Von: mk
Bozen/Trient – Der Regionalrat hat heute die Haushaltsdebatte eröffnet. Themen waren dabei auch die Bürgermeisterrenten, die Stadtviertelräte und die Rolle der Region.
Gesetzentwurf Nr. 12: Regionales Begleitgesetz zum Stabilitätsgesetz 2020 der Region (eingebracht von der Regionalregierung). Der Gesetzentwurf enthält Bestimmungen zur Grundbuchdigitalisierung, zur Aufsicht über die Genossenschaften, zu Solidaritätsbeiträgen für Nicht-EU-Länder, zur Rechnungslegung und zur Auftragsvergabe. In der zuständigen Gesetzgebungskommission war aber vor allem über zwei Bestimmungen (in Art. 3) diskutiert worden, wie Kommissionsvorsitzender Helmuth Renzler berichtete: Die Einrichtung der Stadtviertelräte in Bozen und die Zusatzrente für Gemeindeverwalter. Gemeinsam mit diesem Gesetzentwurf wurden auch Gesetzentwurf Nr. 13: Regionales Stabilitätsgesetz 2020 (eingebracht von der Regionalregierung), Beschlussfassungsvorschlag Nr. 10: Aktualisierungsbericht zum Wirtschafts- und Finanzdokument der Region (WFDR) 2019 (eingebracht auf Vorschlag der Regionalregierung) und Gesetzentwurf Nr. 14: Haushaltsvoranschlag der Autonomen Region Trentino-Südtirol für die Haushaltsjahre 2020-2022 (eingebracht von der Regionalregierung) behandelt. Zum Gesetzentwurf Nr. 12 wurden bereits im Vorfeld Abänderungsanträge der Abg. Staffler, Köllensperger, Urzì, Marini, Lanz, Sub-Anträge von Marini und eine Tagesordnung von Lanz vorgelegt. Vor Beginn der Debatte, wurden die Arbeiten für eine Beratung zwischen Fraktionssprechern, Regionalregierung und Einbringern der Anträge unterbrochen.
Es handle sich um den ersten Haushalt in dieser Legislatur, erklärte der Präsident der Region Arno Kompatscher. Es gehe im Kompetenzbereich um 398 Mio. Euro und insgesamt Einnahmen und Ausgaben von 457 Mio. Euro, und in der Hauptsache um die Verwaltungsstruktur der öffentlichen Körperschaften, um Zusatzvorsorge und um das Verwaltungspersonal der Gerichte. Bei den Gerichtsämtern habe man zunächst versucht, einen Notstand zu beheben, nun gehe es um weitere Verbesserungen. Zu den Friedensrichtern habe man eine Durchführungsbestimmung ausgearbeitet. Bei den Beiträgen für europäische Integration und für Minderheiten wolle man eine klarere Trennung, um Überschneidungen zwischen Region und Provinzen zu vermeiden. Gleichzeitig wolle man die Kontakte zwischen Sprachgruppen in der Euregio fördern. Ausbauen wolle man die Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Die Aufgaben von Pensplan sollten um die Pflegesicherung erweitert werden. Bei der Rentenabsicherung für Gemeindeverwalter gehe es um eine Gleichstellung zwischen Lohnabhängigen und Selbständigen und einer Abfindung am Ende des Mandats in Höhe einer Monatsentschädigung pro Jahr. Eine solche gebe es bereits in allen anderen Regionen. Anders als in anderen Regionen wolle man die Bürgermeisterentschädigungen hierzulande aber nicht anheben. In vielen Gemeinden übernehme der Bürgermeister auch Verwaltungsverantwortung und sei damit auch vor den Gerichten verantwortlich.
Franz Locher (SVP) sah im Haushalt einen entscheidenden Schritt zugunsten der Gemeinden. Ebenso sei es richtig, weitere Kompetenzen von der Region an die Provinzen zu delegieren, diese könnten effizienter arbeiten. Die Region sei Hauptaktionär der Brennerautobahn und habe dadurch auch die Verpflichtung, auf die Auswirkungen für die Umwelt und die Bevölkerung entlang der Autobahn zu achten. Vor allem aber freue ihn die Altersabsicherung für die Bürgermeister, die zur Entwicklung des Landes und vor allem des ländlichen Raums viel beigetragen hätten. Ein Bürgermeister habe rechtliche Verantwortung für alles, was er unterschreibe, Baukonzessionen, Veranstaltungen, Einschätzung von Naturgefahren usw., zusammen mit dem Ausschuss sei er verantwortlich für die Grundversorgung. Die Gemeindeverwalter hätten auch das Gespür, mit den Vereinen zu reden und sie zu motivieren, und diese seien wesentlich für das Dorfleben. Es sei Zeit, den Bürgermeistern, die auch keinen Feierabend hätten, einmal Danke zu sagen.
