Von: mk
Bozen – In rund einer Woche beginnt in Südtirol nach den Sommerferien wieder die Schule. Die Debatte um die geplante Sonderklasse an der Bozner Goethe-Grundschule für Kinder, die kein Deutsch sprechen, reißt unterdessen nicht ab.
Auch SVP-Obmann Dieter Steger und SVP-Fraktionssprecher Harald Stauder verteidigen das Vorhaben: Ihnen zufolge sei dies die einzige Möglichkeit, die muttersprachlich deutschen Schüler zu schützen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher und Bildungslandesrat Philipp Achammer zeigten sich dagegen skeptischer.
Team K: „Ausdruck politischen Versagens“
Laut Team K ist die Schaffung einer eigenen Klasse für Schülerinnen und Schüler ohne Deutschkenntnisse an der Goetheschule in Bozen „eine verzweifelte Maßnahme eines Schulsystems, das seit Langem an seine Grenzen geraten ist“. Wieder einmal müsse die Schule Feuerwehr spielen, wo die SVP als politische Führung untätig gewesen sei, erklärt die Bewegung.
Laut Team K hätte die Schaffung von so genannten Willkommensklassen lange schon angegangen werden müssen. Vor allem seien aber sind mehrsprachige Schulklassen als Zusatzangebot an die Eltern höchst an der Zeit.
“Eine Grundschuldirektorin in Bozen sieht sich 2024 genötigt, eine eigene Klasse für Schülerinnen und Schüler einzurichten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, um den deutschsprachigen Kindern ihrer Schule eine angemessene schulische Ausbildung zu gewährleisten. Eine Entscheidung aus Verzweiflung und zum Schutz ihrer deutschsprachigen Schüler und Schülerinnen für eine Pädagogin, die sich sicherlich bewusst ist, dass dies alles andere als gelebte Integration ist. Gerade heuer wurde das Bildungsjahr unter das Motto gestellt ‘Bildung 2030 – Guter Unterricht in der inklusiven Schule’. Welche Ironie!” so Alex Ploner vom Team K zur aktuellen Diskussion um die Goetheschule in Bozen.
Während sich die SVP und ihre italienischen Bündnispartner bei diesem Thema seit jeher in den Haaren liegen, hätten andere Länder, die die gleiche Problematik haben, Lösungen erprobt und gefunden, unter anderem mit den so genannten Willkommensklassen für Kinder mit Migrationshintergrund und ohne Kenntnis der Landessprache, deren Schüler nach einem Jahr bzw. bei Erreichen eines ausreichenden Sprachniveaus dann in die normalen Klassen integriert werden.
„Und gerade in Südtirol wäre es höchst an der Zeit, dreisprachige Klassen als zusätzliches Angebot einzuführen, wo Bedarf besteht – auch um den Druck von der muttersprachlichen Schule zu nehmen. Dazu ein guter Spracherwerb ab dem Kindergarten, zusätzliche Ressourcen in Form von Sprachlehrpersonen für die sprachliche Aus- und Weiterbildung und Offenheit für flexible neue pädagogische Konzepte und Schulmodelle“, erklärt das Team K.
„Eine Partei, die nach 75 Jahren das paritätische Modell der ladinischen Schule als Vorzeigemodell lobt, sich aber gleichzeitig weigert, dieses auf die deutsche Schule umzulegen, mit der Begründung, man würde damit das Recht auf die muttersprachliche Schule beschneiden, ist für mich nicht mehr glaubwürdig”, so Alex Ploner vom Team K.
Genauso heuchlerisch sei der Aufschrei jener, die nun von Ghetto oder Sonderklasse sprechen. Es geht um das Wohl und die Ausbildung aller Kinder – jener ohne Sprachkenntnisse wie jener deutscher oder italienischer Muttersprache. „Daraus ein Politikum zu machen, ohne jegliche Lösung anzubieten, nach so vielen Jahren, in denen wir mit dieser Problematik zusammenleben, ist Ausdruck des politischen Versagens“, erklärt das Team K.
“Fakt ist: eine gute Wahlsprachliche Ausbildung in einem mehrsprachigen Land wie Südtirol funktioniert immer noch nicht. Und wenn die SVP nun, nachdem sie seit 70 Jahren dieses Land regiert, draufkommt, dass man nun endlich Nägel mit Köpfen machen sollte, aber immer noch keine Lösungen anbieten kann, außer einer Kommission, um Kinder mit Migrationshintergrund in die italienische Schule abzuschieben, dann kann das Fazit nur eines sein: Es fehlt der Mut, neue, für die Zukunft dieses Landes notwendige Schritte in der Bildung zu gehen, angefangen bei einer dreisprachigen Ausbildung”, so Paul Köllensperger.
