Plenarsitzung

Referate im Landtag anlässlich des Europatages

Donnerstag, 09. Mai 2024 | 12:22 Uhr

Bozen – Am heutigen Donnerstagvormittag begann die Sitzung des Südtiroler Landtages anlässlich des Europatages mit zwei Expertenreferaten: Zunächst sprach Elisa Bertò vom Generalsekretariat der Euregio zum Thema „Südtirol und Europa“, dann Menschenrechtsexperte Gabriel N. Toggenburg zum Thema „Europa und Südtirol”.

Eingangs erinnerte der Landtagspräsident an die vor 70 Jahren geborene Idee eines Friedensprojekts, und dass Südtirol von der daraus entstandenen Europäischen Union enorm profitiert habe. Der Landeshauptmann verwies in seinen Grußworten u.a. darauf, dass das Projekt Europa Erfolg gehabt habe – wenn derzeit auch vieles in Frage gestellt werde. Die europäische Einigung biete auch den Südtirolern viele Möglichkeiten – in diesem Sinne gelte es, sich weiterhin für ein Europa der Vielfalt und der Werte einzusetzen.

In ihrem Redebeitrag arbeitete Elisa Bertò dann einige Berührungspunkte zwischen der jüngeren Geschichte Südtirols und der Geschichte Europas heraus. „Als großes Laboratorium der Kulturen, des Wissens, der Erfahrungen, der Traditionen und der Formen der Selbstverwaltung, als Grenz- und Durchgangsland war Südtirol dazu bestimmt, sich mit seiner europäischen Dimension auseinanderzusetzen und umgekehrt, um eine Zukunft der Zusammenarbeit, auch der wirtschaftlichen, zu ermöglichen. Letzteres ist für die Befriedung und die Stabilität Europas von großer Bedeutung“, unterstrich Bertò, die zudem die Parallelitäten der europäischen Integration und der Lösung der Südtirolfrage nachzeichnete. Zu den für Südtirol bedeutsamen Etappen der europäischen Integration gehöre das Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht, mit dem sich die auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen begonnen hätten, stärker und unmittelbarer auf die Regionen, Städte und Gemeinden auszuwirken. Abschließend betonte Bertò, dass die Geschichte Südtirols konkrete Auswirkungen auf die Konsolidierung der Idee eines „in Vielfalt geeinten“, kohäsiven und harmonischen Europas gehabt habe, in dem es möglich sei, „the very most of its territorial, cultural and linguistic diversity, as this is the source of its strength and guarantee of its people’s identity”. Eine Rolle, die sich das Land mittels des Instruments der Autonomie selbst geschaffen habe. Bertò sprach in diesem Zusammenhang von der “Südtiroler Methode”.

Gabriel N. Toggenburg dagegen wagte einen kritischen Blick auf „Europa und Südtirol”: Europa sei in politischen Sonntagsreden oft ein “rosa gefülltes Schmusethema”, deshalb werfe er drei kritische Fragen auf: 1. Wie Südtirol-freundlich ist die EU? 2. Wie EU-freundlich ist Südtirol? 3. Wer und was ist eigentlich die EU? In der Folge verwies Toggenburg u.a. darauf, dass seit dem Vertrag von Lissabon Minderheitenschutz ein EU-Verfassungsbegriff sei. Allerdings einer, der wirke, wie ein Auto ohne Motor – nicht sehr hilfreich, um von A nach B zu kommen. Die Bürgerinitiative Minority Safepack habe gezeigt, dass trotz aller Fortschritte über die vergangenen Jahrzehnte die Wahrnehmung des Schutzes nationaler Minderheiten eine heiße Kartoffel geblieben sei. Zur Frage “wie EU-freundlich ist Südtirol” erklärte Toggenburg, dass sich letztlich gezeigt habe, dass einerseits das System des Autonomiestatuts durchaus anpassungsfähig gewesen sei – und andererseits, dass der Binnenmarkt nicht die befürchtete Eindimensionalität aufweise. Daraus könne man folgern, dass sich das EU-Recht und die Südtiroler Autonomie nicht mehr auf Kollisionskurs befänden. Abschließend verwies der Referent darauf, dass bei aller Kritik an der EU, es auch notwendig sei, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was die Alternative zur EU bedeute. Es wäre ein positiver Schritt, wenn sich – bei allen Fehlern, die gemacht würden – alle im politischen Spektrum darauf verständigen könnten, von einer undifferenzierten Fundamentalkritik an „der EU“ übergingen zu einer Kritik an spezifischen EU-Politiken.

In der Folge hatten die Abgeordneten die Möglichkeit zu Wortmeldungen und Fragen an die Referierenden. Thematisiert wurden dabei u.a. Transparenzdefizite im Zusammenhang mit den Covid-19-Impfungen, der Minderheitenschutz in Europa, den Umgang Europas mit Krisen, die Möglichkeiten des einzelnen Bürgers, sich für Europa einzusetzen, der Fokus der EU auf die Wirtschaft und die schwache außenpolitische Positionierung, das Europa der Regionen, die Dekonstruktion der Idee Europas sowie der Schutz des Wohnraums in Südtirol im Kontext der Regelungen des Binnenmarkts.

Die Organisation einer jährlichen Feier zum Europatag wurde vom Südtiroler Landtag 2018 mit einem Beschlussantrag festgelegt.

Von: mk

Bezirk: Bozen

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