Beschlussantrag von JWA Wirth Anderlan abgelehnt.

Landtag befasst sich weiter mit “korrektem Deutsch”

Mittwoch, 06. März 2024 | 12:21 Uhr

Bozen – Am Mittwochvormittag (6. März 2024) wurde in der Plenarsitzung des Südtiroler Landtags als erster Punkt der zusätzlich eingefügte Tagesordnungspunkt – Beschlussvorschlag: Änderungen der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtages – behandelt: Wie es im Bericht zum Beschlussvorschlag heißt, werde mit dem in Artikel 1 enthaltenen Streichungsantrag (vorgelegt von Landtagspräsident Schuler) Artikel 22 Absatz 2 der Geschäftsordnung betreffend das für die Abgeordneten geltende Limit der Mitgliedschaft in maximal zwei Gesetzgebungsausschüsse aufgehoben. Mit der in Artikel 2 vorgesehenen Änderung (vorgelegt von Landtagspräsident Schuler) werde der erste Satzteil von Artikel 22 Absatz 3 der Geschäftsordnung betreffend das Verbot der Mitgliedschaft des Landtagspräsidenten/der Landtagspräsidentin in den Gesetzgebungsausschüssen abgeschafft. Mit der in Artikel 3 enthaltenen Änderung (ebenfalls von Landtagspräsident Schuler vorgelegt) zu Artikel 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung werde allen Abgeordneten die Vertretung eines Ausschussmitgliedes in den Gesetzgebungsausschüssen ermöglicht. Bislang war dies nur den Abgeordneten der eigenen Fraktion erlaubt. Mit der in Artikel 4 vorgesehenen Änderung (vorgelegt von Landtagspräsident Schuler) sollen dem Artikel 37 der Geschäftsordnung betreffend die Gültigkeit der Ausschusssitzungen 4 Absätze hinzugefügt werden. Mit diesen Absätzen würden die für die Plenarsitzungen geltende Regelung der prinzipiellen Annahme der Beschlussfähigkeit und deren Feststellung während der Sitzung auch für die Sitzungen der Gesetzgebungsausschüsse übernommen. Die vier Änderungsanträge wurden im Rahmen der Schlussabstimmung vom Ausschuss einstimmig (Landtagspräsident Schuler und Abgeordnete Stauder, Locher, Scarafoni, Foppa und Köllensperger) genehmigt.

Artikel 1 des Beschlussvorschlags wurde einstimmig mit 33 Ja genehmigt, Artikel 2 mit 29 Ja und 4 Enthaltungen, Artikel 3 und Artikel 4 jeweils einstimmig mit 34 Ja. In der Schlussabstimmung zum Änderungsantrag wurde die Änderung der Geschäftsordnung einstimmig mit 35 Ja genehmigt.

In der Folge wurde die gestern begonnene Diskussion zum Beschlussantrag Nr. 24/24 Korrektes Deutsch in Politik und Verwaltung (eingebracht von den Abg. Wirth Anderlan und Colli am 15.01.2024) fortgesetzt. Zunächst ergriff Magdalena Amhof (SVP) das Wort: Sie erklärte, die Frauen seien lange genug nur “mitgemeint” worden – das solle sich ändern, die Frauen wollten sichtbar sein. Die Richtlinien der öffentlichen Verwaltung diesbezüglich hätten nichts mit Wahn zu tun, sondern mit Respekt, Würde und Recht.

Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) verwies u.a. auf die Richtlinien des Rates für deutsche Rechtschreibung und stellte fest, es gehe um ein inklusives Sprechen – und nicht darum, die Dinge zu verkomplizieren, was wiederum zur Schaffung neuer Minderheiten führe. Der Kollege Wirth Anderlan habe gestern 10 Minuten Zeit gehabt, den Antrag vorzustellen und dabei nicht den beschließenden Teil erklärt, sondern mit einer “Bühnenstimme” die Prämissen vorgetragen und dabei davon gesprochen, dass Gendersprache ihm “epileptische Anfälle” verursache – das finde er unredlich denjenigen gegenüber, die an Epilepsie leiden.

