Menschen zeigen bei Nawalny-Begräbnis Mut - VIDEO

Mehr als 400.000 Trauernde – über 100 Festnahmen

Samstag, 02. März 2024 | 10:57 Uhr
Update

Moskau – Trotz massivem Polizeiaufgebot und Repressionen sind Tausende Menschen in Moskau zur Beerdigung von Kremlgegner Alexej Nawalny gekommen. Die Trauerbekundungen schlugen zwischenzeitlich in offene Anti-Kreml-Proteste und Anti-Kriegs-Proteste um – der ersten derartigen Kundgebung seit langer Zeit in diesem Ausmaß. Vor der Beerdigung hat die Sprecherin von des toten Kreml-Kritikers, Kira Jarmysch, von 400.000 Besucherinnen und Besuchern auf der Trauerfeier gesprochen. Die Zahl der Teilnehmer könnte im Verlauf der Zeremonie sogar noch angestiegen sein.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, auf dem Platz vor der Kirche waren Absperrungen aus Metall aufgebaut. Die Bürgerrechtsplattform OWD-Info schrieb am Freitagabend von 128 Festnahmen in 19 Städten. “In jedem Polizeirevier können mehr Festgenommene sein als in den veröffentlichten Listen”, heißt es zudem. In den meisten Fällen wurden die Betroffenen nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt. Die meisten Festnahmen gab es demnach in der sibirischen Millionenstadt Nowosibirsk. Dort seien mindestens 31 Personen in Gewahrsam genommen worden, berichtet OWD-Info. In der Ural-Metropole Jekaterinburg hat die Polizei weitere 19 Menschen festgenommen. In Moskau sollen es 17 Personen sein, davon müssten drei die Nacht auf dem Revier verbringen, heißt es.

Angehörige nahmen am offenen Sarg in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone “Lindere mein Leid” im südöstlichen Bezirk Marjino Abschied. Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Der Sarg wurde dann zur Beerdigung auf dem Borissowskoje-Friedhof transportiert. Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied “My way”. Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde.

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme in Russland riskieren. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Nawalnaja würdigte ihren Mann kurz nach dessen Beerdigung am Freitag auf X und dankte ihm für “26 Jahre absolutes Glück”. Sie schrieb: “Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes tun, um dich dort oben für mich glücklich und stolz auf mich zu machen. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, aber ich werde es versuchen.”

Trotz eines Großaufgebots von Polizei und anderen uniformierten Sicherheitskräften, viele von ihnen maskiert, war der Andrang riesig. Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen. Der braune Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone “Lindere mein Leid” im südöstlichen Bezirk Marjino getragen. Er wurde dann zur Beerdigung transportiert, die für 16.00 Uhr auf dem Borissowskoje-Friedhof geplant war.

APA/APA/AFP/ALEXANDER NEMENOV

Die Trauer um Alexej Nawalny hält auch Stunden nach seiner Beerdigung an. Laut dem Nachrichtenportal Meduza bleibt der Friedhof im Süden Moskaus weiterhin zugänglich. Obwohl die vorgesehene Schließzeit 17.00 Uhr war, wurde sie nicht eingehalten.

Offener Protest gegen Putin

Menschen protestierten offen gegen Putin. “Russland ohne Putin!”, “Putin ist ein Mörder!”, “Russland wird frei sein!” und “Nein zum Krieg!” skandierten Menschen im Chor, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur am Freitag berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf YouTube Tausende Menschen, die hinter Absperrungen aus Metallgittern auch “Nawalny, Nawalny, Nawalny” riefen. Sie skandierten: “Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht”. Einige riefen auch: “Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.” Viele der Aussagen stammen von Nawalny, die in Freiheit einst Zehntausende Menschen zu Protesten gegen den Kreml auf die Straße gebracht hatte. Die Mitarbeiter Nawalnys riefen die Menschen auf, Ruhe zu bewahren.

Nach Angaben von OWD-Info wurden seit Nawalnys Tod bereits 400 Menschen bei Trauerkundgebungen für den Kreml-Kritiker festgenommen. Nawalny setzt den Machtapparat auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des Oppositionsführers gegen den Kreml-Chef protestieren könnten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte am Freitag, dass jeder Bürger die Verantwortung trage für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße. Zugleich antwortete er auf die Frage eines russischen Journalisten, ob der Kreml etwas zum Tod Nawalnys zu sagen habe: “Nein, nichts.”

Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys sowie Menschenrechtler werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen oder zumindest durch die schweren Haftbedingungen praktisch zum Tode verurteilt, um den Regimekritiker aus dem Weg zu räumen. Der Kreml weist das zurück. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von “natürlichen” Ursachen die Rede.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen “Polarwolf” in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein.

Auch am Samstag Trauernde am Grab

Nach der Beerdigung am Freitag haben sich auch am Samstag zahlreiche Menschen an Nawalnys Grab Abschied genommen – trotz eines Polizeiaufgebots am Friedhof. Die Polizei ließ die Trauernden ungehindert am Grab verweilen, berichten unabhängige russische Medien.

Einen Tag nach der Beisetzung des russischen Oppositionellen hat dessen Mutter sein Grab am Samstag ebenfalls erneut besucht. Ljudmila Nawalnaja erschien am Morgen in Begleitung der Schwiegermutter ihres Sohnes an der mit Blumen und Kränzen bedeckten Grabstätte auf dem Borisowski-Friedhof im Süden Moskaus.

Russland lehnt “unabhängige Untersuchung” von Nawalny-Tod ab

Einer unabhängigen Untersuchung zur Todesursache von Nawalny erteilte Russland unterdessen eine Absage.

“Die Forderungen nach ‘transparenten, unabhängigen Untersuchungen’ erachten wir als nichts anders als eine grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten unseres Landes”, sagte der russische Diplomat Aleksandr Wolgarjow. Besorgnis von “Staaten der westlichen Allianz” in Bezug auf russische Ereignisse oder auch das Schicksal von anderen Verbrechern in Russland bezeichnete er als “heuchlerisch”.

Von: mk

Kommentare
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fingerzeig
fingerzeig
Superredner
2 Monate 15 Tage

bei 400.000 anwesenden… über 100 verhaftet? würde wohl bei einer xbeliebigen großveranstaltung auch passieren-egal wo…

Goennenihrwichtigtuer
Goennenihrwichtigtuer
Universalgelehrter
2 Monate 15 Tage

Jo wia por kommunistischen Jahres Hauptversammlung es gonz Volk in Nord Korea ohne Messerstechereidn zusammen in Frieden und Freiheit zusammen feiern.. 🤩 super mochn se des… 🤭 nützlicher idiot ober dass es kuane Opposition mehr gib da entweder tot oder im knost oder aufn Schlachtfeld oder im Ausland unterschlogsch oder wos? 🤦‍♂️

Doolin
Doolin
Kinig
2 Monate 15 Tage

…N.G. hat ein gutes Wort eingelegt…

So ist das
2 Monate 15 Tage

Der Diktator bangt um seine Macht und vielen unterstützen ihn dabei 😳

Hustinettenbaer
2 Monate 15 Tage

Ganz schön mutig. 
Die Teilnehmer wissen, dass Filmaufnahmen gemacht werden. 
Außerdem können “Trauernde” FSBler sein.

ebbi
ebbi
Kinig
2 Monate 15 Tage

Diese Bilder werden dem Putler aber gar nicht bekommen.

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