Von: APA/AFP/Reuters/dpa
Ein neuer Entwurf des US-Plans zur Beendigung des Ukraine-Kriegs enthält laut einem ukrainischen Unterhändler viele “wichtige Prioritäten” seines Landes. “Die aktuelle Fassung des Dokuments, die sich zwar noch in der Endphase des Genehmigungsprozesses befindet, spiegelt bereits die meisten der wichtigsten Prioritäten der Ukraine wider”, so der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats, Rustem Umerow am Sonntag. Indes lag ein europäischer Gegenvorschlag zum US-Plan vor.
Umerow äußerte sich auf Facebook nach mehreren Gesprächsrunden in Genf, wo Regierungsvertreter der Ukraine, der USA und europäischer Staaten über den von Washington vorgelegten Plan berieten. Neben US-Außenminister Marco Rubio und dem Sondergesandtem Steve Witkoff saßen der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak und die außenpolitischen Berater der sogenannten E3-Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – mit am Tisch.
Die USA hatten vor wenigen Tagen einen 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorgelegt. Dieser kam Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen und überschritt von Kiew seit langem formulierte rote Linien. So verlangte er von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen NATO-Beitritt. Sowohl die Ukraine als auch die europäischen Unterstützer des Landes hatten vehement Nachbesserungen an dem US-Plan gefordert. Diese Forderungen waren Gegenstand der Beratungen in Genf.
Rubio kündigt Änderungen an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb in Onlinediensten, dass die “amerikanischen Vorschläge eine Reihe von Elementen enthalten könnten, die auf ukrainischen Perspektiven basieren und für die ukrainischen nationalen Interessen von entscheidender Bedeutung sind”. Jermak und Rubio sprachen am frühen Abend von einem “guten Fortschritt” in Genf und betonten, dass die Verhandlungen auch am späten Abend weitergingen.
Rubio kündigte nach den Verhandlungen Änderungen des Friedensplans an. Man habe ein “sehr gutes Arbeitsergebnis erzielt, das auf den Beiträgen aller beteiligten Parteien” basiere, sagte der US-Außenminister. Laut Jermak bewege man sich auf einen gerechten und dauerhaften Frieden zu. Endgültige Entscheidungen werden seinen Angaben nach “unsere Präsidenten” treffen.
Rubio sagte, dass nun die Differenzen mit Russland verringert und eine Lösung ausgearbeitet werden sollen, mit der sowohl die Ukraine als auch die USA zufrieden wären. Er zeigte sich zuversichtlich, dass Trump am Ende sein Einverständnis für den neuen Plan geben werde.
Selenskyj dankte den USA und Präsident Donald Trump für Bemühungen um ein Ende des Krieges. Zuvor hatte Trump der Ukraine vorgeworfen, sie habe “null Dankbarkeit” für die US-Hilfe gezeigt. Selenskyj dankte auch den Europäern sowie den G7- und G20-Staaten für ihre Hilfe.
Europäischer Gegenvorschlag zum US-Friedensplan
Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben einen Gegenvorschlag zum US-Friedensplan für die Ukraine vorgelegt, der zentrale Punkte Washingtons ablehnt. Dies geht aus einem Dokument der sogenannten E3-Staaten hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. So soll die ukrainische Armee in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden und nicht pauschal auf 600.000, wie es der US-Plan vorsieht. Zudem sollen Verhandlungen über einen Gebietsaustausch an der derzeitigen militärischen Kontaktlinie beginnen. Damit wird die US-Forderung zurückgewiesen, bestimmte Gebiete als “faktisch russisch” anzuerkennen.
Auch bei der Verwendung der im Westen eingefrorenen russischen Vermögenswerte wurden die ursprünglichen US-Vorschläge deutlich abgeändert. Die Europäer wollen, dass die Gelder eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden in der Ukraine kompensiert hat. Der US-Plan sieht dagegen vor, 100 Milliarden Dollar (868 Mrd. Euro) in einen von den USA geführten Wiederaufbaufonds zu investieren, wobei die USA die Hälfte der Gewinne erhalten würden. Die Ukraine soll Sicherheitsgarantien der USA in Anlehnung an Artikel 5 der NATO erhalten.
Merz hofft auf neue Dynamik
Bei dem Vorstoß für eine Teil-Umsetzung eines US-Friedensplans handelt es sich nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen nicht um einen persönlichen Vorschlag von Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz, sondern um eine abgestimmte Position von Europäern und der Ukraine. Der Kanzler habe “sich im Rahmen der Vorbereitung der europäischen und ukrainischen Verhandlungsposition intensiv eingebracht”, hieß es am Rande des G20-Gipfes in Johannesburg. Diese Position sei nun abgestimmt und in Genf Gegenstand der Verhandlungen. Zuvor hatte Merz zu den laufenden Verhandlungen über einen US-Friedensplan gesagt: “Ich habe noch einmal einen weiteren Vorschlag gemacht, der sozusagen unterhalb der kompletten Lösung bleibt.”
Merz pochte auf eine Rückkehr Russlands an den Verhandlungstisch. Er hoffe auf eine neue Dynamik in den Bemühungen um eine Beendigung des Ukraine-Kriegs. “Wir formulieren jetzt im Augenblick eine Verhandlungsposition. Und ich hoffe, dass sie so ausfällt, dass sie nicht nur auf der europäischen Seite mit der Ukraine und Amerika zusammen abgestimmt ist, sondern dass sie vor allem die russische Seite dazu bringt, jetzt an den Verhandlungstisch zu kommen”, sagte Merz im ZDF mit Blick auf die Verhandlungen in Genf.
US-Ultimatum abgelehnt
Zuvor hatten sowohl die Ukraine als auch die EU-Staaten und Großbritannien ein US-Ultimatum zum vorgelegten Plan bis Donnerstag abgelehnt, weil es einer ukrainischen Kapitulation gleichkomme.
Seit der Bekanntgabe des US-Plans herrschte erhebliche Verwirrung darüber, wer an seiner Ausarbeitung beteiligt war. Die europäischen Verbündeten kritisieren, nicht konsultiert worden zu sein. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hatte die US-Regierung am Samstag gewarnt, dass die USA keine Vereinbarung ohne die Ukraine und die Europäer treffen können.




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