Ukrainischer Präsident und Gattin Olena Selenska in Wien begrüßt

Selenskyj will Wien als Vermittler bei verschleppten Kindern

Montag, 16. Juni 2025 | 18:02 Uhr

Von: apa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Vermittlung Österreichs in den Bemühungen um die Rückkehr verschleppter ukrainischer Kinder ins Spiel gebracht. “Wir haben über die Möglichkeit der Vermittlung Österreichs in dieser Frage gesprochen, damit die Kinder zurückkommen”, sagte Selenskyj am Montag nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. Skeptisch zeigte sich Selenskyj zu einer Neutralität der Ukraine nach Österreichs Vorbild.

Bezüglich der verschleppten Kinder erteilte Selenskyj einer Austauschvereinbarung mit Russland eine Absage. “Wir können Kinder nicht umtauschen, die sind keine Tauschware”, betonte der ukrainische Präsident in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Van der Bellen. Tausende Kinder seien gewaltsam nach Russland gebracht worden. Sämtliche Kinder müssten zurück in ihre Heimat, in ihre Familien und ihre Kultur gebracht werden.

Hilfe bei Auslieferungen

Selenskyj machte auch klar, dass er sich eine stärkere Kooperation der österreichischen Behörden bei Auslieferungsbestrebungen in Bezug auf eigene Staatsbürger erwartet. Es gehe dabei um Ukrainer, “die sich jetzt in Österreich verstecken, damit sie sich der Verantwortung entziehen können. Das ist verantwortungslos, vor allem in Zeiten des Krieges”, sagte er. “Wir hoffen, dass Österreich uns in dieser Frage helfen wird und uns unterstützen wird.”

Selenskyj bekräftigte auf die Frage eines österreichischen Journalisten auch seine Skepsis, was russische Neutralitätsvorschläge für sein Land betrifft. “Im Jahr 2014 war die Ukraine ein blockfreies Land und wir sehen, wie das alles geendet hat. Das hat mit einem Krieg geendet, mit der Okkupation der Halbinsel Krim und eines Teils der östlichen Ukraine”, sagte er. Die Ukraine sei damals “quasi neutral” gewesen, habe nicht genug Entschlossenheit gehabt und ihre Armee nicht genug Kraft. “Wir wollen, dass dieser Krieg beendet wird, aber nicht nach einem Ultimatum und nicht um den Preis der Unabhängigkeit der Ukraine”, sagte er in Richtung Moskau.

Selenskyj fordert mehr Druck auf Moskau

Mit Blick auf den bevorstehenden G7-Gipfel forderte Selenskyj, den Druck auf Russland durch weitere Sanktionen zu erhöhen. Besonders wichtig seien etwa Sanktionen gegen russische Energieträger wie etwa Erdöl. Der ukrainische Präsident zeigte sich auch zuversichtlich, dass die USA weiter Waffen an Kiew liefern werden. “Wir reden mit Trump über Militärhilfe und Waffen, welche wir bereit sind zu kaufen”, betonte er. “Wir reden nicht über neue Hilfe.” Man müsse daran arbeiten, dass das Bündnis zwischen den USA und Europa “nicht zugrunde geht”. “Keiner kann einer Union aus EU und USA Widerstand leisten. Deshalb sind wir an einer starken Bindung sehr interessiert”, betonte er. Sollte es in diesem Bereich Schwierigkeiten geben, “dann müssen wir einen Riesensprung in der Entwicklung der eigenen Militärindustrie machen und dafür haben wir nicht zu viel Zeit.”

Van der Bellen bekräftigte die klare Unterstützung Österreichs für die Ukraine. “Die Menschen der Ukraine wollen keine russischen Untertanen sein, sie kämpfen für ihre Freiheit”, betonte er. Es gehe darum, dass ein Land sein Wertesystem selbst wählen dürfe. “Diesen Kampf führt die Ukraine nicht nur für sich selbst, sondern für ganz Europa, auch für uns. Dafür danke ich Ihnen”, sagte er in Richtung Selenskyjs. Österreich unterstütze die Ukraine in vielen Bereichen, nur nicht militärisch. Selbst wenn es letzteres tun wollte, “ich wüsste nicht, was wir für die Ukraine tun könnten, weil wir selbst mit dem Aufbau (des Militärs, Anm.) beschäftigt sind”, so der Bundespräsident. Den Besuch Selenskyjs sah Van der Bellen nicht im Widerspruch zur Neutralität.

