Plenarsitzung des Landtags

Landesenergiegesetz, klimaneutrales Krankenhaus und minderjährige Mobber und Vandalen

Mittwoch, 10. Mai 2023 | 19:25 Uhr

Bozen – Anträge von Freiheitlichen, Team K und Fratelli d’Italia (mit SVP, Lega Salvini Alto Adige Südtirol und Forza Italia)
Beschlussantrag Nr. 654/22 #Landesgesetz gemeinsam auf den Weg bringen (eingebracht von den Abgeordneten Leiter Reber und Mair am 19.12.2022; Ersetzungsantrag vom 10.05.2023): Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, ausgehend von dem im Autonomiestatut in Artikel 13 vorgesehenen Landesgesetz zur „Regelung der Modalitäten und Verfahren für die Vergabe der Konzessionen für große Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie und der Verfahrensbestimmungen für die Durchführung der Vergabeverfahren sowie der Festlegung der Fristen und Zulassungs- und Zuschlagskriterien sowie der finanziellen, organisatorischen und technischen Anforderungen“ parteiübergreifend, zusammen mit dem zuständigen Gesetzgebungsausschuss und unter Einbeziehung der wesentlichen Stakeholder und Interessensvertreter ein organisches und sozial verträgliches Landes-Energiegesetz auszuarbeiten und gemeinsam im Landtag einzubringen. Das Gesetz zielt darauf ab, die energetische Selbstversorgung unseres Landes und die Erzeugung erneuerbarer Energien auszubauen und Südtirols Energiewende sozial entlastend und so produktiv wie möglich zu gestalten. Neben großen Produktionsanlagen und Kraftwerken sind sämtliche Formen der privaten Selbstversorgung und gemeinschaftlich organisierten Bürgerbeteiligung, wie Energiegenossenschaften und -gemeinschaften im Gesetz zu berücksichtigen.

Das Autonomiestatut fordere und mit Art. 13 auf, die elektrische Energie in Südtirol mit eigenem Gesetz zu regeln, erklärte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Dabei gehe es um mehrere Aspekte, zunächst um den sozialen, denn Stromautonomie sei nur sinnvoll, wenn der Strom für die Bürger leistbar sei. Ein zweiter Aspekt sei die Selbstversorgung, der dritte der Fokus auf erneuerbare Energiequellen. Wie ein Wirtschaftsstandort aufgestellt sei, hänge auch von den Energiepreisen ab. Es gehe um konkrete Arbeit, nicht um Wahlkampf, denn in den verbleibenden 5 Monaten werde man ein Energiegesetz nicht hinkriegen. Es gehe aber darum, jetzt damit zu beginnen, um frühzeitig zur Stromautonomie zu kommen.

Der Energielandesrat verspreche seit drei Jahren ein neues Gesetz zu den Stromkonzessionen, bemerkte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Das alte Gesetz sei abgeschafft worden, damit man keine Ausschreibungen machen müsse. Manche Regionen in Italien wollten die Ausschreibungen, jene, wo die großen Stromkonzerne daheim seien. Andere hingegen hätten Angst, dass die lokalen Strombetreiber im Wettbewerb mit den Großen die Konzession verlieren könnten. Südtirol habe gewartet und das Trentino vorausgeschickt. Das Trentiner Gesetz sei vom Verfassungsgericht annulliert worden, mit einigen Begründungen, die auch für Südtirol problematisch seien. Man sollte sich die Grundsatzfrage stellen, ob eine Neuverteilung für Südtirol von Vorteil wäre. Er glaube, eine Neuverteilung wäre gut, denn das Alperia-Monopol tue dem Land nicht gut.

Paul Köllensperger (Team K) gab dem Vorredner zum Teil recht. Alperia habe ihre Vorteile, aber nicht für die Bürger, sondern für das Land, über die Dividenden. Artikel 13 sei 2018 komplett neu geschrieben worden, das hätten nicht alle so mitbekommen. Dies habe von einer für Südtirol vorteilhafteren Version – die die Möglichkeit einer Tarifgestaltung vorgesehen habe – zu einer weniger vorteilhaften gebracht. Die neue Version beginne mit dem Verweis auf die staatliche Gesetzgebung. Es sei ungewöhnlich für die SVP, dies zuzulassen; es werde zudem Bezug auf den einheitlichen nationalen Strompreises PUN genommen und eine Verlängerung der abgelaufenen Konzessionen von Rechts wegen vorgesehen. Dies sei wohl Belohnung dafür, dass man den Rest akzeptiere. So werde in Absatz 4 präzisiert, dass der Strom an die Verteiler weitergegeben werde. Und zu guter Letzt stehe in Absatz 7, dass man sich der Erera unterordne.