Bianchi warnt vor politischem Kurzschluss
Landesrat Christian Bianchi (Lega-Uniti) kritisiert die seiner Ansicht nach scharfen Töne aus den Reihen der SVP und hält die Position von Kompatscher und Achammer für ausgewogener.
„Die SVP kann nicht gleichzeitig Kampf- und Regierungspartei sein, sonst besteht die Gefahr eines Kurzschlusses im politischen System Südtirols. Denn für andere, mich und die Partei, die ich vertrete, eingeschlossen, wird es schwierig zu verstehen, was die wahre Seele und die Ansichten dieser Partei sind“, so Binachi
Gleichzeitig bedanke er sich bei Landeshauptmann Arno Kompatscher für dessen „Fairness und Weitsicht“. Die gespaltene Haltung innerhalb der Sammelpartei bleibe allerdings ein Thema. Die SVP sollte daran arbeiten, Einigkeit zu schaffen und nicht Konflikte zu erzeugen, kritisiert Bianchi.
Sonderklasse für STF ein erster Schritt
Auch die Süd-Tiroler Freiheit meldet sich zu Wort: Der muttersprachliche Unterricht sei eine der wichtigsten Säulen der Autonomie. Deutschsprachige Kinder haben das Recht, deutsche Schulen und Kindergärten zu besuchen. Dies sei zumindest theoretisch der Fall. „Praktisch ist dieses Recht vor allem in den Städten außer Kraft gesetzt“, so die Süd-Tiroler Freiheit. Die Maßnahmen an der Grundschule „Goethe“ seien ein erster Schritt. Weitere müssten folgen. Die Bewegung schlägt vier Maßnahmen vor.
In vielen deutschen Schulen werden Kinder eingeschrieben, die kein Wort Deutsch sprechen. Sie stammen aus italienischen oder ausländischen Familien. Die Zahlen sind eindeutig: Im letzten Jahr waren 55 Prozent der Bozner in die erste Grundschulklasse einer deutschen Schule eingeschrieben. Die deutschsprachige Bevölkerung macht in Bozen aber nur knapp 25 Prozent aus.
„Wie soll Unterricht gelingen, wenn die Kinder oft kein einziges Wort verstehen?! Damit ist keinem Kind gedient!“, unterstreicht die Süd-Tiroler Freiheit. Der muttersprachliche Unterricht dürfe durch die massive Anwesenheit von anderssprachigen Schülern nicht länger beeinträchtigt werden. Es gelte: fördern, testen, umverteilen, beschränken. Wörtlich meint die Bewegung zu den vier Maßnahmen:
– Fördern: Um auch dem Recht der Eltern auf freie Schuleinschreibung gerecht werden zu können, müssen die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden. Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sollen gezielt auf den Schuleintritt vorbereitet werden.
– Testen: Ob ein Kind die Unterrichtssprache ausreichend versteht, sollte vor dem Schuleintritt getestet werden. Seit September 2018 werden in Österreich Schüler, die dem Unterricht sprachlich nicht folgen können, in Förderklassen oder Förderkursen begleitet. Die Sprachkenntnisse werden mit dem Test „MIKA-D“ (Messinstrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch) erhoben.
– Beschränken: Ziel muss sein, dass nicht mehr als ein Viertel der Kinder, die die Unterrichtssprache nicht oder kaum verstehen, in eine Klasse eingeschrieben sind.
– Umverteilen: Damit dies erreicht werden kann, sind Umverteilungen nicht zu vermeiden. Sind in einer Klasse zu viele Kinder, die die Unterrichtssprache nicht beherrschen, sind sie auf andere Schulen zu verteilen.
„Vieles ist rechtlich bereits jetzt möglich! Die Durchführungsbestimmung 301/1988 regelt beispielsweise, dass die Einschreibung von Schülern aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse zwischen dem 20. und 25. Tag nach Beginn des Schuljahres abgelehnt werden kann. Die dafür vorgesehenen Kommissionen wurden aber niemals eingesetzt“, erklärt die Bewegung.
Die Süd-Tiroler Freiheit bekräftigt: „Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn Italiener und Ausländer, die in Südtirol leben, Deutsch lernen. Wenn die deutsche Schule dadurch aber ihren Charakter und ihre Leistungsfähigkeit verliert, ist niemandem geholfen. Die Probleme müssen angegangen werden. Deutsche Sprachkenntnisse müssen die Voraussetzung für eine Einschreibung in der deutschen Schule sein. Es braucht endlich mehr Willen und Mut der Landesregierung und der Verantwortlichen im Schul- und Bildungsbereich!“
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