Anträge der Opposition

Landtag: Barrierefreiheit, Gewalt, Staubecken

Mittwoch, 15. Januar 2020 | 16:45 Uhr

Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 200/19: „Einfach mobil. Öffentlicher Verkehr ohne Behinderung für alle!“ (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 07.11.2019) befasst. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, mit den Betroffenen und deren Vertretungen eine ausführliche Bestandsaufnahme zu den Bedürfnissen in Hinsicht auf die eigenständige Mobilität vorzunehmen und die notwendigen Maßnahmen daraus abzuleiten (neue Fassung laut einem Änderungsantrag, der auch von Gert Lanz unterschrieben wurde).

“Bei der Tagung des Südtiroler Monitoringausschusses am 18. Oktober 2019 wurde deutlich, dass viele der im Landesgesetz zur Mobilität von 2015 sehr fortschrittlich und ambitioniert formulierten Ziele noch nicht umgesetzt sind”, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), die ihren Antrag auch in leichter Sprache vorstellte, denn auch die Sprache könne für Menschen für Behinderung eine Barriere darstellen.“ Daher seien z.B. “1) alle Busse und Züge, die den öffentlichen Personentransport gewährleisten, sowie Bahnhöfe und Bushaltestellen nach dem „2-Sinne-Prinzip“ umzurüsten. Nach diesem Prinzip müssen mindestens zwei der drei Sinne „Hören, Sehen und Tasten“ angesprochen werden. Dadurch wird eine große Anzahl von Personen auch sicher von den Informationen über Haltestellen, Verspätungen etc. erreicht; 2) die Anstrengungen für die barrierefreie Nutzung des ÖPNV zu intensivieren, damit sämtliche Busse mit Rampen ausgestattet und alle Bahnhöfe barrierefrei gestaltet werden; zu diesem Zwecke in Verhandlungen mit Trenitalia bzw. mit RFI zu treten; 3) mit Trenitalia zu verhandeln, damit der Zugang zu den Trenitalia-Zügen und Bahnhöfen auch ohne Voranmeldung möglich gemacht wird; 4) die Fahrerinnen und Fahrer des ÖPNV verstärkt auf den Umgang mit Menschen mit diversen Beeinträchtigungen zu sensibilisieren und zu schulen; 5) unterstützend einzuwirken, damit ein leistbarer Privattransport in Anspruch genommen werden kann (am Vorbild des Best-Practice-Beispiels MuoverSi aus Trient); 6) die Fahrpläne und jegliche Information über den ÖPNV in Leichter Sprache zur Verfügung zu stellen; 7) eine App zu entwickeln, in dem die Mobilitätsinfo in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt und an die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung angepasst wird; 8) ein System zu entwickeln, mit dem Gehörlosen die Möglichkeit gegeben wird, in Gebärdensprache mit der Mobilitätszentrale zu kommunizieren; 9) für die Toiletten in den Bahnhöfen und bei Haltestellen den „Euroschlüssel“ zur Verfügung zu stellen.”

Auch Alex Ploner (Team K) sah noch erheblichen Nachholbedarf. Der barrierefreie Einstieg in Bus und Bahn sei z.B. umständlich oder nicht vorhanden. Auch der Euroschlüssel sei eine gute Lösung. Vieles von dem Vorgeschlagenen könne man rasch umsetzen. Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich ebenfalls für den Antrag aus. Eine verständliche Sprache sei für die Betroffenen sehr wichtig, auch hier gebe es viel Nachholbedarf. Sie appellierte an alle, diesem Thema besondere Bedeutung beizumessen, jeder habe in seinem Bekanntenkreis Personen mit Beeinträchtigung.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) erinnerte daran, dass bei der Diskussion zum Gesetz von 2015 von den Betroffenenverbänden die Mahnung kam, vor allem auf die Umsetzung zu achten. Er habe aufgrund einer Verletzung am Bein für ein paar Monate fühlen können, wie sich Behinderung auswirke: Man habe Angst vor allem. Durch den Änderungsantrag seien die Detailmaßnahmen aus dem beschließenden Teil verschwunden; er hoffe, dass die Landesregierung sie dennoch berücksichtige.
Der Ausdruck “Ich verstehe nur Bahnhof” komme nicht von ungefähr, meinte Hanspeter Staffler (Grüne), er zeige deutlich, dass es am Bahnhof auch Sprachbarrieren gebe. Daher sei der Antrag in doppelter Hinsicht interessant. Eine barrierefreie Sprache wäre auch in der Politik wichtig. Dem stimmte Ulli Mair (Freiheitliche) zu, der Antrag der Grünen könnte aber gerade in diesem Sinne auf das Gendern verzichten, um die Verständlichkeit zu erleichtern. Davon abgesehen unterstütze den Antrag voll. Laut Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) fordert der Antrag etwas, das eigentlich schon längst geschehen sein sollte. Alle öffentlichen Verkehrsmittel müssten barrierefrei zugänglich sein. Er hoffe, dass die Detailmaßnahmen im ursprünglichen Antrag (siehe Rede Foppas, A.d.R.) der Landesregierung wenigstens als Orientierung dienten. Repetto sprach ein weiteres Problem an: den Zugang zu den öffentlichen Bädern.