Gert Lanz (SVP) verwies in Bezug auf die Aussagen des Abg. Dello Sbarba darauf, dass das Problem sei, dass es im Strommarkt eine Liberalisierung gebe – die Konzessionen ausgeschrieben werden müssten. Das sei aber möglicherweise auch eine Chance. Es gehe um sehr komplexe Zusammenhänge, in denen es unterschiedliche Aspekte gebe, die zu berücksichtigen seien. Den gesamten Bereich Energie auf eine Ebene zu bekommen, sei eine riesige Herausforderung, auch weil sich ständig Änderungen ergeben und man viele unterschiedliche Einflüsse habe. Jeder Entwurf werde im Plenum diskutiert, jeder habe die Möglichkeit, Änderungsanträge einzubringen. Die Frage sei, was man erreichen wolle: Die Alperia habe einen Großteil der Konzessionen inne, es gebe zwar Luft nach oben, doch das Ziel, die Wertschöpfung im Land zu behalten, sei erreicht worden.
Man müsse irgendwann unterscheiden, zwischen über alles schimpfen und konstruktiver Kritik, schickte Josef Unterholzner (Enzian) voraus. Wenn Alperia mit Steuergeldern aufrechterhalten werden müsse bzw. ein riesiges Darlehen aufnehmen müsse, dann sei dies zu kritisieren. Wenn Alperia oder die öffentliche Hand Investitionen mache, dann koste es das Dreifache, wie wenn es ein Privater mache. Er sei nicht dafür, alles zu privatisieren, aber er sei dafür, dass wirtschaftlich gearbeitet werde. Und wenn Verbesserungsvorschläge gemacht würden, dann sollte dies auch angenommen werden. Die Freiheitlichen machten solche Verbesserungsvorschläge mit diesem Antrag.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) bemerkte, in den Prämissen störe ihn die oberflächliche Rhetorik zum Ökobonus – wobei es eigentlich um den Superbonus gehe. Er befürwortete den Vorschlag der Energiegemeinschaften, diese gingen in die richtige Richtung.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstrich, dass die Grünen sich für die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung 2010 stark gemacht hätten. Die Frage sei, warum man das Gesetz noch nicht gemacht habe. Weil die Mehrheit Angst habe.
LR Giuliano Vettorato sagte, was gesagt wurde, stimme teilweise. Das Trentino habe ein Gesetz vorgelegt, das angefochten worden sei. Man müsse sich die Gründe dafür ansehen. Man habe gerade das Gutachten der Landesanwaltschaft dazu erhalten. Das Ganze werde im Juni oder Juli in den Ausschuss und den Landtag kommen. Was die lokale Erera-Einrichtung anbelange: Die Kollegin Amhof habe sich an das Präsidium gewandt mit der Anfrage, dazu eine Anhörung mit allen Abgeordneten durchzuführen. Er bitte um das Zurückziehen des Antrages, weil in wenigen Wochen alles im Ausschuss landen werde.
Südtirol habe die besten Voraussetzungen für erneuerbare Energien und innovative Technologien, unterstrich Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), doch das Potenzial werde nicht ausgeschöpft. Südtirol könnte sich übers Jahr gesehen selbst versorgen. Er fordere mit dem Antrag lediglich ein Landes-Energiegesetz. Wenn die Landesregierung um kurz vor 12 vor dem Ende dieser Legislatur ein Gesetz zu den großen Wasserkonzessionen ankündige, dann reiche das nicht aus. Denn damit seien viele Aspekte des Energiebereichs – von Agrifotovoltaik bis enkeltauglicher Energiepolitik – nicht bedacht.

