Von: luk
Bozen – Am Nachmittag wurde im Regionalrat die Behandlung des Beschlussfassungsvorschlags Nr. 19 wieder aufgenommen: Abgabe des Gutachtens im Sinne des Artikels 103 Absatz 3 des Sonderstatutes für Trentino-Südtirol zum Verfassungsgesetzentwurf Akt des Senats Nr. 35/XVIII betreffend “Änderungen am Sonderstatut der Region Trentino-Südtirol betreffend die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Region und der Autonomen Provinzen Trient und Bozen”, eingebracht von den Senatoren Durnwalder, Steger und Unterberger. Der Entwurf sieht eine Stärkung der beiden Provinzen vor, durch Übertragung von Zuständigkeiten und Umwandlung von sekundären in primäre Zuständigkeiten.
Der Beschlussfassungsvorschlag wurde mit 32 Ja, elf Nein und zwölf Enthaltungen angenommen.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 20: Abgabe des Gutachtens im Sinne des Artikels 103 Absatz 3 des Sonderstatutes für Trentino-Südtirol zum Verfassungsgesetzentwurf Akt des Senats Nr. 524/XVIII betreffend „Änderung am Sonderstatut der Region Trentino-Südtirol betreffend die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Autonomen Provinzen Trient und Bozen“, eingebracht von den Senatoren Durnwalder, Unterberger, Steger und Laniece. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, den beiden Provinzen primäre Gesetzgebungsbefugnis auf den Gebieten des Umweltschutzes und der Ökosysteme zu übertragen.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) erinnerte daran, dass solche und ähnliche Entwürfe regelmäßig von der SVP eingebracht worden seien, ohne je auf die Tagesordnung des Parlaments geschafft zu haben. Einige, wie jener inzwischen zurückgezogene zur Vollautonomie, seien einschneidender, einige beträfen einzelne Sachgebiete wie z.B. die Lokalpolizei oder den Sport. Jedenfalls würde das Statut mit einem einfachen Gutachten des Regionalrats umgeschrieben. Im gegenständlichen Fall gehe es um Umwelt und Ökosystem, was genauso gut die Zuständigkeit für das Großraubwild bedeuten könnte wie Maßnahmen für die lokale Wirtschaft. Der Regionalrat, anstatt selbst in solchen Angelegenheiten aktiv zu werden, werde mit diesen Gesetzentwürfen in Initiativen der SVP verwickelt.
Paul Köllensperger (Team K) kündigte die Unterstützung seiner Fraktion an, kritisierte ab die Vorgangsweise. Es habe nie eine Debatte im Regionalrat zu den Ergebnissen von Konvent und Consulta gegeben. Der Gesetzentwurf werde im Parlament wohl nie behandelt, aber der Inhalt sei unterstützenswert. Allerdings sollte vorher die Bestimmung zum Einvernehmen bei Änderungen des Statuts verabschiedet werden, sonst werde es riskant.
Alex Marini (5 Stelle) erinnerte daran, dass der Gesetzentwurf auch vom Trentiner Landtag ein positives Gutachten bekommen habe. Gestern sei in der Abgeordnetenkammer ein Verfassungsgesetzentwurf genehmigt worden, der die Sonderautonomien berücksichtige. Dieser Entwurf unterstelle die freie unternehmerische Initiative den Interessen von Umwelt und Gesundheit – der Staat schenke der Umwelt offensichtlich mehr Aufmerksamkeit. Die Klausel zugunsten der Sonderautonomien sei übrigens von Sen. Durnwalder eingebracht worden. Die Umwelt gehöre allen, sie könne nicht allein von einem Gebiet geregelt werden. Die Konvention von Aarhus habe Information, Beteiligung und Umweltrecht unter ihren Prinzipien, und hier könnten die Provinzen bereits gesetzgeberisch tätig werden. Sie könnten laut Verfassungsgericht in der Umweltgesetzgebung auch strenger als der Staat sein.