Es sei ein Hauptanliegen der Landesregierung, Mobilität für alle zugänglich zu machen, erklärte LR Daniel Alfreider. Ein prioritäres Ziel sei die Umrüstung der 1.200 Bushaltestellen im Lande, für die man den Gemeinden eine Finanzierung gebe. An vielen Bahnhöfen seien die Bahnsteige erhöht worden, viele seien aber noch anzupassen. Man müsse alle Barrieren abbauen, damit die Betroffenen selbständig den Dienst in Anspruch nehmen könnten. Auch die allermeisten Busse im Linienverkehr seien zugänglich. Zusammen mit Independent L sei eine eigene App (Pathfinder) mit Infos zur Mobilität entwickelt worden. Es seien also bereits seit Jahren, bereits unter seinem Vorgänger Widmann, Maßnahmen getroffen worden, um das Gesetz umzusetzen. In diesem Sinne wolle man weiterarbeiten.

Wenn man barrierefrei informieren wolle, müsse man mindestens zwei von drei Sinnen ansprechen, meinte Brigitte Foppa. Das betreffe z.B. die Durchsagen am Bahnhof. Ziel müsse es sein, dass die Betroffenen die Dienste ohne Hilfe nutzen könnten. Sie hoffe, ihr Maßnahmenkatalog verschwinde nicht in der Schublade. Sie sei das Ergebnis der Beratungen des Monitoringausschusses für Behindertenrechte, der beim Landtag angesiedelt sei. Die Frage zum Gendern habe sie sich auch gestellt, aber sie sei keine Expertin für leichte Sprache. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Beschlussantrag Nr. 150/19: Den Opfern von Gewalt vorbehaltener Zugang zur Notaufnahme (eingebracht vom Abg. Urzì am 23.08.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, einen geschützten Zugang zu Soforthilfe und Unterstützungsdiensten nicht nur medizinischer Natur in den Notaufnahmen der Krankenhäuser Südtirols für alle Opfer von Gewalt zu gewährleisten, wobei besonderes Augenmerk den Schwächeren unter ihnen, wie Kindern, Frauen, älteren Menschen und Opfern von Diskriminierung, gelten soll (neue, am Nachmittag vorgelegte Fassung). Der Antrag war bereits am Vormittag andiskutiert worden.

Ulli Mair (F) äußerte Zweifel. Ein eigener Zugang würde das Gewaltopfer als solches identifizieren. Franz Ploner  Team K) wies darauf hin, dass im italienischen Original von “percorsi” die Rede sei, was etwas anderes sei als “Zugang”. Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) präzisierte, dass er nicht einen physischen Eingang meine, sondern eine besondere Prozedur.

Dies sei eine wichtige Klärung, meinte Brigitte Foppa (Grüne) und schlug eine neue Übersetzung vor. LR Thomas Widmann teilte die Sorge von Mair. Frauen, die Gewaltopfer seien, würden einen anonymen Zugang bevorzugen. Der Antrag wurde mit zwölf Ja, 14 Nein und drei Enthaltungen abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 216/19: Wohnmöglichkeiten für Arbeiter und Studenten (eingebracht vom Abg. Repetto am 18.12.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, Bestimmungen und Verordnungen dahingehend abzuändern, dass Private bei Investitionen in nachstehende Einrichtungen und bei deren Führung begünstigt werden: a) Wohnheime für die Arbeitnehmer errichtet werden, die zur wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes beitragen und vorübergehende Wohnmöglichkeiten benötigen, zumal damit auch die Voraussetzungen für einen Pakt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschaffen werden; b) Studentenheime, um jungen Menschen, die sich für ein Studium oder Forschungsprojekte an unserer Universität entscheiden, Unterkunftsmöglichkeiten bereitzustellen; (neue, heute vorgelegte Fassung).