Der Antrag wurde in getrennter Abstimmung zu Prämissen (10 Ja, 18 Nein, 3 Enthaltungen) und beschließendem Teil (14 Ja, 18 Nein) abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 706/23 Klimaneutrales Krankenhaus – Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Krankenhaus (eingebracht von den Abgeordneten Ploner F., Köllensperger, Rieder und Ploner A. am 19.04.2023): Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. einen Katalog mit baulichen und betriebsorganisatorischen Maßnahmen zu erstellen, die auf einen sparsamen Einsatz von Energie und weiteren Ressourcen in den einzelnen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen abzielen; 2. den Sanitätsbetrieb zu beauftragen, bei anstehenden General- bzw. Teilsanierungen von Krankenhäusern den klimaneutralen Krankenhausbetrieb bis 2040 durch entsprechende bauliche Klimaschutzmaßnahmen wie Gebäudehüllsanierung, Photovoltaikanlagen, Lüftungen u.a.m. zu erreichen; 3. bei Klinikneubauten bzw. Klinikteilersatzneubauten eine Berechnung der Lebenszykluskosten mit Ökobilanzierung als Teil der Ausschreibung zu erstellen und der Bewertungskommission vorzulegen; 4. sich dafür einzusetzen, für Klimaanpassungsmaßnahmen in den Krankenhäusern entsprechende Geldmittel zusätzlichen vorzusehen; 5. sich für den Abbau bestehender gesetzlicher und verwaltungstechnischer Hemmnisse für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen in den Krankenhäusern einzusetzen; 6. das Konzept des „Green Hospital“ in die Strategie des Gesundheitsbetriebes zu übernehmen, um den Einfluss der Krankenhäuser auf deren Umwelt zu reduzieren und die Zufriedenheit der Patient*innen und Mitarbeiter*innen durch entsprechende Maßnahmen positiv zu beeinflussen; 7. das Vergabegesetz dahingehend zu ändern, dass der Einkauf von regionalen Produkten einfacher erfolgen kann, um so den CO2-Fussabdruck zu reduzieren; 8. im Sanitätsbetrieb eine Stabstelle eines Klimaschutzbeauftragen einzurichten, die die Ziele der Klimaneutralität mit all seinen dafür notwendigen Maßnahmen und Förderprogrammen begleitet.

Franz Ploner (Team K) erinnerte an den zweiten Teil des Klimaplans, der im Laufe des Jahres noch präsentiert werden solle. Zur Umsetzung dieses Plans und zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bis 2040 käme den öffentlichen Einrichtungen Vorbildfunktion zu. Doch für die Krankenhäuser gelte dies noch nicht so richtig. Diese hätten noch keinen Klimaplan. Auch der Sanitätsbetrieb habe als Betreiber der Gesundheitseinrichtungen ebenfalls noch keinen entworfen. Ein solcher Plan wäre hilfreich gewesen, um Gelder über den Pnrr-Fonds des Staates zu erhalten. Die Erhöhung der Durchschnittstemperatur habe Auswirkungen auf die Gesundheit. Auch im Gesundheitssektor gebe es ein großes Potenzial zur Bekämpfung der Klimakrise. Um dem Ziel der Klimaneutralität im Gesundheitswesen und insbesondere im Krankenhaussektor näherzukommen, müssten klimaschädliche Emissionen, Verschmutzung, Abfall und Ressourcenverbrauch reduziert werden. Im Bericht der Agentur für regionale Gesundheitsdienste AGENAS gehe hervor, dass im Jahr 2022 der Südtiroler Sanitätsbetrieb 33,05 Millionen Euro für Energiekosten in der Sanität ausgegeben hat – das seien rund 20 Millionen Euro mehr als noch im Jahr 2019 und fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Laut diesem Bericht zählt Südtirol zu den 10 Regionen mit den höchsten Pro-Kopf-Energieausgaben im Gesundheitswesen. Pro Kopf seien in Südtirol 2022 62,06 Euro für Energie im Sanitätsbereich ausgegeben worden. Gesamtstaatlich sei dieselbe Zahl mit 54,33 Euro deutlich niedriger. Erneuerbarer Strom werde auf den landeseigenen Krankenhäusern noch nicht erzeugt, wenngleich ausreichend Dachflächen für solche Fotovoltaikanlagen zur Verfügung stehen würden. Die Arbeit in den Krankenhäusern werde aus dem Blickwinkel der Gesellschaft mit der Patientenversorgung verbunden, aber nicht mit dem Verursacher von klimaschädlichen Emissionen. Dabei seien Krankenhäuser rund um die Uhr in Betrieb, eine ununterbrochene Stromversorgung sei erforderlich. Statistische Daten zeigen, dass der jährliche Energiebedarf pro Krankenhausbett dem jährlichen Energieverbrauch von zwei Haushalten entspricht.