Vizepräsident Arno Kompatscher zeigte sich verwundert über einige Stellungnahmen, die von wenig Kenntnis der Autonomie zeugten. Die Provinzen hätten auf jeden Fall, auch bei primärer Zuständigkeit, die internationalen Bestimmungen, insbesondere jene der EU, zu beachten. Es sei verwunderlich, wenn jemand im Regionalrat behaupte, der Staat könne es besser machen. Das von Marini genannte Verfassungsgerichtsurteil beziehe sich nur auf Mindeststandards, das sei nicht seine Vorstellung von Autonomie. Wenn der Zentralismus besser wäre, dann müsste Italien heute besser dastehen. Wer sich in unserer Region umsehe, erkenne schnell, dass man hier mehr auf die Umwelt achte als in vielen anderen Regionen.
Giorgio Tonini (PD) unterstützte das Anliegen des Gesetzentwurfs, er selbst habe als Senator einen ähnlichen eingebracht. Seine Fraktion werde sich aber wegen der Vorgangsweise der Stimme enthalten. Hier werde eine Autonomiereform allein von der Mehrheit vorangetragen.
Der Beschlussfassungsvorschlag wurde mit 34 Ja, sechs Nein und zwölf Enthaltungen angenommen.
Beschlussantrag Nr. 10, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Kaswalder, Guglielmi und Leonardi, um die Regionalregierung zu verpflichten, der italienischen Regierung kundzutun, dass die Region Trentino-Südtirol gegen jegliche Verlängerung der Wirtschafts- und Finanzsanktionen der Europäischen Union gegen die Russische Föderation ist.
Der Antrag war bereits im März andiskutiert worden.
Giorgio Tonini (PD) fragte, ob das Anliegen nicht als Begehrensantrag vorgelegt werden müsse. Es gehe um Außenpolitik, und die sei nicht Zuständigkeit der Region.
Walter Kaswalder (Autonomisti Popolari – Fassa) wies darauf hin, dass die Region Piemont denselben Beschlussantrag angenommen habe. Die Sanktionen seien 2014 eingeführt worden, vorher habe man viele landwirtschaftliche Produkte nach Russland verkauft, und viele Russen seien hierher zum Urlaub gekommen. Dank der Sanktionen stelle Russland die zuvor importierten Produkte selber her. Kaswalder zog seinen Antrag aber aus den genannten Gründen zurück.
In vereinheitlichter Debatte wurden anschließend der Beschlussantrag Nr. 17, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Kaswalder, Guglielmi und Ossanna, um die Regionalregierung zu verpflichten, dem Außenminister über ein offizielles Schreiben den eindringlichen Appell des Regionalrates zu unterbreiten, den Staat Arzach (Bergkarabach) unverzüglich und offiziell anzuerkennen, auf dass dieser als direkter Verhandlungspartner der italienischen Regierung anerkannt werde, und der Beschlussantrag Nr. 19, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Manica, Ferrari und Zeni, um den Präsidenten des Regionalrates und die Regionalregierung zu verpflichten, Formen der Zusammenarbeit voranzutreiben und zu ermöglichen, um im Friedensprozess in der Region Bergkarabach den regionalen und internationalen Behörden die eigenen Autonomieerfahrungen zur Verfügung zu stellen, behandelt.
Walter Kaswalder (Autonomisti Popolari – Fassa) zog seinen Beschlussantrag (Nr. 17) zurück, da er inzwischen überholt sei. Er werde den Antrag des PD (Nr. 19) unterstützen.
Alessio Manica (Partito Democratico) dankte für die Unterstützung und erinnerte daran, dass man vor einem Jahr noch Hilferufe der Armenier erhalten habe, zu einem Konflikt, der nun dank internationaler Intervention beruhigt, aber noch lange nicht gelöst sei. Unsere Region sei ein Modell der Konfliktlösung und könnte für Bergkarabach interessant sein.
Beide Anträge kämen leider zu spät, bedauerte Paul Köllensperger (Team K). Es sei inzwischen ein Sieg Aserbeidschans mit Unterstützung Russland geworden. Der Antrag Nr. 17 wäre besser gewesen, weil Bergkarabach die Unabhängigkeit wollte, aber der Antrag Nr. 19 sei das einzige, was man heute realistischerweise fordern könne.