Alessandro Urzì (gemischte Fraktion) stellte fest, dass sich die Sensibilitäten zum Thema sei der Polemik um die Leibrenten geändert hätten. Das sei eine positive Entwicklung. Man könne in der Maßnahme durchaus einen Zusammenhang zum anstehenden Wahljahr sehen, aber das sei eine andere Geschichte. Auch die Stadtviertelräte, die das Gesetz einzig für Bozen vorsehe, hätten ihre Verdienste und sollten weiter bestehen. Urzì fragte, wer ihre Abschaffung vorgeschlagen habe.
Am Nachmittag wurde die Debatte über die Gesetzentwürfe zum Haushalt 2020 wieder aufgenommen: Gesetzentwurf Nr. 12: Regionales Begleitgesetz zum Stabilitätsgesetz 2020 der Region; Gesetzentwurf Nr. 13: Regionales Stabilitätsgesetz 2020; Beschlussfassungsvorschlag Nr. 10: Aktualisierungsbericht zum Wirtschafts- und Finanzdokument der Region (WFDR) 2019 und Gesetzentwurf Nr. 14: Haushaltsvoranschlag der Autonomen Region Trentino-Südtirol für die Haushaltsjahre 2020-2022.
Hanspeter Staffler (Grüne) lobte, dass in den Gesetzentwürfen kaum Passagiere untergebracht wurden. Es sei auch richtig, die Zusatzrente für die Gemeindeverwalter anzugehen. Dadurch würden hoffentlich mehr Leute motiviert, ein solches Amt anzustreben. Ein blinder Passagier sei aber doch drin: Mit einem Handstreich habe man versucht, die Stadtviertelräte in Bozen abzuschaffen. Schnellentschlossenen Managern seien diese Gremien zu schwerfällig, aber Demokratie sei halt oft umständlich. Mit dem Änderungsantrag von Amhof zum Thema könnte man einverstanden sein, wenn er mit den betroffenen Gremien abgesprochen wäre. Der Antrag versuche auch eine Kostendämmung, aber Demokratie müsse etwas kosten dürfen. Seine Fraktion sei für die Streichung des Artikels. Ansonsten sehe man im Gesetzentwurf durchaus vernünftige Ansätze.
Brigitte Foppa (Grüne) teilte großteils die Ausführungen Lochers zu den Bürgermeistern. Was ein Bürgermeister alles leiste, tue er sicher nicht wegen des Geldes, daher sei eine Altersabsicherung zu rechtfertigen. Der Gesetzentwurf strebe eine Gleichstellung von Selbständigen und Lohnabhängigen an, man dürfe aber nicht die Teilzeitangestellten vergessen, die ebenfalls sehr niedrige Rentenbeiträge aufwiesen. Die Stadtviertelräte seien wichtige Ansprechpartner für die Bevölkerung, wenn im Viertel Probleme aufträten oder Arbeiten nötig seien. Wie Urzì wollte auch Foppa wissen, wer die Abschaffung gefordert habe.
Peter Faistnauer (Team K) wiederholte ebenfalls die Frage. Fünf Stadtviertelräte für eine Stadt mit 100.000 Einwohnern seien nicht zu viel, auch im Vergleich mit den Gemeinderäten von Gemeinden durchschnittlicher Größe. Eine Gleichstellung von Lohnabhängigen und Selbständigen bei den Bürgermeisterrenten sei richtig, ebenso die Abfertigung. Zur Brennerautobahn meinte Faistnauer, die Bürger würden Maßnahmen zu Lärmschutz und Luftqualität vermissen.
Sandro Repetto (Unione per il Trentino) erklärte sich mit der Bestimmung zu den Renten einverstanden, wandte sich aber gegen die Abschaffung der Stadtviertelräte. Wer dies vorschlage, kenne Bozen nicht besonders gut. Nach dem Fall der klassischen Parteien seien es die Stadtviertelräte, welche Bürger und Politik einander näherbrächten.
Paul Köllensperger (Team K) bemerkte einen Zuwachs bei den Einnahmen, der wohl auch auf die elektronische Fakturierung zurückzuführen sei. Die Streichung der Stadtviertelräte werde dem Vernehmen nach zurückgezogen, aber die Einschnitte bei der Entschädigung derselben seien immer noch im Entwurf. Negativ sah Köllensperger auch den Rückzug aus der Investitionsbank.
Paolo Ghezzi (Futura 2018) kritisierte den “Pragmatismus” Fugatti, der keine Visionen wolle. Auch in der Rede Kompatschers fehle eine Vision für die Region, die nur als Restbestand gesehen werde. Er stelle fest, dass sich die beiden Provinzen wieder auseinanderbewegten.
Carlo Vettori (PATT) meinte, dass die Bozner Stadtviertelräte derzeit nicht funktionierten, sie befassten sich mit Dingen wie Gehsteige oder Stadtparks, Dinge, um die sich auch der Stadtrat kümmern könnte. Wenn man ihnen nicht mehr Zuständigkeit gebe, seien sie überflüssig.
Lucia Coppola (Futura) wandte sich gegen die Ausführungen Vettoris. Auch Gehsteige und Stadtparks seien für die Bürger wichtig. Die Viertelräte seien das Basisniveau der Demokratie, sie seien den Bürgern am nächsten. Es wäre undemokratisch, den Boznern diese Gremien von oben herab zu streichen.