Andreas Colli (JWA Wirth Anderlan) stellte u.a. fest, man habe mit dem Antrag keine Hyperventilation bei einigen “hier” verursachen vollen, sondern sich für die korrekte Verwendung der deutschen Sprache einsetzen wollen. Mit dieser “Vergewaltigung” der deutschen Sprache ginge kein Nutzen einher, sondern würde nur das Lesen und Sprechen erschweren. Die Frauen, mit denen er verkehre, seien so selbstsicher, dass sie sich nicht hinter Sternchen, Bindestrichen etc. verstecken müssten. Die Mehrheit der Menschen sei gegen die Verwendung der Gendersprache. Diese werde sich auf Dauer deshalb nicht durchsetzen.

Ulli Mair (Freiheitliche) erklärte, Gendern sei nicht demokratisch legitimiert und reduziere den Menschen auf sein Geschlecht; eine Auswirkung des Genderns auf die Gleichberechtigung sei indes nicht beobachtet worden. Gendern sei eine Zumutung für aufgeklärte, mündige Bürger und schränke die persönliche Freiheit ein. Es schüre Konflikte. Viele – gerade alte Frauen – würden ihr bestätigen, dass das Lesen gegenderter Texte Schwierigkeiten bereite. Im Koalitionsabkommen sei festgehalten, dass die Haltung des deutschen Rates für Rechtschreibung angewandt werde. Sie lehne den Antrag deshalb ab.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) unterstrich, dass sie sich nicht zu den Frauen gehöre, die sich an diesen Endungen messe – sie spreche für alle Frauen, die das so sehe. Diese Frauen und auch sie zählten also nicht zu dem “Wir”, dass einige Frauen im Plenum verwendet hätten. Es entstehe durch das Gendern ein Zwang, doch es solle eine Entscheidungsfreiheit diesbezüglich geben. Man höre immer wieder von Schülern, dass bestimmte Abschlussarbeiten nur angenommen würden, wenn die Texte gegendert wären. Es müsse klargestellt werden, ob dies Einfluss auf die Benotung habe oder nicht.

Brigitte Foppa (Grüne) erklärte – in persönlicher Angelegenheit – Humor sei in der Aula erlaubt, aber es sei nicht witzig gewesen, wenn der Abg. Colli sage, er wolle nicht ihr Mann sein. Zudem wolle sie betonen, dass der Abg. Colli, der von Hyperventilation bei einigen im Saal gesprochen habe, auch keine Einschätzung zu ihrer Gesundheit geben solle.

Waltraud Deeg (SVP) schickte das Zitat “Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt” voraus und ergänzte u.a., dass Sprache Raum gebe, den Menschen das Gefühl gebe, dazuzugehören – in diesem Sinne gebe es Richtlinien der Verwendung der Sprache in der öffentlichen Verwaltung. Ihr wäre es wichtig, dass man zum Tag der Frau auch andere Themen als Sprache anspreche bzw. sich darum kümmere, etwa warum Frauen nach wie vor weniger verdienten als Männer oder warum unbezahlte Care-Arbeit vor allem auf Frauen laste.

Auch er sei für Gerechtigkeit, so Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit), doch in der Gendersprache sehe er eine aufgesetzte Sache von einer Minderheit über eine Mehrheit. Mittlerweile gebe es auch Ansätze, die Gendersprache zu verbieten – etwa in Bayern. Er werde dem Antrag zustimmen.

Renate Holzeisen (Vita) betonte u.a., es liege ihr an einer sachlichen Auseinandersetzung – sie sei nicht der Meinung des Großteils der Frauen im Raum. Sie sehe in diesem Thema, dass man von einem Extrem ins andere komme – in der Mitte liege normalerweise das Maß. Sie sehe sehr wohl eine “Verhunzung” der Sprache, wenn man auf “Teufel komm raus” gendere. Sie sei dafür, die Sprache so zu nutzen, wie es einem vorkommt.

Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) verwies darauf, dass Legastheniker oder Menschen mit geistiger Behinderung, Blinde oder Gehörlose oder Menschen mit Lernschwierigkeiten mit dem Gendern bzw. den Zusatzzeichen möglicherweise Probleme haben könnten. Die deutsche Sprache sei für Migranten zudem bereits schwer genug zu lernen. Den Frauen sei mehr geholfen, wenn man etwa Erziehungsjahre u.a. anerkenne.