Die Region sei inzwischen so ausgehöhlt, dass sie sich mit Außenpolitik beschäftigen müsse, kritisierte Claudio Cia (Fratelli d’Italia). Seine Fraktion werde für den Antrag stimmen, auch wenn er keine Wirkung haben werde.
Mirko Bisesti (Lega Salvini Trentino) sah es als wichtig an, auch in dieser Region über solche Themen zu reden. Wenn man mit den eigenen Erfahrungen einen Beitrag leisten könne, so sei das positiv.
Alex Marini (5 Stelle) sah den Antrag als zu unverbindlich. Am hätten angeben sollen, wie man helfen und wo man intervenieren wolle. Er habe bei seinem Besuch in Tuzla gesehen, dass eine gute Zusammenarbeit nützlich sein könne.
Vizepräsident Arno Kompatscher kündigte die Zustimmung der Regionalregierung an. Sowohl die Provinzen als auch die Region hätten viele internationale Plattformen zur Verfügung, über die man das Thema ansprechen könne, vom Europarat bis zum Ausschuss der Regionen.
Der Antrag sei deswegen so allgemein gehalten, weil es dem Adressaten obliege, die richtigen Gesprächspartner für dieses Anliegen zu suchen, erklärte Alessio Manica.
Der Antrag wurde mit 48 Ja und vier Enthaltungen angenommen.
Beschlussantrag Nr. 18, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Köllensperger, Faistnauer, Alex Ploner und Franz Ploner, um die Regionalregierung zu verpflichten, alle konkreten und notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass das ursprüngliche Projekt zur Schaffung einer Holding für den Gütertransport auf dem Brenner-Korridor zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird, und um zu verhindern, dass der Rechtssitz der Gesellschaft in ein Gebiet außerhalb der Region verlegt wird, sowie die notwendigen Schritte zur Schaffung einer europäischen Gesellschaft zu setzen, die eine erstrangige Rolle im Schienengüterverkehr auf der Brennerachse von Verona nach Bayern spielen soll.
Paul Köllensperger (Team K) erinnerte daran, dass die Rail Traction Company vor 20 Jahren gegründet wurde. Es sei eine Tochter der A22 und ein für die Region und die beiden Provinzen strategisches Unternehmen. 2014 sei die Zusammenlegung mit der Lokomotion beschlossen worden. “Bedauerlicherweise soll in den letzten Jahren das Projekt, die beiden Realitäten zu verschmelzen, von den Verantwortlichen mehrfach behindert worden sein, die einen rein formellen Zusammenschluss eingeleitet haben. Mit Verwunderung und Bedauern muss außerdem festgestellt werden, dass die RTC AG nicht nur ihren Firmensitz, sondern auch ihren Rechtssitz schrittweise und unauffällig nach Verona verlegt. Dabei handelt sich um ein strategisches Vermögen, das mit Investitionen der Autobahngesellschaft geschaffen wurde und mit den öffentlichen Investitionen und jenen der A22 für den Brennerbasistunnel einhergeht, und das unsere Region nun ernsthaft zu verlieren droht.” Dieses Unternehmen solle in der Region verbleiben, und Kompatscher arbeite bereits in diese Richtung, erkannte Köllensperger an; der Regionalrat sollte die nötige Unterstützung dafür geben.
Vizepräsident Arno Kompatscher kündigte Zustimmung an. Der Antrag drücke aus, was bereits Ziel der laufenden Arbeiten sei: eine schlagkräftige, öffentlich beteiligte Gesellschaft, die mehr Güter auf die Schiene bringen solle und ein besseres logistisches Angebot machen könne. Die Querfinanzierung der Schiene durch die Autobahn entspreche der Vision der Strecke als Korridor.
Paul Köllensperger freute sich über die Zustimmung und hoffte, dass die Politisierung von RTC und RTS rückgängig gemacht werde.
