Von: mk
Bozen – Die Arbeiten im Plenum des Landtags sind am Nachmittag mit der Behandlung des Beschlussantrags Nr. 700/23 Recht auf Mehrsprachigkeit im Bildungssystem des Landes – eingebracht von der grünen Fraktion – fortgesetzt worden.
Der Landtag möge laut Antrag die Landesregierung beauftragen, 1. sicherzustellen, dass das Recht auf freie Schulwahl laut Verfassung auch in Zukunft für Schüler:innen und deren Eltern gewährt ist; 2. Projekte mehrsprachigen Unterrichts immer dann zuzulassen, zu unterstützen und zu fördern, wenn eine festzulegende Mindestanzahl an Eltern (z. B. 14 für den Kindergarten, 15 für die restlichen Schulstufen) ihre Kinder in eine entsprechende Abteilung einschreiben; 3. Projekte mehrsprachigen Unterrichts dauerhaft wissenschaftlich zu begleiten; 4. „Didaktik der Mehrsprachigkeit“ in der Ausbildung des Lehrpersonals sowie der pädagogischen Fachkräfte vorzusehen; 5. „Didaktik der Mehrsprachigkeit“ in den Fortbildungen des Lehrpersonals und der pädagogischen Fachkräfte vorzusehen; 6. die Durchlässigkeit der Schulsysteme (deutsch und italienisch) zu verbessern und das Wechseln von der Rangliste des einen Systems in das jeweils andere durch die Zusammenarbeit der jeweiligen Schulämter zu erleichtern; 7. In der Landesgesetzgebung und der Beschließungstätigkeit der Landesregierung zum gesamten Thema der Sprachdidaktik in Südtirol neben dem Konzept der „Muttersprache“ auch das Konzept der mehrfachen Muttersprache oder „Muttersprachen“ zu berücksichtigen.
Der Antrag war in der April-Sitzung des Landtags bereits andiskutiert worden. Aufgrund dieser Stellungnahmen, erklärte Einbringerin Brigitte Foppa (Grüne), habe man Änderungen am Antrag vorgenommen. Sie habe bei der Diskussion bemerkt, dass der Vorschlag im Antrag Emotionen geweckt habe, insbesondere der Begriff der Muttersprache – deshalb habe sie den von ihr verwendeten Begriff Erstsprache mit Muttersprache ersetzt. Sie wolle ergänzen, dass es – gerade in unserem Land – möglich sei, dass Personen mehrere Muttersprachen hätten.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) zeigte sich mit dem Antrag einverstanden, wenn er auch etwas verwässert und auf das Minimum reduziert sei. Man spreche von Mehrsprachigkeit, doch wisse man, dass in der Praxis die italienische Sprachgemeinschaft mehr darunter leide. Es war auch die Rede von denjenigen, die in der Mehrsprachigkeit die “Schlauen” spielten. Es bestehe das verfassungsmäßige Recht, die Schulsprache zu wählen, die man bevorzuge. Wenn italienische Eltern ihre Kinder in die deutsche Schule einschreiben, dann sei das ein Recht. In den italienischen Schulen gebe es bereits verschiedene Projekte, auch mit CLIL. Er habe jahrelang dafür gekämpft, dass bei den Lehrkräften der italienischen und deutschen Schulen Angleichungen gemacht würden, denn wenn man zwei verschiedene Ausbildungs- und Anstellungssysteme habe, sei es schwierig.
