Von: luk
Bozen – Der Landtag ist heute zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengetreten, unter Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen, die wegen der Epidemie auferlegt wurden. Landtagspräsident Josef Noggler ersuchte darum, dass nur ein Abgeordneter pro Fraktion in der Generaldebatte Stellung nehmen solle, um die Sitzung so kurz wie möglich zu halten.
Erster Punkt auf der Tagesordnung war der Landesgesetzentwurf Nr. 49/20 – Änderungen zum Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen für die Finanzjahre 2020, 2021 und 2022 und andere Bestimmungen.
LH Arno Kompatscher erklärte eingangs, dass die Landesregierung zum Entwurf, wie er vom Gesetzgebungsausschuss des Landtags genehmigt wurde, fast nur Änderungsanträge mit sprachlichen Korrekturen eingebracht habe. Inhaltlich von Bedeutung sei ein Antrag, mit dem zusätzliche Einnahmen von 300 Mio. Euro in den Haushalt eingetragen würden. Das Geld dafür komme entweder von Verhandlungen mit Rom zur Finanzautonomie oder von einer Kreditaufnahme. Eine weiterer Änderungsantrag betreffe die Raumordnung: Wegen der Verschiebung der Gemeindewahlen und der Schwierigkeit, Baukommissionssitzungen abzuhalten sollen die Baukommissionen weiter im Amt bleiben und alle vorliegenden Projekte noch nach bestehendem Recht behandelt werden.
Kompatscher erinnerte dann an die verschiedenen Maßnahmen, die im Gesetzentwurf vorgesehen sind. Diese betreffen unter anderem Unterstützung für Kulturvereine, Präzisierungen zur Raumordnung (keine Kommissionssitzung, wenn positive Gutachten und keine Einwände vorliegen), die Förderung der Innovation bei Maßnahmen zur Energieeinsparung, die Ausweitung der Wirtschaftsförderung für Kleinbetriebe auf alle Sektoren (auch Landwirtschaft und Urlaub auf dem Bauernhof), begünstigte Darlehen und Kapitalbeiträge für Betriebe bis zu fünf Mitarbeitern, Erleichterung der Vergabeverfahren während der Krise, Aussetzung von KFZ- und Gemeindesteuern, Ausweitung des bilateralen Solidaritätsfonds auf Kleinbetriebe, eine Art Lohnausgleich für Menschen mit Behinderung, die während der Krise nicht mehr an Arbeitsprojekten teilnehmen können, eine Prämie (oder Sonderurlaub) für Mitarbeiter an der Corona-Front, mehr öffentliche Beteiligung beim Ausbau des Breitbandnetzes, Zinszuschüsse für Familien, die Verlängerung von Baurechtstiteln und Zweckbindungskontrollen bis Jahresende.
Gert Lanz (SVP) bat um Verzicht auf weitere Änderungen und Tagesordnungen. Die Bevölkerung warte auf diese Maßnahmen, daher sollte man sie nicht verzögern. Es seien bereits viele Vorschläge aus dem Landtag eingeflossen. Die SVP verzichte auf weitere Stellungnahmen in der Debatte.
Damit zeigte sich Brigitte Foppa (Grüne) nicht einverstanden. Der Landtag sei jetzt lange Zeit ausgesetzt gewesen, und nun solle er so wichtige Maßnahmen einfach durchwinken. Man sei es der Demokratie schuldig, dieses Gesetz ausführlich zu besprechen. Immerhin würden da 300 Mio. hinzugefügt, über deren Verwendung man noch nichts wisse. Es sei auch Aufgabe der Opposition, dass alle Bevölkerungsgruppen vertreten seien. Und wenn niemand kontrolliere, mache die Landesregierung mehr Fehler. Zum Beispiel seien in dieser Krise kaum die Frauen zu Wort gekommen, welche in dieser Zeit die Hauptlast tragen würden. In dieser Krise ändere sich auch die Gesellschaft, und es kämen viele Probleme zutage, auf die die Politik eingehen müsse. Foppa sprach sich auch gegen eine zu rasche Einberufung der Gemeindewahlen aus. Zu dieser Krise sollte die Bevölkerung nicht nur den Landeshauptmann und seine Mitarbeiter hören, sondern das ganze politische Spektrum.
Auch Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) sprach sich für eine vollständige Debatte aus. Da es auch um die Phase zwei gehe, sei eine politische Diskussion nötig.