LR Philipp Achammer rief diejenigen im Plenum, die von Fällen von Abschlussarbeiten, die nur angenommen werden, wenn die Texte gegendert sind, gesprochen hatten, auf: “Bringen Sie mir diese Fälle.” Dies sei nicht vorgeschrieben; man halte sich an den Rat für deutsche Rechtschreibung. Außerdem übte der LR Kritik an der zum Teil ideologischen Diskussion.

LH Arno Kompatscher stimmte dem u.a. zu und verwies zudem auf populistische Ansätze. In Deutschland gebe es derzeit eine etwas skurrile Debatte darüber, dass man sich die Wurst nicht verbieten lassen wolle, obwohl es keine solche Vorhaben gebe. Auch in diesem Antrag würde gegen Windmühlen, gegen vermeintliche Regelungen, die es im Land gar nicht gebe, gekämpft. Im beschließenden Teil des Antrags: Man orientiere sich an den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung, der von Sternchen und anderen Sonderzeichen abrate – eine geschlechtersensible Sprache aber sei ein anderes Thema. Diese werde auch im Gleichstellungsaktionsplan des Landes, der acht Handlungsfelder vorsehe, thematisiert. Der LH verwies abschließend auf die Initiative No Women No Panel der EU-Kommission. Man werde nicht vorschreiben, wie jemand zu schreiben habe. Der Antrag sei fehl am Platze und unnötig.

Jürgen Wirth Anderlan (JWA Wirth Anderlan) nahm Bezug auf eine Aussage der Abg. Rohrer und erklärte man habe einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung des Hunde-DNA-Gesetzes vorgelegt. Doch es gehe hier nicht um diesen Vorschlag, sondern um Anträge. Jeder könne im privaten Bereich sprechen, wie er wolle – er aber sei gegen “diese Striche”. Er liebe alle Frauen, deshalb solle man ihn nicht in das frauenfeindliche Eck zu drängen. Es gehe in seinem Antrag nicht um Mann und Frau oder um die Endung -Innen, sondern um die Sonderzeichen und darum, dass in der öffentlichen Verwaltung eine korrekte Sprache verwendet werde.
Der Beschlussantrag Nr. 24/24 Korrektes Deutsch in Politik und Verwaltung wurde mit 6 Ja, 21 Nein und 1 Enthaltung und 1 Nicht-Teilnahme abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 31/24 Änderungen und Anpassungen des Autonomiestatuts: der Landtag wird völlig übergangen! (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Foppa und Repetto am 24.01.2024; Ersetzungsantrag vom 05.03.2024; Änderungsantrag zum Ersetzungsantrag vom 06.03.2024): Der Landtag möge die Landesregierung und den Landeshauptmann verpflichten, 1. im Falle von Verhandlungen mit der Regierung in Rom zu Änderungen des Autonomiestatuts mit Verfassungsgesetz, das Kollegium der Fraktionssprecher nach Vereinbarung periodisch mindestens alle 2 Monate über den Stand der Dinge zu unterrichten (Inhalt, Fortschritte, Zwischenergebnisse und Vorgangsweise);  2. vor Überreichung von Vorschlägen oder von konkreten Verfassungsgesetzentwürfen zur Änderung des Autonomiestatuts an die Regierung oder an den/die Ministerpräsidenten/Ministerpräsidentin eine Stellungnahme des Landtages zu diesen Vorschlägen oder Verfassungsgesetzentwürfen in Form eines Beschlusses einzuholen; 3. falls der Landesregierung oder dem Landeshauptmann Verfassungsgesetzentwürfe zum Autonomiestatut von Parlamentariern oder der Regierung noch vor Einreichung zur Kenntnis oder zur Stellungnahme vorgelegt werden, zu diesen eine Stellungnahme des Landtages in Form eines Beschlusses einzuholen.

Brigitte Foppa (Grüne), Mitunterzeichnerin des Antrags, erklärte u.a., dass in der Vergangenheit das Autonomiethema in der Öffentlichkeit wenig präsent gewesen sei – sie begrüße es, dass sich das nun ändern solle. Um die Verengung der Debatte auf Regierungschefs zu vermeiden, sei es wichtig, dass das Landesparlament involviert werde.