Giorgio Tonini (PD) kündigte die überzeugte Zustimmung seiner Fraktion an. Das Korridorkonzept sei wesentlich für die Region und die Europaregion.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstützte den Antrag ebenfalls. Für die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene brauche es ein starkes Unternehmen mit Standbein in der Region. Ziel müsse ein Rückgang des Straßenverkehrs sein; dazu bräuchte es auch eine Mautanpassung auf dieser derzeit günstigsten Alpentransitstrecke. Der Kombiverkehr erlaube derzeit die freie Wahl; man müsse stattdessen schauen, dass der Schienenverkehr die erste Option werde.
Der Antrag wurde mit 43 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.
Gesetzentwurf Nr. 19: Gleichberechtigung von Frauen und Männern beim Zugang zu Wahlämtern (eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Foppa, Dello Sbarba und Staffler). Damit soll bei Gemeindewahlen die Anzahl von Kandidatinnen oder Kandidaten eines Geschlechts von zwei Dritteln nicht mehr auf die mögliche Höchstzahl der Kandidatinnen und Kandidaten angesetzt werden, sondern auf die effektive Anzahl der Menschen, die auf einer Liste kandidieren. Außerdem wird vorgesehen, dass im ersten Drittel der Liste Kandidatinnen und Kandidaten alternieren.
Der Gesetzentwurf war in der 1. Gesetzgebungskommission abgelehnt worden.
Brigitte Foppa (Grüne) verwies auf Art. 51 der Verfassung, der gleichberechtigten Zugang zu den öffentlichen Ämtern vorsieht. Erst 2003 sei eingefügt worden, dass die Republik diese Gleichbehandlung auch fördert – ein Zeichen, dass noch etwas zu tun sei. Für die Frauen sei es derzeit leichter, in den Regionalrat gewählt zu werden als in den Regionalrat. Eine Frau könne leichter Ministerin werden als Bürgermeisterin. Auf Gemeindeebene seien die Netzwerke der Beziehungen wichtig, und die seien meist männlich. Von den Bürgermeistern, die in Südtirol wieder angetreten seien, seien nur 8 Prozent nicht wiedergewählt worden, bei den Bürgermeisterinnen liege dieser Prozentsatz bei 36. Man wolle auch deswegen mehr Frauen in der Politik haben, damit die Politikerinnen nicht mehr so schwertäten. Die Welt habe mehr Frauen in der Politik nötig, das habe man in der jüngsten Zeit gesehen: Während des Notstands habe man viele Arbeiten den Frauen überlassen und sie damit alleingelassen. Frauen hätten eine andere Sicht auf die Welt, auf die Urbanistik oder die Mobilität im Dorf. In Prags sitze eine Gemeinderätin 11 Männern gegenüber, in vielen anderen Gemeinden sei es nicht viel besser. Insgesamt säßen in den Südtiroler Gemeinderäten weniger als 25 Prozent Frauen. Auch wer gegen Quoten sei, werde verstehen, dass eine Liste mit 46 Männern und 1 Frau – wie in Bozen derzeit möglich – keine echte Vertretung der Frauen gewährleiste. Eine Frau sei nie genug, eine Arbeitnehmerin werde wahrscheinlich lieber einen Arbeitnehmer wählen als eine Bäuerin. Wenn es ein weibliches Umfeld gebe, würden Frauen auch lieber kandidieren. Wenn es stimme, dass die Besseren gewinnen, dann würde es nicht fast ausschließlich Männer in der Politik geben. Der Gesetzentwurf sehe auch ein Reißverschlusssystem für die Listenspitze vor, damit die Frauen nicht ganz unter platziert würden.
Die Behandlung des Gesetzentwurfs wird bei einer nächsten Sitzung fortgesetzt.
Zum Abschluss der Sitzung teilte Präsident Josef Noggler mit, dass Generalsekretär Stefan Untersulzner heute zum letzten Mal der Sitzung beiwohnt und mit Jahresende in Pension gehen wird. Noggler dankte ihm für die Arbeit in den vielen Jahren seit 1994. Untersulzner bedankte sich für die Wertschätzung und für den Applaus der Abgeordneten.