Bewegendes Schicksal

Liliana Segre könnte Ehrenbürgerin von Bozen werden

Dienstag, 12. November 2019 | 16:37 Uhr

Bozen – Bozen könnte der Senatorin auf Lebenszeit Liliana Segre die Ehrenbürgerschaft verleihen. Der Vorschlag stammt in Südtirol von der Partisanenvereinigung ANPI.

Bereits in anderen Städten Italiens wurde die Idee lanciert. Bürgermeister Renzo Caramaschi zeigte sich prinzipiell einverstanden, auch wenn in diesem Fall den Kriterien zur Erlangung der Ehrenbürgerschaft nicht ganz entsprochen werde. Die Senatorin auf Lebenszeit sei nicht in Bozen, sondern in Mailand geboren, wie Caramaschi in einem Medieninterview erklärt.

Liliana Segre stammt aus einer jüdischen Familie und wohnte bei ihrem Vater und den Großeltern väterlicherseits. Ihre Mutter war kurz nach ihrer Geburt am 10. September 1930 verstorben. Infolge der italienischen Rassengesetze von 1938 wurde ihr der Schulbesuch verboten.

Nachdem die Verfolgung der italienischen Juden immer größere Ausmaße angenommen hatte, versteckte sie ihr Vater zunächst mit falschen Dokumenten bei Freunden. Am 7. Dezember 1943 versuchte sie schließlich gemeinsam mit ihrem Vater und zwei Cousins die Flucht in die Schweiz. Die Schweizerischen Behörden verweigerten ihnen jedoch die Aufnahme und Segre wurde tags darauf in Selvetta di Viggiù in der Provinz Varese verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst 13 Jahre alt. Nach sechs Tagen Aufenthalt im Gefängnis wurde sie nach Como und schließlich nach Mailand überstellt, wo sie 40 Tage lang inhaftiert war.

Am 30. Januar 1944 wurde sie ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, das sie sieben Tage später – am 6. Februar 1944 – erreichte. Im Mai 1944 wurden auch ihre Großeltern deportiert und getötet. Die auf Segres Unterarm tätowierte Häftlingsnummer lautet 75190.

Bei der Selektion wurde Segre für die Arbeit in einem Rüstungsbetrieb ausgewählt, die sie etwa ein Jahr lang verrichtete. Während ihrer einjährigen Gefangenschaft überstand sie drei weitere Selektionen. Ende Januar 1945 musste sie im Zuge der Evakuierung des Konzentrationslagers den Todesmarsch in Richtung Deutschland aufnehmen, ehe sie im KZ Malchow, einem Außenlager des KZ Ravensbrück, am 30. April 1945 befreit wurde. Erst im August kam sie wieder nach Mailand zurück.

Die Universität Triest verlieh ihr am 27. November 2008 den Ehrendoktortitel der Rechtswissenschaft. Zur Senatorin auf Lebenszeit wurde sie vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella am 19. Januar 2018 ernannt.

Die heute 89-Jährige ist besonders an Schulen und Universitäten als Zeitzeugin unterwegs. Im Herbst 2019 wurde sie laut Medienangaben angesichts zahlreicher antisemitischer Hass-Nachrichten unter Polizeischutz gestellt und erhielt Solidaritätsbekundungen durch mehrere Politiker im römischen Parlament. Auch die Autonomiegruppe im Senat, zu der die SVP gehört, bekundete ihre Solidarität für Segre.

Von: mk

Bezirk: Bozen