Ugo Rossi (PATT) wies darauf hin, dass seine Partei zwar nicht der Mehrheit angehöre, hielt aber eine Zustimmung zum Haushalt für möglich, wenngleich sich die Mehrheit nicht darum bemüht habe. Auch er stelle ein Auseinanderdriften der beiden Provinzen fest, niemand spreche mehr von einer gemeinsamen Zukunft, niemand habe mehr eine Vision für die Region. Man wisse auch nichts von einer gemeinsamen Strategie zum Umgang mit Rom, zur Autobahn, zur Investitionsbank. Stattdessen rede man über die Stadtviertelräte von Bozen, ein Thema, das eigentlich in den Südtiroler Landtag gehörte.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) sah die Ausführungen Kompatscher ungewöhnlich inhaltsarm, das sei man von ihm nicht gewohnt. Man sei bei der “minimalen Region” angelangt. Über die Stadtviertelräte sollte die Stadt Bozen entscheiden. Der Haushalt der Region schwinde weiter, es sei an der Zeit, sich über die künftige Rolle der Region Gedanken zu machen. Die Regierung sollte jedenfalls sagen, welchen Weg sie einschlagen wolle. Autonomiekonvent und Consulta hätten Vorschläge ausgearbeitet, von denen man ausgehen könnte: abschaffen, verschlanken oder ausbauen. Man sollte sich noch innerhalb der Legislaturperiode entscheiden, wohin der Weg gehen solle.
Giorgio Tonini (PD) zeigte sich ebenfalls enttäuscht von der inhaltsleeren Debatte. Es würden wichtige Fragen anstehen, die für die Bürger der Region sogar wichtiger seien als mache Agenden der beiden Provinzen, etwa der Brennerkorridor, die Justizverwaltung, die Steuereinhebung, Themen, die man besser gemeinsam statt einzeln mit Rom verhandeln könne. Man habe den Eindruck, dieser Haushalt wolle die letzten Schubladen ausräumen.
Je öfter man sich hier in diesem Regionalrat treffe, umso mehr Abgeordnete seien für die Auflösung der Region, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die Region sei die Zwangsehe eines Paares, das nicht gemeinsam habe. Das werde nicht mehr besser. Daher sollte man sich trennen, denn dann sei vielleicht eine Freundschaft möglich. Stattdessen sei man gezwungen, im Regionalrat über Dinge zu reden, die eigentlich in den Landtag gehörten. Auch bei der Weiterentwicklung der Autonomie – siehe Konvent – gingen die Interessen beider Länder auseinander. Es gäbe Dinge, die man gemeinsam angehen sollte, z.B. Transit, Migration usw., aber da wären gemeinsame Arbeitsgruppen effizienter als ein Regionalrat.
Nach einer Unterbrechung auf Antrag von Ass. Claudio Cia erklärte Alex Marini (Movimento 5 Stelle) die Rücknahme seiner Änderungsanträge zu den Art. 1 und 2. Diese hätten mit Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene zu tun gehabt, eines seiner Kernthemen. Vor diesem Hintergrund wandte er sich gegen eine Abschaffung der Stadtviertelräte. Auch abgesehen von der reinen Bozner Fragestellung nehme man das Prinzip der Dezentralisierung bei den Stadtviertelräten nicht ernst, etwa bei Bürgerinitiativen. Marini wies darauf hin, dass es bei der angepeilten Rentenregelung für die Bürgermeister eine Ungleichbehandlung gebe, nämlich in der Höhe der Beiträge zu Lasten der öffentlichen Verwaltung. Man habe nun zusammen mit der Regionalregierung einen gangbaren Kompromiss zu den Referenden gefunden: eine ständige Kommission.
Maurizio Fugatti, Vizepräsident der Region, ging in seiner Replik auch auf die Beziehungen zu Rom ein. Diese gründeten vor allem auf Initiativen, die die beiden Provinzen gemeinsam vorbrächten und die auch eine Auswirkung auf die Region hätten. Zur Brennerautobahn erwarte man nun eine provisorische Verlängerung der Konzession von sechs Monaten, in denen man festlegen werde, ob die privaten Aktionäre bleiben können oder nicht. Die Verwaltung der Gerichtsämter sei sicher keine zweitrangige Angelegenheit, und man arbeite dazu mit dem Ministerium zusammen, um die Finanzierung zu sichern und das Personal aufzustocken. Zur Rolle der Region erklärte Fugatti, dass die Ergebnisse von Konvent und Consulta ein breites Spektrum darstellten, das nicht leicht zusammenzufassen sei; es gebe unterschiedliche Ansichten dazu. Es gebe sicher Themen, bei denen eine intensivere Zusammenarbeit sinnvoll sei. In der Mehrheit werde seit Monaten intensiv darüber gesprochen, und man werde dazu auch Vorschläge vorlegen.
Die Arbeiten werden morgen wieder aufgenommen.