Gert Lanz (SVP) unterstrich, er weigere sich, Beschlussanträge mitzutragen, in denen ganze Berufsgruppen diskreditiert würden. Er verstehe nicht, warum man etwas beschließen sollte, das Standard sei und seit Jahren gemacht werde. Der CO2-Fußabdruck habe mit regionalen Produkten wenig zu tun, außer beim Transport. Wenn man von Gebäuden spreche, dann bestünden diese zum größten Teil aus Materialien, die man in Südtirol nicht habe. Man verkenne mit diesem Antrag die Realität, die Qualität der ausgezeichneten Betriebe und Techniker im Land, die nach den modernen Methoden bauten.

Auch er glaube, so Josef Unterholzner (Enzian), dass das Thema absolut überzogen werde und verwies auf den CO2-Fußabdruck. Man sollte diesbezüglich den Leuten draußen erklären, was diese geringen Prozentsätze von 300 ppm ausmachten. Es sei dies ein sehr geringer Anteil an der Luftverschmutzung. Vieles werde aus wirtschaftlichen und nicht aus umwelttechnischen Gründen gemacht. Mit Elektroautos bekomme man die ökologische Null-Bilanz nicht zustande. Er sei nicht gegen Elektromobilität, aber er sei dagegen, wenn man alle Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte verwerfe.

Hanspeter Staffler (Grüne) bemerkte, dass die Gebäude für einen Teil des CO2-Ausstoßes verantwortlich seien – und Krankenhäuser seien Hochenergiegebäude. Was die Sanierung des Gebäudebestandes anbelange, hinke man in Südtirol hinterher. Gesetzte Ziele konnten nicht erreicht werden, laut Landesregierung, weil sie zu ambitioniert gewesen seien. Nun aber habe man sich mit dem Klimaplan erneut ambitionierte Ziele gesetzt – und der Kollege Ploner komme mit einem Priorisierungsvorschlag. Das man dort beginnt, wo man am meisten einsparen könne, sei sinnvoll. 80 Prozent der Gebäude hätten keinen hydraulischen Abgleich, doch ein solcher könnte zwischen 20 und 30 Prozent Energie einsparen – und damit würden auch weniger Schadstoffe ausgestoßen. Er schlage vor, dass mit solchen hydraulischen Abgleichen bei den Krankenhäusern begonnen werde.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte an ein persönliches Erlebnis in einem Südtiroler Krankenhaus, das den Optimierungsbedarf in den Krankenhäusern deutlich gemacht habe. Er sei aber skeptisch gegenüber Dingen wie Klimabeauftragten. Die Süd-Tiroler Freiheit habe vor einiger Zeit das Thema in den Landtag gebracht, wonach im Krankenhaus Bozen seit einiger Zeit aus Klimaschutzgründen ausschließlich vegan gegessen werde – das führe dazu, dass die Mitarbeiter sich an diesen Tagen ihr Essen selbst mitbrächten. Und dabei in anderen Abteilungen die Mitarbeiter im Sommer mit Rollkragenpullover zur Arbeit kommen würden, weil die Klimaanlagen nicht gut eingestellt seien. Es wäre oft besser, an die Klimapolitik mit gesundem Menschenverstand heranzugehen.

LH Arno Kompatscher erklärte, man werde dem Antrag nicht zustimmen. Die gestiegenen Energiekosten in den Südtiroler Krankenhäusern seien auf die Kostensteigerungen zurückzuführen, nicht auf einen vermehrten Verbrauch – dieser sei sogar zurückgegangen. Die Umsetzung der Energieeinsparungsmaßnahmen der Bestandsgebäude müsse immer im Einzelfall betrachtet werden, weil es in jedem Gebäude andere Voraussetzungen und Realitäten gebe. Wie der Kollege Lanz gesagt habe, gebe es bereits eine Reihe von Standards, die es zu beachten gelte. Für die Klimaanpassungsmaßnahmen aufgrund der Einzelbewertungen seien umfangreiche Mittel vorgesehen. Die Überarbeitung der eigenen Regeln und Richtlinien sei Teil des Klimaplans. Es gebe zudem die Strategie Green Hospital. “Regional” sei nicht automatisch ein Produkt mit geringerem Fußabdruck, dennoch sei “regional” eine Zielsetzung, die man habe. Auch die Position des Energiemanagers sei bereits vorgesehen.

Franz Ploner (Team K) unterstrich an den Abgeordneten Lanz gerichtet, dass er niemanden habe beleidigen wollen, sondern dass er mit dem Antrag vielmehr darauf hinweisen wollte, welche Einsparungen im Krankenhausbereich möglich seien. Klimaneutralität umzusetzen, bedeute nicht nur auf die Gebäude zu achten. Doch in Deutschland seien allein fünf Prozent der CO2-Emissionen auf die Krankenhäuser zurückzuführen – das sei nicht wenig. Es gebe aber viele Dinge, auf die geachtet werden müsse – von der Erneuerung von Fenstern bis zur Änderung des Recycling- und Abfallsystems.

