Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 255/20: Der kleine Unterschied im Haushalt (eingebracht von den Grünen am 17.02.2020) befasst. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. mit einer neuen Sensibilisierungskampagne, einem Wettbewerb oder anderen geeigneten Maßnahmen erneut auf das Thema aufmerksam zu machen; 2. die Männer zu ermutigen, im Haushalt nicht nur „zu helfen“, sondern gleich wie die Frauen die Verantwortung dafür zu übernehmen; 3. die Frauen zu ermutigen, im öffentlichen Leben vermehrt ihre Stimme zu erheben; 4. eine Tagung oder öffentliche Veranstaltung zu organisieren, in der Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen präsentiert werden und eine weitere Öffentlichkeit für das Thema geschaffen werden kann. Die Debatte dazu hatte bereits am Vormittag begonnen.
Es sei gut, wenn die Rechte der Frauen wieder in den Mittelpunkt gestellt würden, meinte die SVP. Der Einwand, man dürfe nicht in die Privatsphäre der Familien eingreifen, sei fehl am Platz. Es gebe Normen, die hier eingreifen würden, etwa jene gegen die häusliche Gewalt. Manche hätten Angst, etwas zu verlieren, wenn sich etwas ändere.
Aus dem harmlosen Antrag sei ein emotionales Thema geworden, bemerkte das Team K. Schlussendlich gehe es um das Frauenbild, und der Landtag habe Vorbildfunktion. Hausarbeit, Pflege und Erziehung lägen größtenteils in den Händen der Frauen. Die Probleme der Frauen seien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Öffnungszeiten der Dienste, aber auch Diskussionen daheim, wie was zu erledigen sei. Um Frauen für eine Kandidatur zu gewinnen, sage man ihnen, sie bräuchten nur im Gemeinderat sitzen, ohne etwas zu tun. Jeder Schritt in die richtige Richtung sei wichtig, und der Landtag könne hier ein Zeichen setzen.
Es brauche mehr Respekt und Vertrauen innerhalb der Familie, aber die Politik solle sich nicht zu sehr ins Familienleben einmischen, meinte ein anderer Vertreter des Team K, der Enthaltung oder Gegenstimme ankündigte. Die Demokratische Partei – Bürgerlisten sprach sich für ein frauenfreundlicheres Wahlsystem aus, mit einer doppelten Vorzugsstimme wie im Trentino.
Hinter einer starken Frau stehe ein starker Mann, der die Familie unterstütze, meinte eine SVP-Vertreterin. Es verwundere, dass man heute über solche Themen diskutieren müsse. Auch der UN-Generalsekretär halte es für wirtschaftsschädigend, wenn Frauen von der Arbeitswelt ausgeschlossen würden. Die Freiheitlichen sprachen sich für gleiche Rechte und gleichen Lohn aus, aber man könne nicht behaupten, dass es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gebe. Diese Unterschiede seien erwiesen und prägten unsere Lebensweise. Manches werde durch Technik ausgeglichen, aber es gebe nach wie vor typische Berufe auf der einen und anderen Seite.
Es sei nicht ein Frauenthema, sondern eine Frage des Rollenbildes, meinte die Landesregierung, und es sei nicht unangebracht, darüber im Landtag zu diskutieren. Es stimme, dass Frauen weniger verdienten und weniger Karriere machten, weil sie sich um Haus, Pflege und Erziehung kümmerten. Der Antrag enthalte keine Vorschriften, sondern fordere eine Sensibilisierung zum Thema. Grundsätzlich könnte man dem Anliegen zustimmen. Die Landesregierung verwies aber auf die Tätigkeit des Landesbeirats für Chancengleichheit, der Sensibilisierungsmaßnahmen zu den im Antrag genannten Themen umfasse. Man werde Punkt 2 und 3 des Antrags zustimmen, wenn dabei auch das Getane berücksichtigt werde.