Sandro Repetto (PD – Demokratische Partei), Mitunterzeichner des Antrags, unterstrich u.a. die Wichtigkeit des Vorschlags im Beschlussantrag. Man müsse sich fragen, ob die Autonomie allen gehöre. Die Wiederherstellung der Kompetenzen oder auch die Entscheidung zu den paritätischen Kommissionen seien wesentlich und es benötige eine starke Teilhabe. Er wolle betonen, dass die Autonomie allen gehöre – und dass alle daran mitwirken könnten.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sagte, man werde den Antrag unterstützen, weil es um die Involvierung des Südtiroler Landtages gehe, dieser sei das wichtigste Gremium im Lande – nicht die Landesregierung, das werde mitunter vergessen. Besonders die Punkte 2 und 3 des beschließenden Teils seien wichtig. Die Information alleine reiche nicht aus. Für Verbesserungs- oder Abänderungsvorschläge brauche es eine bestimmte Vorlaufzeit. Ein Teilnehmer an der ganzen Diskussion sei vergessen worden: die österreichische Regierung und das österreichische Parlament.

Auch sie werde den Antrag unterstützen, sagte Renate Holzeisen (Vita), wenn auch aus einer übergeordneten Überlegung: Sie verwies auf die WHO-Vollversammlung im Mai, wo eine Entscheidung getroffen werden solle, die zu einer wesentlichen Abwertung der Souveränität Italiens führen würde – was wiederum Auswirkungen auf die Südtiroler Autonomie hätte. Diese Auswirkungen wären den wenigsten hier im Saal bekannt.

Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) erklärte u.a., dass der LH zu vermitteln versuche, dass das Autonomiestatut das Grundgesetz sei. Wenn es andernorts um das Grundgesetz gehe, dann würden verschiedenste Seiten mitsprechen – der Autonomieausbau aber sei über Jahrzehnte Parteiangelegenheit gewesen. Er verstehe, dass die Verhandlungsbasis und die Gunst der Stunde genutzt werden müsse – aber eine breitere Beteiligung sei notwendig. Das, was im Beschlussantrag stehe, sei das Minimum. Es brauche einen neuen und auch erwachsenen Zugang zum Ausbau der Autonomie.

Das Ansinnen des Punktes 1 des Antrages finde “unsere” Zustimmung, so LH Arno Kompatscher. Die Debatte über eine grundlegende Reform des Südtiroler Autonomiestatuts solle in diesem Haus stattfinden. Er wünsche sich auch einen Einbezug der Südtiroler Bevölkerung. Denn damit könne das Bewusstsein dafür geschärft werden, was im Land durch die Autonomie ermöglicht wurde. Bei dem Thema der Wiederherstellung gehe es um die Gesetzgebungsbefugnisse, die durch die Verfassungsgerichtsrechtssprechung in den vergangenen Jahren eingeschränkt worden sei. Die Autonomie gehöre allen – sie sei das gemeinsame Haus der Südtirolerinnen und Südtiroler, der Menschen, die hier lebten und arbeiteten. Man tue gut daran, ständig an der Autonomie zu arbeiten. Die Autonomie sei keine innerstaatliche Angelegenheit, deshalb tue man gut daran, Österreich zu involvieren. Es gebe Zustimmung zum Artikel 1 des Antrags.

In seiner Replik unterstrich Paul Köllensperger (Team K) u.a., dass die Einbindung des Landtags eine Aufwertung des Landtags sein und auch der Autonomie guttun werde. Es sei ein Zeichen, dass man – trotz aller Differenzen der vergangenen Wochen – “hier” zusammenhalte.

Die Prämissen und die einzelnen Punkte des Beschlussantrags Nr. 31/24 Änderungen und Anpassungen des Autonomiestatuts: der Landtag wird völlig übergangen! wurden getrennt abgestimmt: Die Prämissen wurden mit 16 Ja und 19 Nein abgelehnt, Punkt 1 wurde einstimmig mit 35 Ja angenommen, die Punkte 2 (17 Ja und 18 Nein) und 3 (16 Ja und 19 Nein) wurden abgelehnt.

Von: luk

Bezirk: Bozen