Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute wieder mit den Großraubtieren und insbesondere mit den Wölfen befasst. Zur Abstimmung kam ein überparteilicher Begehrensantrag, um den Abschuss der problematischen Großraubwildtiere schnell und unbürokratisch im Bedarfsfall zu ermöglichen. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.
Begehrensantrag Nr. 52/22 Großraubwildtiere – Entnahme, schnell, unbürokratisch und mit Vernunft (eingebracht von den Abg. Unterholzner, Leiter Reber, Mair, Locher, Vallazza und Bacher am 14.11.2022): Der Landtag möge die italienische Regierung und das italienische Parlament auffordern, 1. Grundlagen zu schaffen, um den Abschuss der problematischen Großraubwildtiere schnell und unbürokratisch im Bedarfsfall zu ermöglichen; 2. eine einheitliche Gangart für die Regulierung von Großraubwildtieren für den gesamten Alpenraum zu schaffen; 3. innerhalb des EU-Rechts sämtliche Möglichkeiten der Derogation auszuschöpfen, um die geregelte Entnahme auf die Wildart „canis lupus” vor allem in den Bergregionen an die Regelungen jener europäischen Mitgliedsstaaten anzugleichen, in welchen bereits jetzt Ausnahmen vom generellen Wolfsabschussverbot gelten; 4. gesetzgeberisch eine klare Regelung zu schaffen, die bei Angriffen durch nachweislich gefährliche Wildtiere zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar zur Anwendung kommt.
Josef Unterholzner (Enzian) schickte voraus, dass die Bauern seit Jahren gegen die Risse der eigenen Haustiere kämpften. Es sei an der Zeit, dass man dies in den Griff bekomme; nicht rede, sondern Fakten schaffe. Dass es möglich sei, beweise Schweden, wo es derzeit eine Wolfoffensive gebe. Ebenso Estland. Auch diese Länder seien in der EU – deshalb sei es möglich. Er sei ein Freund der Tiere, auch des Wolfs, aber bei dieser Situation könne man nicht länger zuschauen. Er erinnerte an die Verhandlungen zum Antrag und betonte, dass der wichtigste Punkt erhalten geblieben sei. Die Wölfe hätten keinen Feind mehr, und das sei für unsere bewirtschafteten Almen untragbar. In anderen Ländern sei ein Wolfsmanagement möglich, daher müsse es auch hierzulande möglich sein. Bis jetzt habe die Politik viel zu wenig weitergebracht.
Franz Locher (SVP) wies darauf hin, dass die vielen Berghöfe in Südtirol nur mit viel Leidenschaft zu erhalten seien, und da sei der Wolf ein Problem. Er räumte ein, dass einiges bereits unternommen wurde, z.B. mit den Herdenschutzmaßnahmen, die aber nicht viel gebracht hätten. Viele Staaten in Europa hätten für sich eine Ausnahme vom generellen Abschussverbot gemacht, und eine solche Ausnahme sei auch für Südtirol gerechtfertigt. Nach den Aussagen des neuen Landwirtschaftsministers zum Thema sehe er Lichtblicke. Auf diesem Wege könne man weitergehen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) konnte an dem Antrag nur die Emotionalität teilen. Wer ein wolfsfreies Südtirol fordere, betreibe Populismus, denn der Wolf kenne keine Grenzen. Man sollte sich mehr an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Der Wolf sei sicher ein Problem für die Viehwirtschaft. Eine “unbürokratische” Entnahme könne er nicht befürworten, wohl aber ein einheitliches Vorgehen im ganzen Alpenraum. Dieser Antrag ziele auf Eindruck bei den Medien, eine wirkliche Lösung liege anderswo.
