Landesverband nennt mehrere Gründe

“Qualität der inklusiven Schule ist in Gefahr”

Montag, 11. August 2025 | 12:00 Uhr

Von: mk

Bozen – In den letzten Jahren hat sich das Konzept der inklusiven Schule als eine vielversprechende Lösung zur Förderung der Chancengleichheit in der Bildung etabliert. Es zielt darauf ab, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen gemeinsam zu unterrichten. Doch die Realität sehe oft anders aus: Die Qualität der inklusiven Schule sei in Gefahr – und das aus verschiedenen Gründen, wie der Landesverband der Sozialberufe in einer Aussendung erklärt.

Am 7. August 2025 wurde die Stellenwahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Integration abgeschlossen – jene Fachkräfte, die Kinder und Jugendliche mit Behinderung im Schulalltag begleiten. „Das Ergebnis ist alarmierend: Von 253 ausgeschriebenen Stellen konnten nur knapp 100 besetzt werden“, so der Landesverband der Sozialberufe. Der Beruf habe in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Entwicklungen deutlich an Attraktivität verloren. Mittlerweile sei es selbst für Angebote mit erhöhtem Stundenausmaß schwierig, ausreichend Personal zu finden.

Ein Blick auf die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte zeigt eine besorgniserregende Tendenz: Während früher ausreichend Vollzeitstellen angeboten wurden, stehen im aktuellen Schuljahr landesweit nur noch acht Vollzeitstellen zur Verfügung. „Statt einer bedarfsgerechten Aufstockung wurde das Stellenkontingent in viele Teilzeitstellen aufgesplittet – mit teils gravierenden Folgen für Schüler und die Mitarbeiterinnen für Integration“, so der Landesverband der Sozialberufe.

Negative Folgen für Schüler und Fachkräfte

Kinder mit Behinderung können oft nicht an Wahlfächern, Ausflügen oder an der Mittagsbetreuung teilnehmen. Bei Ausfall der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Integration müssen sie mitunter nach Hause geschickt werden, da kein Ersatz zur Verfügung steht.

Für die Mitarbeiterinnen für Integration bedeute das Teilzeitmodell Unsicherheit: Viele langjährige Mitarbeiterinnen seien gezwungen, einen Zweitjob anzunehmen. Sie würden kündigen oder in andere Berufsfelder wechseln. „Junge Menschen sehen in diesem Arbeitsmodell keine Perspektive und orientieren sich ins benachbarte Ausland, wo bessere Bedingungen herrschen. Auch die Zunahme an komplexen und schwierigen Betreuungssituationen erschwert es vielen Fachkräften, ihren Beruf ganztätig auszuüben“, erklärt der Landesverband der Sozialberufe.

Direktberufungen ohne Qualifikation – ein riskanter Trend

Da viele Stellen unbesetzt bleiben, müssten die Schuldirektionen nun selbst Personal suchen – auch ohne fachspezifische Ausbildung. „Eine Nachqualifizierung ist nicht verpflichtend. Durch das Zusammenlegen mehrerer Teilzeitstellen entstehen zwar vereinzelt attraktive Vollzeitangebote, doch diese werden nur befristet für ein Jahr vergeben. So kommt es, dass Direktberufene oft bessere Bedingungen erhalten als qualifizierte Fachkräfte mit einem unbefristeten Vertrag“, warnt der Landesverband der Sozialberufe.

Kontinuität und Qualität gefährdet

Für die betroffenen Schülerinnen und Schüler sei diese Entwicklung fatal. Gerade im sensiblen Bereich der Integration seien verlässliche, kompetente Bezugspersonen essenziell für Lernerfolge, so der Landesverband der Sozialberufe. „Wer Pech hat, muss sich jedes Jahr auf neue Begleitpersonen einstellen – auch weil bei den Integrationslehrpersonen die Situation ähnlich ist. Individuelle Lernziele können so kaum kontinuierlich verfolgt werden.“

Hinzu komme: „Viele Schülerinnen und Schüler benötigen pflegerische oder therapeutische Unterstützung – etwa bei der Einnahme von Medikamenten, Sondenernährung oder Umsetzung von Therapieinhalten. Wenn ungeschultes Personal diese Aufgaben übernimmt, stellt sich die Frage nach der Haftung.“

Appell an die Politik

Der Fachbereich Mitarbeiterinnen für Integration im Landesverband für Sozialberufe warnt seit Jahren vor dieser prekären Situation und fordert die Entscheidungsträger auf, endlich die zahlreichen Verbesserungsvorschläge der Arbeitsgruppe „Mitarbeiter für Integration“ umzusetzen. „Es braucht dringend strukturelle Reformen, um die Qualität der Begleitung zu sichern und den Beruf wieder attraktiv zu machen. Die Stundenzuweisung an Kindern mit Behinderung müsste in vielen Fällen erhöht werden, damit sie bedarfsgerecht und individuell gefördert werden und ihr Recht auf den Schulbesuch gewährt wird.“

Bezirk: Bozen

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