Regionenkonferenz steht an

Landtag diskutiert über Covid-Maßnahmen

Mittwoch, 07. Oktober 2020 | 11:33 Uhr

Bozen – Gesundheitslandesrat Thomas Widmann hat heute im Landtag über Infektionszahlen und deren Interpretation informiert. Landeshauptmann Arno Kompatscher nahm zum rechtlichen Rahmen und eventuellen weiteren Regelungen Stellung.

Zu Beginn der Sitzung informierte die Landesregierung über die gestrige Regionenkonferenz zu den neuen Covidmaßnahmen der Regierung. Landesrat Thomas Widmann gab zunächst Auskunft über den Stand der Dinge in Südtirol. Die Zahlen seien ähnlich wie vor drei oder vier Wochen. Man habe die Lage in Griff und verschärfende Maßnahmen seien derzeit nicht nötig. Die Ersttests an Personen hätten deutlich zugenommen, diese müsse man mit der Situation im März vergleichen, um aussagekräftige Zahlen zu haben. Am Anfang habe man nur die Spitze des Eisbergs erfasst. Wenn im März täglich 5-6 in die Intensivstation gekommen seien, so habe man auch Tausende Infizierte, die nicht erfasst wurden. Heute werde sieben bis acht Mal so viel wie im März getestet. Es müsse auch berücksichtigt werden, ob die Tests von Einzelfällen stammen oder von bestimmten Kategorien oder Orten. Man versuche heute, auf das Entstehen von Infektionsherden schnell zu reagieren. Wenn man die Protokolle wie in ganz Europa etwas aufweiche, habe man noch mehr Testkapazitäten. Die Zahl der Intensivbetten sei seit März von 37 auf 100 gestiegen und man könne schnell auf 130 erweitern. Man habe heute viel mehr Ausrüstung, aber das würde nicht reichen, wenn über Europa eine große Infektionswelle komme. Die präventiven Tests an Mitarbeitern in Tourismus und Landwirtschaft sei wichtig gewesen, so habe man Infektionsketten schnell unterbinden können. Im Tourismus habe man fast keine Fälle verzeichnet, und das bei rund 200.000 Ankünften, was etwas weniger als die Hälfte der Südtiroler Bevölkerung sei. Verbesserungen seien in Produktion und Industrie nötig. Die Bilanz sei also noch positiv, aber das Risiko könne mit dem Winter steigen. Daher sei vor allem die Einhaltung der Regeln wichtig.

Landeshauptmann Arno Kompatscher ging auf den rechtlichen Rahmen ein. Das Landesgesetz sei nicht angefochten worden, es sei also gültig und habe denselben Rang wie ein Staatsgesetz. Auf Grundlage dieses Gesetzes könne der Landeshauptmann auch Abweichungen von der staatlichen Regelung vornehmen – Verschärfungen, aber auch Lockerungen. Andere Regionen dürften nur Verschärfungen vornehmen. Heute Abend stehe eine neue Konferenz der Regionen mit Regionenminister Boccia an über die angekündigte staatliche Regelung. Dem Vernehmen nach enthalte diese die Pflicht, die Maske mitzuführen und bei Bedarf aufzusetzen – dies würde der Regelung entsprechen, die Südtirol bereits habe. Das Problem seien weniger die Regeln als die mangelnde Disziplin. Große Sorgen würden private Feiern bereiten, viele Fälle rührten daher. Es sei Absicht der Landesregierung, nicht neue generelle Regelungen einzuführen, wenn es nicht nötig sei. Man wolle aber mehr auf die Einhaltung achten. Die Quarantäneregelung sei unbedingt abzuändern. Italien verfolge ein sehr strenges Protokoll, die meisten EU-Länder hätten die Zeit auf zehn Tage reduziert. Weltweiter Standard bei Quarantäne sei ein Test, Italien verlange zwei bis drei. Eine Senkung dieses Standards würde die Bereitschaft der Bevölkerung erhöhen, sich testen zu lassen, und es würden Testkapazitäten frei, um Infektionsherde besser isolieren zu können. Diese Lösung werde auch im ISS diskutiert. Bei einer Regierungskonferenz der Arge Alp habe es den einhelligen Wunsch (außer Bayern), einheitliche Kriterien auf europäischer Ebene zu etablieren, welche Regionen als Risikozonen zu definieren seien. Dann würde es keinen Protektionismus und keine Kirchturmpolitik mehr geben. Diesen Beschluss habe auch die Europaregion Tirol gefasst. Man wolle keine neuen Grenzen mehr und man wolle sich gegenseitig bei der Ausrüstung unterstützen. Es brauche auch grenzüberschreitende Regeln für die Skigebiete, für die Hütten u.a. Diesbezüglich sei man mit Österreich, Schweiz und anderen italienischen Regionen im Kontakt. Der Wintertourismus werde sich heuer anders gestalten; für das Apres-Ski werde es strenge Regeln geben.

Ziel aller Maßnahmen sei es, eine neuerliche Einschränkung der Wirtschaft, der Schulen und des öffentlichen Lebens zu vermeiden. Dazu müssten die geltenden Regeln nicht erweitert, sondern eingehalten werden. Sollten zusätzliche Maßnahmen nötig sein, so werde dies nicht ein Lockdown wie im März. Man werde gezielt dort eingreifen, wo es nötig sei, etwa bei den Sperrstunden.