Es sei nicht nur ein emotionales Problem, entgegnete Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die Schäden für die Berglandwirtschaft seien echt. Was beim Problem oft übersehen werde, seien die Hybriden, die weniger Scheu hätten und in die Siedlungen hineingingen. Entnahme bedeute nicht immer nur “Töten”, es gebe auch andere Wege, etwa ein Wegbringen. Auch eine Sterilisierung könne ins Auge gefasst werden, vor allem bei den Hybriden. Das Problem seien die Herdenbildung und die unkontrollierten Risse. Es brauche koordinierte Maßnahmen im Alpenraum, auch für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Auf gesamteuropäischer Ebene könne man sich überlegen, wo die Wölfe hingebracht werden könnten, wo sie keinen Schaden anrichten könnten.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) unterstrich, sie komme selbst aus einer Bergbauernfamilie und der Schutz der Nutztiere sei wichtig und richtig. Sie wolle kurz dazu Stellung nehmen, was die Einbringer des Begehrensantrags getan hätten: Denn der, der gestern vorgelegen habe, habe mit dem von heute nichts mehr zu tun. Es sei ein populistischer Antrag, der aufwiegle und Ängste schüre, die nicht real seien. Sei den Bauern, die die Einbringer scheinbar vertreten wollten, auch die Wahrheit gesagt worden, was so ein Antrag in Rom bewirke? Es scheine ihr, es gehe um persönliche Werbung für die Einbringer.
Hanspeter Staffler (Grüne) erklärte, dass der Begehrensantrag in Wirklichkeit nichts Neues sage – er habe aber das Problem, dass er das Pferd von hinten aufzäume. Man befasse sich im Landtag seit Jahren mit Wolfsmanagement. Am Ende gehe es darum, Tiere zu entnehmen. Es würde aus Sicht der Grünen mehr bringen, die Landwirte dazu zu bewegen, dass die vom Land gebotenen Maßnahmen angenommen würden. So habe Landesrat Arnold Schuler unlängst berichtet, dass es kaum Anfragen zum Herdenschutz gebe. Auch die Grünen seien für Wolfsmanagement, und fänden es auch okay, wenn am Ende aller möglichen Maßnahmen ein Tier entnommen werde – doch zuerst müssten andere Schritte umgesetzt werden. Das werde aber nicht getan. Nur von Entnahmen zu reden, und das Prophylaktische, das Vorbeugende auszublenden, sei nicht in Ordnung. Das Ganze müsse wissenschaftlich-sachlich angegangen werden.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) betonte, der ursprüngliche Antrag habe eine klare politische Ausrichtung gehabt: Man sei davon ausgegangen, dass die Politik bis jetzt nichts getan habe, was aber nicht stimme. Im beschließenden Teil des Antrags fehle der Impuls, das geltende Landesgesetz zum Großraubwild umzusetzen. Es fehle auch der Zusammenhang zu den hydrogeologischen Risiken, denn ein Monitoring von Bär und Wolf sei auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Angesichts dessen, wie der Antrag zustande gekommen sei und wer ihn letztendlich unterschrieben habe, könne man schließen, dass es um einen Angriff auf den zuständigen Landesrat gehe. Der Antrag gehe also weit über das Wolfsthema hinaus.
Die Regierung Meloni habe, so Marco Galateo (Fratelli d’Italia), sich bereits ausführlich mit dem Thema befasst. Es gebe mit dem jüngsten Haushaltsgesetz auch gesetzliche Regelungen, die es ermöglichten, dass die Regionen und autonomen Provinzen vorgehen könnten, wenn Wildtiere gefährlich werden, in anderen Regionen Italiens die Wildschweine, in Südtirol die Wölfe. Das Land müsse nur entscheiden, wie es das umsetzen wolle.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) machte dem Abg. Unterholzner ein Kompliment, weil er es dank dem Abg. Locher geschafft habe, die gesamte Volkspartei auf seine Seite zu ziehen. Der Großteil des abgeänderten Antrags entspreche dem ursprünglichen. Der Abg. Staffler habe Recht: Die Regeln gebe es schon, sie müssten lediglich angewandt werden. Es stünden auch öffentliche Mittel dafür zur Verfügung. Hier gehe es nicht um den Wolf, sondern vielmehr um die nächsten Wahlen. Der Kern des Problems sei der schnellere Abschuss des Wolfes. Er sei überzeugt davon, dass der Großteil jener, die später für die Annahme des Antrags stimmen würden, dies mit Bauchschmerzen machen würden – und das halte er nicht für gut.
