Der Druck dürfe nicht nachlassen, so Selenskyj

Selenskyj fordert nach Luftangriffen zum Handeln auf

Sonntag, 12. Oktober 2025 | 13:47 Uhr

Von: APA/Reuters/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Weltgemeinschaft nach einer Woche mit mehr als 4.000 russischen Angriffen aus der Luft zum Handeln aufgefordert. “Moskau erlaubt sich eine Eskalation seiner Angriffe und nutzt dabei offen die Tatsache aus, dass die Welt sich auf die Sicherung des Friedens im Nahen Osten konzentriert”, erklärte Selenskyj am Sonntag in den sozialen Netzwerken.

“Genau deshalb darf der Druck nicht nachlassen. Sanktionen, Zölle und gemeinsame Maßnahmen gegen die Käufer von russischem Öl – diejenigen, die diesen Krieg finanzieren – müssen weiterhin auf dem Tisch bleiben”, betonte er. Dieser Ansatz könne den Weg zu einem dauerhaften Frieden für Europa ebnen. “Die Welt kann dies parallel zum Friedensprozess im Nahen Osten gewährleisten”, sagte der ukrainische Präsident. Die Ukraine fordert seit langem etwa Sanktionen gegen China und Indien, die zu Russlands wichtigsten Ölkunden gehören.

Selenskyj: Kind durch Bombe getötet

Russland habe seinen “Terror aus der Luft gegen unsere Städte und Gemeinden” und die Angriffe auf die Energieinfrastruktur intensiviert, sagte Selenskyj. Allein in der vergangenen Woche habe das Land mehr als 3.100 Drohnen, 92 Raketen und rund 1.360 Gleitbomben gegen die Ukraine eingesetzt. “Gestern wurde in Kostjantyniwka ein Kind in einer Kirche durch eine Fliegerbombe getötet”, berichtete Selenskyj. Die Behörden sprachen von insgesamt vier Toten im Gebiet Donezk, davon zwei in Kostjantyniwka. Im Gebiet Cherson seien zwei Menschen getötet worden.

Die ganze Woche habe Russland etwa unter anderem die Regionen Sumy, Charkiw und Donezk mit Terror überzogen, hieß es in einem von Selenskyj ebenfalls veröffentlichten Video mit Aufnahmen von Bränden und Zerstörungen. Die Ukraine brauche noch immer mehr Flugabwehrsysteme, die von den Verbündeten versprochen worden seien. “Wir brauchen starke Unterstützung von unseren Partnern”, hieß es in einem Appell des Videos.

Erneut Angriffe auf Energieinfrastruktur

Auch am Sonntag meldeten die ukrainischen Luftstreitkräfte mehr als 100 russische Drohnenangriffe, von denen fast alle abgewehrt worden seien. Betroffen von den Angriffen ist seit Tagen besonders die Energieinfrastruktur der Ukraine. Laut Energieministerium in Kiew waren vor allem die Gebiete Odessa im Süden, Tschernihiw im Norden und Donezk im Osten Ziele der Angriffe. Laut Behörden kam es dort zu Stromausfällen und Unterbrechungen der Wasserversorgung.

Auch das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, die russischen Streitkräfte hätten erneut die Energieinfrastruktur in der Ukraine angegriffen. Es handle sich um Anlagen, die Teil des militärisch-industriellen Komplexes der Ukraine seien, zitierte die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA das Ministerium. Die russische Flugabwehr fing nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in den vergangenen 24 Stunden insgesamt 72 ukrainische Drohnen ab und zerstörte sie, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax meldete.

Bericht: USA helfen Ukraine bei Langstreckenangriffen

Die USA unterstützen einem Medienbericht zufolge die Ukraine seit Monaten bei Langstreckenangriffen auf russische Energieanlagen. Ziel sei es, die russische Wirtschaft zu schwächen und Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, berichtete die “Financial Times” am Sonntag unter Berufung auf mehrere Insider. Der US-Geheimdienst habe der Ukraine dabei geholfen, wichtige russische Energieanlagen, darunter Ölraffinerien, weit hinter der Frontlinie anzugreifen, hieß es unter Berufung auf nicht namentlich genannte Vertreter der Ukraine und der USA.

Das US-Präsidialamt, das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und das ukrainische Außenministerium reagierten nicht sofort auf die Bitte um eine Stellungnahme zu dem Bericht. Auch vom russischen Außenministerium gab es zunächst keinen Kommentar. Die Führung in Moskau hatte unlängst erklärt, die USA und die NATO versorgten die Ukraine regelmäßig mit Geheimdienstinformationen. Der “Financial Times” zufolge unterstützt der US-Geheimdienst die Führung in Kiew bei der Routenplanung, Flughöhe, Zeitplanung und bei Entscheidungen über Einsätze. Dadurch könnten die weitreichenden Angriffsdrohnen der Ukraine der russischen Flugabwehr entgehen. Russland führt seit mehr als dreieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Russland warnt vor Eskalation

Russland zeigte sich unterdessen am Sonntag besorgt über eine mögliche Lieferung von weitreichenden US-Tomahawk-Raketen an die Ukraine und warnte vor einer Eskalation des Krieges. “Das Thema Tomahawks gibt Anlass zu großer Sorge”, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow, dem Staatsfernsehen. “Gegenwärtig ist wirklich ein dramatischer Moment, da die Spannungen von allen Seiten eskalieren.”

US-Präsident Donald Trump hatte erklärt, er wolle vor einer Lieferung von Tomahawks wissen, was die Ukraine mit den Raketen vorhabe, da er den Krieg nicht eskalieren wolle. Tomahawks haben eine Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern. Damit könnte die Ukraine Ziele weit im russischen Hinterland und auch die Hauptstadt Moskau ins Visier nehmen.

Peskow sagte weiter, wenn Tomahawk-Raketen auf Russland abgefeuert würden, müsse die russische Führung berücksichtigen, dass einige Versionen der Rakete Atomsprengköpfe tragen könnten. “Stellen Sie sich vor: Eine Langstreckenrakete wird gestartet und fliegt, und wir wissen, dass es sich um eine Atomrakete handeln könnte. Was sollte die Russische Föderation denken? Wie sollte Russland reagieren? Militärexperten im Ausland sollten das verstehen.”

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