Alex Ploner (Team K) zeigte sich verwundert über die Aussagen von Landesrätin Deeg, die im ersten Teil der Diskussion gesagt habe, dass hier Personen zur Schule sprächen, die selbst nie in einer Klasse gestanden hätten. Doch er spreche hier als Vater, als gewählter Abgeordneter u.v.m. Es gehe nicht um Deutsch gegen Italienisch, es gehe darum, dass man in Südtirol ein schlechtes Niveau der Sprachvermittlung habe – das müsse man ändern. Das Modell der europäischen Schule, dass das Team K vorgeschlagen habe, sei ein Modell der Stärkung der Muttersprache. Die Eltern könnten die Schule frei wählen. Das Team K werde dem Antrag zustimmen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) berichtete, dass die ladinische Schule, die immer als Vorzeigemodell präsentiert werde, ein schlechtes Beispiel sei. Ihm sei nämlich – wie dem Abg. Ploner auch – berichtet worden, dass die Ladiner immer schlechter Deutsch sprechen würden. Der Antrag werde nun in Zuckerwatte gepackt; dennoch gelte es im Landtag die Muttersprache zu verteidigen. Es gehe darum, die Frage zu stellen: Wie können die Kinder in unseren Schulen mehrere Sprachen lernen, ohne dass dies auf Kosten der Muttersprache geht? Man könne Südtirol nicht mit Schulsystemen in homogenen Sprachgebieten vergleichen. Was bedeute es im Detail, wenn es eine gemischtsprachige Schule gebe? Wo höre dies auf, bei Deutsch, Italienisch und Ladinisch oder gehe es auch weiter zu Arabisch und anderen Sprachen? Welche Schule wolle man in Südtirol? Man müsse aufhören, die deutsche Schule in Südtirol schlechtzureden. Jeder habe die Möglichkeit, mehrere Sprachen zu lernen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) erklärte, er verstehe, dass bald Wahlen seien und dass alles etwas hochgeschaukelt werde. Auch die Landesregierung solle ein eine Tagung zur Zukunft der Schule veranstalten. Denn die Umstände hätten sich geändert: Es gebe Kinder, die sich in beiden Kulturen beheimatet fühlten – das werde verschwiegen. Eine der Richtungen, die eingeschlagen werden könnten, sei in der Rahmenkonvention der EU zum Schutz der nationalen Minderheiten enthalten. Demnach zählt das Recht auf Schutz zu den Menschenrechten. Das Recht auf muttersprachlichen Unterricht sei garantiert und werde mit diesem Antrag auch nicht abgesprochen, sondern es solle eine zusätzliche Möglichkeit geboten werden für jene, die es wollten. Es gebe auch andere Gruppen, die das Recht hätten, ihre Bedürfnisse auszudrücken, diese dürften nicht vergessen werden.
Es sei einiges gesagt worden, das er teilen könne, anderes nicht, schickte LR Philipp Achammer voraus. Er habe ein Problem damit, wenn bei der Schule in jüngerer Zeit immer mehr eine “Bestellmentalität” vorherrsche. In Bezug auf die Sprache scheine ihm, dass in dieser “alten” Diskussion an der Realität im Land vorbeidiskutiert werde. Die Erfahrung der Vergangenheit habe gezeigt, dass ein Mehr nicht unbedingt ein besseres Resultat bringe. Aufgrund von Studienergebnissen habe es Anpassungen gegeben. So seien die Rahmenrichtlinien geändert worden; die Konversation stehe im Mittelpunkt. Es gebe, wenn man von der deutschen Schule spreche, einen erheblichen Mangel an Zweitsprachen-Lehrkräften; man habe versucht, darauf zu reagieren. Man müsse immer die Realität vor Ort anschauen. Im Bildungsbereich seien manche Zyklen sehr langsam; wenn heute die Ausbildung geändert werde, dann sei das erst in einigen Jahren ersichtlich. Die freie Schulwahl – wie in Punkt 1 gefordert – sei bereits gegeben. Es gebe auch bereits Projekte, die wissenschaftlich begleitet würden. Man müsse weiterhin an der Qualität des Unterrichts arbeiten.
Landesrat Giuliano Vettorato unterstrich, dass er sich für die freie Schulwahl eingesetzt habe. Was die Mehrsprachigkeit in der italienischen Schule anbelange: Es sei ein Minimum von 6 Stunden pro Woche vorgesehen, doch 98 Prozent der Schulen erhöhten das Pensum – zum Teil erheblich. Auch das Pensum des Englischunterrichts sei in vielen Fällen höher als das vorgesehene Minimum. Es gebe auch Sprachkurse für die Lehrpersonen, auch um auf die Bedeutung der Mehrsprachigkeit hinzuweisen. Die wissenschaftliche Begleitung durch Universität und Eurac gebe es.
Brigitte Foppa (Grüne) betonte an LR Achammer gerichtet, dass ihr Vorschlag nicht die Lösung der Probleme des Schulsystems sei, sondern den Wünschen der Eltern entspreche. Es gebe zwar mehrsprachige Lehrer, aber für diese sei es schwierig, die Schule zu wechseln, deshalb spreche sie in ihrem Antrag von Durchlässigkeit. Sie habe viele Jahre in der Schule als “Supplentin” gearbeitet, dabei habe sie viel gelernt und der Schule einiges gegeben – es habe sich nie die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Wettbewerb ergeben. In diesem Sinne fände sie es nicht korrekt, wenn die Landesrätin sage, dass man nur als Lehrperson mit Lehrbefähigung etwas zur Schule sagen könne. Das sei auch eine Herabwürdigung aller Supplenten an den Schulen. Abschließend verwies sie auf eine Petition zur mehrsprachigen Schule, die von vielen Menschen unterzeichnet worden sei. Der Antrag wurde mit elf Ja und 20 Nein abgelehnt.