In geschlossenen Räumen seien bis zu 200 Personen zugelassen, in offenen bis zu 500. Für höhere Zahlen brauche es eine Sondergenehmigung und ein Sicherheitskonzept. Südtirol sei als Veranstaltungsort für Wintersportwettkämpfe aufgenommen worden, man plane die Veranstaltungen derzeit mit Publikum, aber das könne sich ändern. Im öffentlichen Personennahverkehr habe man bisher wenig Probleme gehabt. Aber in letzter Zeit würden zunehmend Regelverstöße festgestellt. Hier werde man stärker kontrollieren.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) ersuchte den Landeshauptmann, die Sicherheitskräfte dazu anzuhalten, die Südtiroler Regeln anzuwenden und nicht die staatlichen. Er plädierte für eine Lösung für nicht verheiratete Paare. Für die weitere Entwicklung sei er nicht so optimistisch wie Kompatscher.

Für Josef Unterholzner (Enzian) stellte sich die Frage, ob die Epidemie oder die Gegenmaßnahmen schädlicher seien. Wer sich nicht der offiziellen Meinung anschließe, werde als Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Viele Fachleute würden vor den verschiedenen Maßnahmen warnen, auch vor die Masken, mit denen man eigenes CO2 einatme.

Paul Köllensperger (Team K) fand es sinnvoll, dass Südtirol seinen eigenen Weg gehe. Auch andere Regionen sähen das so. Er sei aber nicht so optimistisch, dass keine Anfechtung kommen werde. Bei den Schulen liege vieles im Argen, die Tests dauerten zu lange, ganze Klassen seien in Quarantäne.

Brigitte Foppa (Grüne) sah es als wichtig, den Landtag in dieser Frage zu involvieren, und kritisierte, dass der Landeshauptmann schon wieder weg sei (Aber die Landesregierung sei ansonsten zahlreich vertreten, wandte Präsident Noggler ein). Es brauche einen breiten Konsens für diese Maßnahmen. Foppa fragte nach der täglichen Testkapazität und nach Vorgaben für die Hausärzte.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sah Nachholbedarf bei der Transparenz der Daten, um Panikmache zu vermeiden. Es sei gut, wenn man die Daten so wie heute aufgeschlüsselt bekomme. Bei den Schulen sei der Fokus auf den Schutz der Betroffenen zu legen, so sei z.B. auch das Verhalten vor Schulbeginn zu beobachten. Laut Kompatscher könne der Landeshauptmann auch Verschärfungen vornehmen, diese sollten aber nur mit Einverständnis des Landtags erfolgen können.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah in den Maßnahmen der Staatsregierung keinen Zentralismus; man stütze sich auf die Empfehlungen der Wissenschaft. Er warnte davor, aus ideologischen Gründen davon abzuweichen. Ein Problem bei den Schulen sei der Schulweg in den öffentlichen Verkehrsmitteln, wo die Schüler zu eng beieinander seien.

Ulli Mair (Freiheitliche) plädierte dafür, eine Begleitung von nicht selbständigen Personen zum Arzt zu erleichtern, ebenso einen Besuch im Krankenhaus – natürlich unter Einhaltung der Sicherheitsregeln. Es sei schwer einen demenzkranken Angehörigen allein in der KH-Abteilung zu lassen.

Gerhard Lanz (SVP) betonte, dass alle nach einer Lösung in dieser schwierigen Situation suchen. Um ihren Willen zum Einvernehmen zu unterstreichen, habe die SVP bereits im Frühjahr die anderen Fraktionen kontaktiert. Die Bereitschaft bestehe nach wie vor. Jedenfalls müsse man auch eine Entscheidung treffen, nachdem alle gehört wurden.

LR Thomas Widmann zählte es zu einer der schwierigsten Situationen, dass Angehörigen nicht begleitet werden durften. LR Deeg sei beauftragt worden, eine Lösung für die Altersheime zu suchen, er werde es für die Krankenhäuser tun. Was die Transparenz der Daten betreffe, betonte Widmann, dass er die Daten immer so kommuniziere wie heute, aber das komme nicht immer so an. Das vielzitierte schwedische Beispiel sei unterm Strich ähnlich wie andere Länder; während andere Lockdown hatten, hätten sich die Schweden in dieser Zeit wenig bewegt und an die Empfehlungen gehalten. Bei den Schulen könne der Sanitätsbetrieb nicht in die Häuser der Schüler schauen bzw. ihr privates Verhalten überwachen. Viele forderten mehr Tests, aber das sei nicht immer und überall sinnvoll. Wer bereits getestet wurde, brauche einen anderen Test. Nun habe man die Testkapazitäten stark erhöht, aber es brauche auch das Personal dazu. Derzeit würden rund 2.000 PCR-Tests durchgeführt, man könne aber im Notfall auf 5.000 erhöhen. Wenn man die Testzahl flächendeckend ausweiten würde, würde die Kapazität nicht reichen. Wenn Rom die Standards ändern würde, wäre das eine große Hilfe – 14 Tage Quarantäne seien nicht nötig, nach 7 Tagen liege das Virus höchstens noch im Promillebereich und man könnte weitere Testkapazitäten für andere Einsätze sparen. Man habe 300.000 Antikörpertests bestellt, bisher seien 50.000 angekommen. Man werde hier nach Prioritäten vorgehen, z.B. bei Personal und Patienten im Krankenhaus. Eine Meldung über die Immuni App gelte als enger Kontakt und berechtige zum Test. Widmann appellierte an alle, in Rom mehr Druck zu machen, denn derzeit bewege man sich hin  zu komplizierteren Regelungen.

Von: mk

Bezirk: Bozen