Der Antrag wurde getrennt nach Prämissen und einzelnen Punkten abgestimmt: Die Prämissen sowie die Punkte 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 wurden mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 702/23 Strafen gegen die Familien minderjähriger Mobber und Vandalen einführen (eingebracht vom Abgeordneten Galateo am 05.04.2023; Änderungsantrag vom 10.05.2023, eingebracht von den Abg. Galateo, Amhof, Mattei, Vettori, Bessone und Vettorato): Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, im Rahmen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksame Maßnahmen auf Gemeindeebene in Zusammenarbeit mit dem Gemeindenverband zu prüfen und gegebenenfalls auch Sanktionen gegenüber Erziehungsberechtigten von Minderjährigen zu erlassen, die für Mobbinghandlungen, Beschädigungen von öffentlichem Eigentum und Vandalenakten verantwortlich sind.

Marco Galateo (Fratelli d’Italia) unterstrich, dass Mobbing und Vandalismus ein immer größeres Thema seien. Die Zuständigkeit sei natürlich in Rom, er habe sich diesbezüglich bereits mit dem Vorsitzenden des zuständigen Parlamentsausschusses ausgetauscht. Doch jede Institution sollte sich in ihrem Bereich und mit ihren Möglichkeiten einbringen. In den Prämissen seines Antrags werde gesagt, dass die Gemeinde Cento in der Provinz Ferrara den Beschluss gefasst habe, Strafen gegen Familien von Jugendlichen einzuführen, die Mobbing betreiben. Mit der neuen Gemeindepolizeiordnung sehe die Gemeindeverwaltung vor, gegen Erziehungsberechtigte von Minderjährigen, die in oder außerhalb der Schule Verhaltensweisen an den Tag legen, welche die städtische Sicherheit gefährden und das zivilisierte Zusammenleben beeinträchtigen können, eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 100 bis 300 Euro zu verhängen.
Mobbinghandlungen richten sich oft gegen schwächere Kinder und können mitunter zu schwerwiegenden Gewalttaten führen, mit langfristigen physischen und psychischen Folgen für die Opfer.

In Südtirol, insbesondere in den größeren Städten, ist die Situation inzwischen durchaus kritisch. Die Familien und die jungen Menschen erwarteten sich auch in Südtirol, dass gehandelt werde. Es gehe darum, die Grundlagen für eine Gesellschaft aufzubauen, die auf gegenseitigem Respekt fuße.

Ulli Mair (Freiheitliche) bemerkte, dass der Antrag bei den Freiheitlichen offene Türen einrenne. Es mache sich aber ein Schlendrian bemerkbar, wonach die Dinge nicht mehr beim Namen genannt würden: Es müsse aber klar gesagt werden, was mit wirksamen Maßnahmen gegen straffällige Jugendliche und deren Familien gemeint sei. Doch wenn klare Maßnahmen angeführt würden, dann würden diese oft abgelehnt, weil es heiße, dass deren Umsetzung rechtlich nicht möglich sei. Mit Reden werde man nichts erreichen; den Jugendlichen sei beim ersten Vergehen klarzumachen, dass diese Gesellschaft dieses Verhalten nicht akzeptieren werde. Doch in 20 Jahren habe sich nichts getan; heute würden die Kinder der Täter von vor 20 Jahren straffällig werden, weil nichts getan worden. Sie bitte den Kollegen Galateo, in Rom zu intervenieren, damit es eine Änderung der Gesetze gebe.

Es falle ihm auf und verwundere ihn, dass die Kollegin Amhof den Änderungsantrag mitunterzeichnet habe, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). Denn sie wisse, dass es der Staatsanwaltschaft obliege, Sanktionen, so wie im Antrag gefordert, zu verhängen. Der Gemeindenverband könne letztlich gar nichts machen, zudem gebe es bereits Einrichtungen, die auf Streetworking und Wiedereingliederung ausgerichtet seien. Dass die Kollegen von Mitte-Rechts den Antrag unterzeichnet hätten, könne er dagegen nachvollziehen. Der Antrag sei populistisch. Er werde dagegen stimmen.