“Derzeit befinden sich der Arbeits- und der Baumarkt in einer Umwandlungsphase: Immer mehr Arbeitnehmer kommen aus anderen Regionen oder Ländern”, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). “Vor diesem Hintergrund nimmt die Tendenz, eine Erstwohnung zu kaufen, zwar ab, aber gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Mietwohnungen. Deshalb braucht es einen flexibleren Markt, um den Arbeitnehmern den Zugang zu Wohnungen zu ermöglichen. Nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Studenten befinden sich in einer ähnlichen Situation. Auch für sie ist es wichtig, Unterkünfte oder Zimmer zur Miete zu finden, da sie diese nur zwischenzeitlich und nicht als endgültige Wohnmöglichkeit benötigen. Auch der Rektor der Universität Bozen betonte mehrmals, dass in der Hauptstadt Unterkünfte für Studenten (Studentenheime) fehlen und es schwierig ist, eine Wohnung oder ein Zimmer zur Miete zu finden.”

Maria Elisabeth Rieder (Team K) begrüßte die neue Fassung, denn bei Arbeiterwohnungen müssten auch die Arbeitgeber beisteuern. Darüber hinaus brauche es Wohnungen für das Sanitätspersonal. Bei den Studentenheimen dürfe man nicht nur an Bozen oder Meran denken.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstützte den Antrag, aber man müsse aufpassen, wie er umgesetzt werde. An den Studentenheimen, die sehr teure Plätze bieten, verdiene vor allem die diözesanen Institute, dank Großzügigkeit des Landes und der Steuerzahler. Der derzeitige Mietmarkt sei überlastet, weil es zu wenig Wohnungen gebe; man sei hier Griechenland und Spanien näher als den nördlichen Ländern.

Hanspeter Staffler (Grüne) wies darauf hin, dass auch die Bauwirtschaft viele Arbeitskräfte von außen anziehe. Und für diese sei es sehr schwierig, eine Wohnung zu finden. Der Antrag sei auch deshalb sinnvoll. Ebenso werde es Unterkunft für die Pflegekräfte brauchen.

Myriam Atz Tammerle (STF) bezweifelte, dass man für zigtausend Arbeitskräfte von außen Wohnraum schaffen könne. Daher werde sie sich der Stimme enthalten. LR Waltraud Deeg kündigte an, dass dieses Thema im Wohnbaugesetz angegangen werde. Eine Delegation aus Deutschland habe sich übrigens im Vinschgau umgesehen und das Südtiroler Modell der Wohnbaupolitik als Best Practice bezeichnet. In Deutschland habe man gesehen, dass der freie Markt nicht zu niedrigeren Preise führe – es brauche regulatorische Maßnahmen. Arbeiterwohnheime seien nicht die Lösung des Problems, aber es gebe keine Alternative dazu. Und hier sei auch die Wirtschaft gefordert. Wenn diese angemessene Löhne und Wohnungen für ihre Mitarbeiter bieten würden, wäre vieles bereits gelöst. Sandro Repetto betonte, dass es um das ganze Land gehe, nicht nur um Bozen. Der Antrag wurde mit 27 Ja und fünf Enthaltungen angenommen.

Beschlussantrag Nr. 112/19: Saugbagger statt Stauraumspülungen (eingebracht von den Abg. Leiter Reber und Mair am 06/06/2019); der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. die Konzessionäre und Kraftwerksbetreiber der Stauanlagen in Südtirol anzuhalten und aufzufordern, die Verwendung von Saugbaggern und anderen umweltfreundlichen Alternativen zu den klassischen Stauraumspülungen zum Abbau der Sedimente innerhalb des Stauraums einzusetzen, damit die ökologischen Schäden künftig eingedämmt werden können. (Neue, heute Nachmittag vorgelegte Fassung; der Antrag war am Vormittag vertagt worden.)

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) erläuterte die Änderung, die auch andere Alternativen zur Entleerung zulasse, und betonte, dass man in Zukunft diese Lösungen auch bereits bei der Konzessionsvergabe verlangen wolle. Hanspeter Staffler (Grüne) stimmte der neuen Fassung zu. Der Antrag wurde mit 28 Ja und einem Nein angenommen.

Von: mk

Bezirk: Bozen