Von: APA/dpa
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat kurz vor Beginn des Bündnisgipfels in Den Haag für eine zügige Umsetzung der geplanten neuen Zielvorgabe für Verteidigungsausgaben geworben. Die Geschwindigkeit, mit der sich Russland militärisch neu aufstelle, sei “wirklich atemberaubend und beängstigend”, sagte Rutte bei einer Fragerunde am Dienstagnachmittag in Den Haag. Wenn man sich nicht darauf vorbereite, werde man sich in drei bis fünf Jahren nicht mehr verteidigen können.
Als einen Bereich, in dem die NATO aufholen muss, nannte Rutte die Kapazitäten für die Produktion von Artilleriemunition. Die Russen produzierten derzeit in drei Monaten so viel, wie die gesamte NATO in einem Jahr – obwohl ihre Wirtschaft 25-mal kleiner sei, sagte er. Dies könne langfristig nicht so weitergehen. Wenn man Krieg verhindern wolle, müsse man investieren.
Ist 2035 zu spät?
Rutte äußerte sich vor dem Hintergrund, dass Länder wie Italien und Großbritannien durchgesetzt haben, dass als Frist für die Erfüllung des neuen NATO-Ziels für die Verteidigungsausgaben das Jahr 2035 gelten soll. Rutte selbst hatte ursprünglich 2032 vorgeschlagen.
Die neue NATO-Vorgabe soll an diesem Mittwoch beim Gipfeltreffen von den Staats- und Regierungschefs formell beschlossen werden. Sie sieht vor, die jährlichen verteidigungsrelevanten Ausgaben der Bündnisstaaten auf mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Ein Betrag von mindestens 3,5 Prozent des BIP soll dabei auf klassische Militärausgaben entfallen.
Zudem werden zum Beispiel Ausgaben für die Terrorismusbekämpfung und militärisch nutzbare Infrastruktur angerechnet werden können. Das könnten etwa Investitionen in Bahnstrecken, panzertaugliche Brücken und erweiterte Häfen sein. Derzeit sieht das NATO-Ziel für die Verteidigungsausgaben lediglich jährliche nationale Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des BIP vor.
Rutte will für Ukraine Brücke zum NATO-Beitritt
Vor Beginn des Gipfels hat Rutte versucht, ukrainische Sorgen vor einem Rückgang der alliierten Unterstützung zu zerstreuen. Bei dem Treffen seien bedeutende Entscheidungen für das von Russland angegriffene Land geplant, sagte der Niederländer zur Begrüßung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Tagungsort. Diese bauten auf den Beschlüssen des Gipfels im vergangenen Jahr in Washington auf, wo man festgehalten habe, dass der Weg der Ukraine hin zu einer NATO-Mitgliedschaft unumkehrbar sei. Die Brücke dahin baue man derzeit, betonte er.
Selenskyj sagte, er sei Rutte dankbar für die Einladung und die Erwähnung der Gipfelbeschlüsse von Washington. Es sei wichtig, dass diese Richtung beibehalten werde. Der ukrainische Präsident spielte damit darauf an, dass die Perspektive der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft in der für den Abschluss des diesjährigen Gipfels vorbereiteten Erklärung nicht erwähnt wird.
Eine Erwähnung der ukrainischen Ambitionen auf den Bündnisbeitritt, und der grundsätzlichen Offenheit der NATO dafür, konnte wegen des Widerstands von US-Präsident Donald Trump nicht wiederholt werden. Dieser hofft noch immer darauf, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch durch Zugeständnisse an Kremlchef Wladimir Putin zu beenden.
Selenskyj nur bei Essen mit dabei
Ebenfalls auf US-Wunsch hin wurde Selenskyj nur zu einem Festessen im Schloss des niederländischen Königs Willem-Alexander und nicht zu einer gemeinsamen Arbeitssitzung zum Gipfel eingeladen. Darüber verhinderte Washington eine konkrete NATO-Zusage für neue Militärhilfen. Beim Gipfel im vergangenen Jahr hatten die Alliierten Sicherheitsunterstützung im Wert von 40 Milliarden Euro für das Jahr versprochen und am Ende sogar rund 50 Milliarden Euro bereitgestellt.
Trump übernachtet im königlichen Palast
Trump wird unterdessen während des NATO-Gipfels Gast des niederländischen Königspaares sein und im königlichen Palast übernachten. Das teilte der Hof in Den Haag mit. Der König habe den Präsidenten eingeladen, und dieser habe die Einladung angenommen. Das Weiße Haus hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass Trump am Mittwoch in dem Palast gemeinsam mit dem Königspaar frühstücken werden.
Trump sollte am Dienstagabend am Amsterdamer Flughafen Schiphol landen und von dort aus direkt zum Palast im Den Haager Stadtwald gebracht werden. Zunächst hieß es, dass Trump in einem Hotel im Strandbad Noordwijk übernachten werde.
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