Von: ka
Kiew/Moskau/Washington – Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum der Weg zum Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine so steinig ist. Es sind nicht „nur” der hohe militärische Druck der russischen Streitkräfte und die sich immer deutlicher abzeichnende Schwäche der Ukraine, die Moskau glauben machen, dass die Zeit für Russland spielt. Vielmehr ist es die Tatsache, dass der Kremlherrscher sich ziemlich sicher zu sein scheint, dass die „Deals”, die er seinem Kontrahenten im Weißen Haus anbieten kann – der morgen vielleicht sein „Geschäftspartner” sein könnte –, bei Donald Trump und seinen Geschäftsfreunden auf reges Interesse stoßen. „Die Geschäfte großer amerikanischer Investoren, die eng mit dem Weißen Haus zusammenarbeiten und sich mit dem Kreml abstimmen, treten immer offener ans Tageslicht“, so Federico Fubini für den Corriere della Sera.

Die Motive für einige der jüngsten diplomatischen Wendungen Donald Trumps in den Beziehungen zu Russland und seine Bereitschaft, Moskaus Wünschen in fast allen Punkten entgegenzukommen, beginnen sich abzuzeichnen. Die beiden wichtigsten sind die Handhabung der Sanktionen gegen die Ölindustrie und das Einverständnis der Vereinigten Staaten, Russland einige der in den letzten Jahren gewaltsam eroberten ukrainischen Gebiete zuzusprechen.
Ein Indiz hierfür ist, dass die Geschäfte einer Reihe großer amerikanischer Investoren, die eng mit dem Weißen Haus verstrickt sind und sich mit dem Kreml abstimmen, auf beiden Seiten immer offener zutage treten. Dabei entsteht am Rande der Kriegsverhandlungen ein oligarchisches Wirtschaftssystem, in dem sich Amerika unter Trump fast schon vom russischen Modell inspirieren zu lassen scheint.

Ein Anzeichen dafür, dass sich nicht nur in der Politik, sondern auch in den Geschäftsbeziehungen zwischen Russland und den USA etwas tut, kam Ende letzter Woche mit einer möglichst unauffälligen Ankündigung.
Die Trump-Administration hat die Frist für den Verkauf der Auslandsaktivitäten des russischen Privatkonzerns Lukoil zum zweiten Mal verschoben – dieses Mal vom 13. Dezember auf den 17. Januar. Dabei war die erste Frist bereits im Oktober auf den 21. November festgelegt und dann in letzter Minute verschoben worden. Es steht viel auf dem Spiel. Neben verschiedenen Handelsniederlassungen in der Schweiz und Singapur sowie anderen Vermögenswerten hält Lukoil vor allem bedeutende Beteiligungen an großen Ölfeldern im Irak, Kasachstan, Usbekistan und Mexiko, eine Raffinerie in Bulgarien und ein Vertriebsnetz in Finnland.

Der Marktwert dieses Vermögens wird auf 22 Milliarden Dollar geschätzt. Die US-Sanktionen sind jedoch so gestaltet, dass Lukoil faktisch gezwungen ist, seine außerhalb Russlands befindlichen Geschäftsbereiche innerhalb strenger Fristen zu veräußern. Gerade dieser Zeitdruck zwingt den Konzern, sehr niedrige Angebote anzunehmen. Vermögenswerte im Wert von 22 Milliarden Dollar könnten daher zu weitaus niedrigeren Preisen den Besitzer wechseln, was einer Kriegsenteignung gleichkommt.
Es ist daher keine Überraschung, dass eine Reihe großer amerikanischer Konzerne und anderer Unternehmen mit engen Verbindungen zum Weißen Haus unter Trump die ausländischen Vermögenswerte von Lukoil ins Visier nehmen. Zu den Interessenten zählen die großen US-Energiekonzerne Exxon Mobil und Chevron, aber auch der ungarische Energiekonzern MOL, der in Viktor Orbáns Ungarn, das eine enge Allianz sowohl mit Trump als auch mit Wladimir Putin pflegt, Marktführer ist.
Vor etwa zwei Wochen kam es jedoch bei einem Abendessen zwischen Trump und David Rubenstein, dem Gründer und Geschäftsführer des amerikanischen Private-Equity-Riesen Carlyle, zur Wende. Rubenstein pflegt über Carlyle seit jeher enge Beziehungen zu republikanischen Politikern und bekundete nun Interesse an den Immobilien von Lukoil. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Trump den Verkauf gestoppt hat, um Carlyle Zeit zu geben, ein Angebot vorzubereiten.
Bemerkenswert ist, dass Rubenstein nicht nur Investor, sondern auch ein einflussreicher Kommentator der amerikanischen Politik und Wirtschaft für Bloomberg ist. Interessenkonflikte scheinen jedoch keine Rolle mehr zu spielen, denn Trumps Geschäftswelt scheint immer mehr von „oligarchischen Beziehungen nach russischem Vorbild” geprägt zu sein.

Ähnliche „Prinzipien” gelten im Spiel um das Kernkraftwerk Saporischschja, das heute unter der Kontrolle der russischen Streitkräfte steht. Die Stromproduktion wird jedoch zur Hälfte mit dem freien Teil der Ukraine geteilt. Die US-Gesandten Steven Witkoff und Jared Kushner haben dem Kreml bereits signalisiert, dass die US-Regierung bereit wäre, die offizielle Souveränität Moskaus über den besetzten Teil Saporischschjas einschließlich des Kernkraftwerks anzuerkennen. Im Fall des Kernkraftwerks von Saporischschja scheint es einen geschäftlichen Grund dafür zu geben: Es wird geprüft, ob ein amerikanisches Rechenzentrum für künstliche Intelligenz im von Russland kontrollierten Teil der Region errichtet werden soll, das mit dem kostengünstigen Strom des Kraftwerks betrieben werden würde.

Beide „Deals” wären ein radikaler Bruch mit der seit hundert Jahren bestehenden Doktrin der amerikanischen Außenpolitik, nach der Gebiete, die einem Land mit Gewalt entrissen wurden, nicht anerkannt werden. Für solche „Deals” scheint Trump heute bereit zu sein, die Prinzipien zu begraben, die die USA selbst vor achtzig Jahren bei der Gründung der Vereinten Nationen gefordert haben – mit verhängnisvollen Folgen für den Frieden.




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