Mitunterzeichner Carlo Vettori (Forza Italia) betonte, dass der Antrag ein kleiner Baustein sei im Vergleich zur Arbeit, die auf die Regierung in Rom warte. Er sei nicht für das Herabsetzen der Straffähigkeit auf 14 Jahre, denn damit einher könnte auch eine Herabsetzung des Wahlalters gehen. Er könne einem Überdenken des Ansatzes “Wenn die Karotte nicht funktioniert, muss mit dem Stock gearbeitet werden” etwas abgewinnen. In den Medien sehe man, dass es tagtäglich Probleme mit Baby-Gangs gebe, auch solche, die mit einheimischen Mitgliedern. Bestimmte Werte seien verloren gegangen, deshalb müsse man vielleicht an der Geldbörse ansetzen. Der Abg. Repetto habe gesagt, man müsse zuerst eine Verurteilung abwarten, doch das Problem sei, dass alles stets archiviert werde, weil sich alle entschuldigten. Doch wenn sich mit so einer Handhabung alles erledigen lasse, dann wüssten die Jugendlichen, dass ihnen nichts passiere. Aber wenn man Geldstrafen verhängen könnte, dann ändere sich vielleicht etwas.

Auch er sehe so, dass dies nur ein kleiner Stein sei, bei den vielen Herausforderungen, die man angehen müsse, so Helmut Tauber (SVP). An der Anpassung der Gesetzgebung mit klaren Regeln müssten alle gemeinsam arbeiten. Die nächsten Geschichten sei, die eigene Familie: Den Menschen müssten Dinge wie “was ist Eigentum” beigebracht werden. Es bedürfe 360-Grad-Maßnahmen, in diesem Puzzle gelte es auch zu prüfen, was die Gemeinden und die Bezirksgemeinschaften tun könnten. Er unterstütze den Antrag.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) sagte, es sei nicht ein kleiner Baustein, sondern um einen großen Stein, der geworfen werde – oder vielmehr: ein Blödsinn. Laut Verfassung sei die strafrechtliche Haftung eine persönliche. Doch der Art 2048 des Strafgesetzbuches sagt, dass die Eltern für zivil- und strafrechtliche Straftaten ihrer minderjährigen Kinder verantwortlich seien, zum Beispiel bei Mobbing. Aber diesbezüglich würden nicht die Gemeinden entscheiden, sondern die Jugendgerichte. Er frage sich, was man mit diesem Vorschlag wolle. Wohl nur ein bisschen Populismus und Rom einen Gefallen tun. Es sei ein Theaterstück zwischen Galateo und der SVP.
Kriminelle hätten im Land nichts verloren, die hätten ein Flugticket verdient – nicht einen Zeichenkurs, betonte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Er sei auch nicht für Sippenhaft, doch wenn es um eine Missachtung der Aufsichtspflicht gehe, dann müssten die Eltern die Konsequenzen ziehen und Verantwortung übernehmen. Solange Gründe und Ausreden dafür gesucht würden, warum die Täter straffällig würden, würde sich nichts ändern. Doch die Leute in Südtirol seien “stuff”. Wenn man wisse, dass es Probleme mit kriminellen Ausländerbanden habe, dann müsse man dagegen etwas tun, und nicht die Gründe dafür suchen, warum die Kriminellen kriminell wurden. Er stimme dem Antrag zu.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sagte, aus seiner Sicht sei der Antrag purer Populismus und ebenso Ausdruck einer Romanze zwischen Fratelli d’Italia und SVP. Es gebe keine juristische Basis für den Antrag, der dazu von einem Vertreter von Fratelli d’Italia komme, die die Regierung bei der Cartabia-Reform unterstützt habe. Die Kriminalität nehme zu und werde auch weiterhin zunehmen, bei den Minderjährigen wisse man, dass häufig familiäre Probleme dahintersteckten – da müsse angesetzt werden, bei Unbehagen und Armut in den Familien. Die Straftaten seien vielfältig, dies könne weder der Landtag noch der Gemeindenverband ändern. Und auch die Definition der Sanktionen hänge nicht von den Regeln der öffentlichen Verwaltung ab.

Präsidentin Rita Mattei unterbrach die Diskussion und schloss die Sitzung; die Arbeiten im Plenum werden morgen, Donnerstag, 11. Mai, ab 9 Uhr mit der Vorstellung der Tätigkeitsberichte 2022 von Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie Antidiskriminierungsstelle fortgesetzt. Ab 10 Uhr wird dann der Beschlussantrag Nr. 702/23 Strafen gegen die Familien minderjähriger Mobber und Vandalen einführen weiter behandelt.

Von: ka

Bezirk: Bozen