Der Meinung schloss sich auch Paul Köllensperger (Team K) an, immerhin sei der Landtag das direkt von der Bevölkerung gewählte Organ. Der Wirtschaft entstehe durch diese Krise ein enormer Schaden, und damit entgehe auch Geld zur Finanzierung der Sanität. Man sehe mit Angst, wie in Rom verfassungsmäßige Rechte einfach ausgesetzt würden. Man sehe psychologische und soziale Probleme, auch Denunziantentum. Man müsse aufpassen, dass diese Schäden nicht schlimmer würden als die gesundheitlichen. Man habe von Anfang an Zusammenarbeit angeboten und sei erstaunt über den Vorwurf mangelnder Zusammenarbeit. Das meiste von den Maßnahmen habe man aber aus den Medien erfahren müssen. Köllensperger kündigte aber einen weiteren Vertrauensvorschuss an. Der Landtag sei spät einberufen worden, aber es sei begrüßenswert, dass man nun eine gesetzliche Grundlage für die Hilfsmaßnahmen schaffen könne. Einige Vorschläge des Team K seien in die Maßnahmen eingeflossen. Gemeindewahlen im September wären eine Zumutung, an Ferragosto könne man schlecht Wahlkampf machen. Südtirol tue einiges zur Krise, man könne aber mehr tun, auch bei den Corona-Tests. Man werde diesem heutigen Vorschlag zustimmen, aber ab morgen dürfe es keine Ausreden mehr geben.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore- Fratelli d’Italia) betonte, dass er die Landesregierung in dieser Krisenzeit voll unterstützen werde, auch wenn er nicht immer mit allem einverstanden sei. Daher werde er sich bei der Artikeldebatte der Stimme enthalten und dann für den Gesetzentwurf stimmen. Ihm gehe es darum, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich greifen. Die bisherige Handhabung der Krise sei konfus gewesen. Es seien keine Treffen und Versammlungen möglich, und die Demokratie leide unter der Absenz der Opposition. Urzì erinnerte auch an die Maskenaffäre und auch an die Schlauchtücher, die keinen Schutz böten, aber auch hier im Landtag getragen würden. Er habe aber angesichts der Zeiten auf den Rechtsweg verzichtet. Kritisch sah er auch die ständige Anlehnung an das österreichische Modell, während man dem Trentino die kalte Schulter gezeigt habe. In dieser Krise seien viele Fehler gemacht worden, die übereilte Eröffnung eines neuen Krankenhauses, die Festlegung der Gemeindewahlen auf den September, als ob es nicht andere Probleme gäbe, die Differenzen zwischen Stadt und Land, eine Pressekonferenz mit Sen. Steger, konfuse Verordnungen, eine ungenügende Zahl von Tests. Ein Drittel der Todesfälle hätten die Altenheime zu verzeichnen, die Ursachen dafür müssten geklärt werden. Der Landtag solle nun blind über 300 Mio. abstimmen, deren Verwendung man noch nicht kenne. Im März habe man von einem Hilfspaket von 4 Milliarden gesprochen, der vorliegende Gesetzentwurf sehe weit weniger vor.
Niemand sei zu beneiden, der in dieser Chaosphase Entscheidungen treffen musste, meinte Hanspeter Staffler (Grüne). Alle würden Menschen kennen, die von der Krise schwer betroffen wurden, alle würden sehen, wie die Wirtschaft heruntergefahren wurde. Auch demokratiepolitisch gebe es Bedenken, auch wenn man in Krisenzeiten schnelle Entscheidungen für akzeptabel halte. Der Vorschlag zur Beschränkung der Debatte wäre akzeptabel,, wenn es um den Entwurf gegangen wäre, wie er den Gesetzgebungsausschuss verlassen habe, wenn nicht der Landeshauptmann heute weitere 300 Mio. ins Spiel gebracht hätte. Staffler forderte den Rückzug dieser Änderung. Nur so könne man dem Entwurf zustimmen.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bezeichnete die Situation angesichts der vielen Toten als dramatisch. Dies rechtfertige ein besonderes Verfahren, und die Opposition habe dafür auch Verständnis gezeigt. Der Lockdown sei zu begrenzen, es müsse andere Wege geben. Die Landesregierung hätte die Zeit dafür nutzen können, um Bevölkerung und Wirtschaft ein nachvollziehbares Ausstiegsszenario zu bieten. Man müsse auch sagen, wie man die gefährdeten Bevölkerungsgruppen schützen wolle. Auch für den Tourismus brauche es Konzepte, denn dieser werde lange Zeit betroffen sein. Der Landeshauptmann sein in dieser Krise Angestellter von Rom, er könne nicht den deutschen oder österreichischen Modell folgen, auch wenn er es möchte. Südtirol könnte Schulden von 2-3 Milliarden stemmen, wenn uns morgen der Staat nicht mit weiteren Steuern belasten würde, wenn man selber über die Steuern bestimmen könnte. Leiter Reber fragte, ob die 300 Mio. im Lande blieben oder ob man sie Rom zurückzahlen müsse. Viele Folgen der Krise würden sich erst gegen Jahresende zeigen, auch deswegen brauche es einen Plan B.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte Stimmenthaltung an. Die Gelder zur Unterstützung müssten endlich fließen. In anderen Ländern habe die Krise später angefangen als bei uns, aber die Krisenmaßnahmen früher. Südtirol müsse mehr Eigenständigkeit erlangen, um rascher reagieren zu können. Die Betriebe, die heuer keine Einnahmen hätten, könnten in Zukunft auch kaum die Darlehen zurückzahlen. Für diese Branchen brauche es besondere Hilfsmaßnahmen, Geld, nicht Kredite. In dieser Krise seien Dinge geschehen, die man nicht durchgehen lassen könne. Daher wolle man auch nicht einfach allem zustimmen. Bei den geplanten Maßnahmen wisse man nicht, ob sie nur ein Tropfen auf dem heißen Stein seien. Im Tourismus, der stark von der Krise betroffen sei, sollte man einen eigenen Weg gehen, zusammen mit Tirol.