Die Grünen erklärten sich mit der Änderung einverstanden. Der Antrag stütze sich auf eine Erhebung des Landesstatistikinstituts, er beruhe auf Zahlen, nicht auf Eindrücken. Man wolle keinesfalls in das Privatleben eingreifen. Es gebe aber genug Kampagnen, die das Privatleben zu beeinflussen suchten – zum Rauchen, zum Fahren, zur Ernährung usw. Über die Punkte des Antrags wurde getrennt abgestimmt. Die Punkte 1 und 4 wurden abgelehnt, die Punkte 2 und 3 wurden angenommen.
Beschlussantrag Nr. 253/20: Gebärdensprache in Südtirol (eingebracht von der Südtiroler Freiheit am 17.02.2020). 1. Die Landesregierung wird beauftragt, die Südtiroler Parlamentarier in Rom dazu aufzufordern, den Änderungsantrag zur Anerkennung der Gebärdensprache dahingehend zu korrigieren, dass in der Provinz Bozen nicht die Deutsche, sondern die Österreichische Gebärdensprache anerkannt wird. 2. Die Landesregierung wird beauftragt, die Kommunikation und die Räumlichkeiten des Sanitätsbetriebes barrierefreier für Hör- und Sehbeeinträchtigte zu gestalten. 3. Die Landesregierung wird beauftragt, eine Liste der in Süd-Tirol zur Verfügung stehenden Gebärdensprachdolmetscher zu erstellen, mit dem Hinweis, welche Gebärdensprache diese beherrschen. 4. Die Landesregierung wird beauftragt, eine Liste der in Süd-Tirol zur Verfügung stehenden Pädagogen/Integrationslehrer, die die Gebärdensprache beherrschen, zu erstellen, mit dem Hinweis, um welche Gebärdensprache es sich handelt. 5. Die Landesregierung wird beauftragt, sich für die Einrichtung einer Außenstelle der ÖGLB (Österreichischer Gehörlosenbund) sowie der ÖGSDV (Österreichischer Gebärdensprach-DolmetscherInnen- und – ÜbersetzerInnen-Verband) in Süd-Tirol einzusetzen, um den Süd-Tiroler Gehörlosen bzw. Gehörbeeinträchtigten eine Anlaufstelle in ihrer Muttersprache zu garantieren.
“In Südtirol gibt es derzeit rund 400 hörgeschädigte und gehörlose Menschen – in Europa über 80 Millionen”, erklärte die Süd-Tiroler Freiheit. Gehörlose bzw. Hörbehinderte kommunizieren vorzugsweise in Gebärdensprache. Nationale und regionale Gebärdensprachen unterscheiden sich von Land zu Land. So gibt es im deutschsprachigen Raum die Deutsche Gebärdensprache (DGS), die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) sowie die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS). Außerdem gibt es noch Gebärdensprachdialekte. Der Gebärdensprachdialekt der Südtiroler ist aus kulturell-historischen Gründen nahezu identisch mit jenem der Nordtiroler bzw. Österreicher. Seit Jahrzehnten müssen diese deutschsprachigen Gehörlosen in Süd-Tirol dem italienischen, staatlichen Gehörlosenverein „ENS“ anschließen, um überhaupt einem Gehörlosen-Verein anzugehören. Die Internetseite des Gehörlosenvereins ist somit absolut diskriminierend gegenüber Gehörlosen: für italienischsprachige Gehörlose nicht lesbar und für deutschsprachige ganz und gar unverständlich. Die Anerkennung der Italienischen (IGS/LIS Lingua dei segni italiana) und der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) auf staatlicher Ebene wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Erste kleine Versuche, um dieses Ziel zu erreichen, wurden bereits unternommen. Doch leider ist den Parlamentariern in Rom, die sich für dieses Anliegen einsetzen, ein Fehler unterlaufen: Für die deutschsprachigen Gehörlosen in der Autonomen Provinz Bozen muss die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) anerkannt werden, nicht wie vorgesehen die Deutsche Gebärdensprache.
L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia wies auf den eigenen Antrag zum Thema hin und bedauerte, dass dieser nicht gleichzeitig mit dem vorliegenden behandelt werden könne. Letzterer betreffe nur die deutsche Sprache, ersterer auch die italienische Gebärdensprache und die taktile Kommunikation. Der Antrag wurde vertagt, da um 15.30 Uhr die Zeit der Mehrheit begann.