu sichern und das auch über die Akkreditierung der Strukturen zu garantieren. In vielen Bereichen werde auch die Privatinitiative nötig sein. Man könne dem Antrag nicht zustimmen, aber man werde in den angesprochenen Bereichen nach Lösungen suchen, gemeinsam mit den Gemeinden und dem Verband der Altersheime.
Die Demokratische Partei bat um Vertagung, um auf die vorgebrachten Anregungen einzugehen.
Beschlussantrag Nr. 65/19: Nein zur Valdastico-Autobahn (eingebracht von den Grünen am 14.03.2019). Demnach möge der Landtag sich entschieden gegen das Vorhaben aussprechen, die Valdastico-Autobahn A31 in Richtung Norden weiterzubauen und an die A22 anzubinden, und zwar unabhängig vom geplanten Standort dieser Anschlussstelle. Dieses Bauvorhaben würde nämlich einen neuen Korridor für den Schwer- und Leichtverkehr aus dem Nordosten Italiens über den Brennerpass in Richtung Norden eröffnen. Dies würde die Verkehrsprobleme auf einer bereits überlasteten Verkehrsachse erheblich verschärfen, zu einer noch viel stärkeren Luftverschmutzung führen und die Gesundheit der ansässigen Bevölkerung vor allem in Südtirol gefährden. Außerdem solle die Landesregierung ihren Dialog mit dem Trentino intensivieren, um die Trentiner Landesregierung zu überreden, von dem Projekt zum Weiterbau der A31 und zu deren Anbindung an die A22 Abstand zu nehmen (neue, heute vorgelegte Fassung).
Die Anbindung würde die beabsichtigte Verlagerung von der Straße auf die Schiene ernsthaft in Frage stellen, fügten die Grünen hinzu. Das Trentino habe sich bisher immer dagegen ausgesprochen, sei jetzt aber umgeschwenkt.
Das Team Köllensperger unterstützte den Antrag, da die Anbindung mehr Verkehr auch für Südtirol bringen würde. Freilich könne der Südtiroler Landtag die Trentiner Landesregierung zu nichts zwingen.
Die Süd-Tiroler Freiheit bedauerte, dass der Antrag mit der neuen Fassung verwässert worden sei. Südtirol sollte klar und deutlich Nein sagen zu einem Projekt, das uns mehr Verkehr bringe.
Die Fünf-Sterne Bewegung stimmte dem zu. Man sei, auch auf römischer Ebene, klar gegen den Ausbau dieser Straße.
Die SVP unterstützte das Anliegen, man könne aber den Trentinern nichts vorschreiben. Daher sei die neue Fassung des Antrags, die auf Dialog setze, richtig. Schließlich wolle Südtirol auch nicht, dass die Trentiner ihm dreinredeten.
L’Alto Adige nel cuore wies auf die entgegengesetzten Positionen der beiden Regierungsparteien Lega und 5 Stelle hin. Halbfertige Werke seien nie gut.
Die weitere Behandlung des Antrags wurde auf morgen vertagt.