LR Arnold Schuler erinnerte daran, dass die heute geltenden Regelungen zu einer Zeit eingeführt worden seien, als der Wolf noch nicht so weit verbreitet gewesen sei wie heute; auch in Südtirol habe sich der Wolf ausgebreitet. Es bräuchte die Lockerung der Regelungen und vernünftige Einzelentnahmen. Doch um mittelfristig die Konflikte zu reduzieren, würden Einzelentnahmen nicht ausreichen. Auch in der Weidehaltung müssten Maßnahmen gesetzt werden. In anderen Staaten der Europäischen Union gebe es Möglichkeiten der Entnahme. Italien diskutiere den sogenannten Wolfsplan seit 2003. Im ersten Entwurf des Managementplans war die Möglichkeit der Entnahme nicht vorgesehen, er habe in der Agrarkommission die Annahme des Planes ohne Möglichkeit der Entnahme verhindert. Es gebe immer noch einige Regionen, die von Entnahmen nichts wissen möchten. Der letzte Entwurf des Managementplans sehe nun aber die Möglichkeit der Entnahme vor. Das andere sei die Umsetzung des Landesgesetzes; es sei wichtig, dass man vom Verfassungsgerichtshof Recht bekommen habe. Man sei im Gespräch, um eine Lösung zu finden, um verstehen zu können, was die Voraussetzungen sind, das wissenschaftliche Gutachten zu erhalten und das Landesgesetz umsetzen zu können. Zum Selbstschutz gebe es bereits eine Regelung, dass man intervenieren könne – der Schutz des Lebens sei vorrangig. Aber Voraussetzung dafür sei ein aggressives, gefährliches Verhalten des Tieres. Seines Wissens habe es in Italien ein solches in den vergangenen Jahren nie gegeben. Allein das sich Nähern an ein Haus oder das Durchwandern eines Gebietes reiche nicht aus. Die Wissenschaft sei sich nicht einig, ab wann man von einem Wolf rede und bis wann um einen Hybrid. Bei den Entnahmen müsse man nicht unbedingt vom Schießen sprechen, sondern auch von möglichen Umsiedlungen und Sterilisationen, wie Abg. Knoll angemerkt habe. Das seien keine wirklichen Lösungen. Denn ein so scheues und schlaues Tier wie den Wolf einzufangen, sei ein sehr schwieriges Unterfangen. Und welches Land würde einen Wolf abnehmen? Der Südtiroler Politik werde häufig vorgeworfen, sie sei bezüglich Wolfs untätig. Das stimme nicht, es habe unzählige Treffen zum Thema gegeben – nicht nur auf nationaler Ebene, sondern darüber hinaus; es gebe Maßnahmen für Hirten usw.
Unterholzner bat um namentliche und getrennte Abstimmung aller Punkte. Einige Kollegen hätten ihm wegen des Einbringens des Begehrensantrags Populismus vorgeworfen, doch er arbeite seit Oktober 2018 sachlich und für die Wähler. Die Frage sei, ob das Problem gelöst worden sei. Die Antwort sei nein. Der Antrag solle ein Beitrag zur Lösung des Problems sein. Der Abg. Nicolini habe gemeint, dass bei diesem Thema Emotionen im Spiel seien – doch es seien inzwischen fast 300 Schafe im Jahr, die in Südtirol gerissen würden. Wenn man vor toten Tieren stehe, könne man durchaus emotional sein. Der Begehrensantrag wurde in Teilabstimmungen zu den Prämissen und den einzelnen Punkten mehrheitlich (22 bis 27 Ja) angenommen.