Beide Präsidenten sprachen auch den Wiederaufbau der Ukraine an. Dieser sei schon “jetzt notwendig”, sagte Selenskyj. Und Van der Bellen sprach den Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau an. Österreich sei vor dem Krieg einer der größten Investoren in der Ukraine gewesen, betonte der Bundespräsident. 200 österreichische Unternehmen seien dauerhaft in der Ukraine engagiert.

Mehrere Memoranden unterzeichnet

Zu Beginn des gemeinsamen Pressegesprächs wurden mehrere bilaterale Memoranden und Absichtserklärungen präsentiert, in den Bereichen Außenpolitik, Landwirtschaft, Regionen und Kommunales. Unterzeichnet wurden die Dokumente von Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS), Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), Gemeindebundpräsident Johannes Pressl (ÖVP) und dem oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP).

Selenskyj war frühen Nachmittag mit militärischen Ehren in Wien empfangen worden. Es handelt sich um den ersten Österreich-Besuch des ukrainischen Staatsoberhaupts seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. Selenskyj wird von seiner Ehefrau Olena Selenska zu dem offiziellen Besuch begleitet.

Selenskyj bei Stocker

Selenskyj traf außerdem mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sowie Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ), Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Vertretern aus der Wirtschaft zusammen. In kurzen Begrüßungsworten versicherte Stocker, dass Österreich auch weiterhin auf der Seite der Ukraine stehen werde. Alle wollten ein Ende dieses Krieges, am allermeisten die Menschen in der Ukraine, sagte er. Man unterstützte alle Initiativen, die zu einem Waffenstillstand und zu einem nachhaltigen sowie gerechten Frieden führten. “Russland ist dringend aufgerufen, sich endlich an den Verhandlungstisch zu begeben”, erklärte der Bundeskanzler, der gleichzeitig die österreichische Bereitschaft unterstrich, beim Wiederaufbau der Ukraine eine wichtige Rolle zu spielen.

Es sei sehr wichtig, dass Länder, die auf Putin in Bezug auf einen Waffenstillstand und ein Kriegsende einwirken könnten, eine Vermittlerrolle vorschlugen, erklärte seinerseits Selenskyj. “Ich bin sehr froh, dass Österreich entsprechende Signale in Bezug auf eine Vermittlungsmission gibt und wir unterstützen das”, sagte der ukrainische Präsident ohne auf weitere Details einzugehen. Wichtig seien auch Bemühungen, mit denen die Rückführung von durch Russland “gestohlenen” Kindern unterstützt werden soll. Auch hoffe man auf die Zusammenarbeit mit Österreich auf dem Gebiet der Justiz. “Leider verstecken sich (vor der ukrainischen Strafverfolgung, Anm.) auf österreichischem Territorium nur einige ehemalige ukrainische Amtsträger und Oligarchen. Dies ist eine wichtige Frage der Gerechtigkeit”, betonte er und kündigte an, diese Frage mit Stocker explizit besprechen zu wollen. Abschließend ersuchte Selenskyj zudem um Unterstützung bei der europäischen Integration seines Landes.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) hatte Selenskyj vom Flughafen abgeholt. Auch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) traf Selenskyj zu einem Arbeitsgespräch. Dabei wollte der SPÖ-Chef ihm Österreich als Standort für zukünftige Friedensverhandlungen anbieten. In der Delegation Selenskyjs befinden sich mehrere Minister, unter anderen der ukrainische Außenminister Andrij Sibyha und Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko. Mit ihr unterzeichnete Hattmannsdorfer eine Absichtserklärung über die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, war ebenfalls dabei. Der Gouverneur von Odessa, Oleh Kiper, unterzeichnete eine Patenschaftserklärung für seine Region mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Stelzer.

Auch Meinl-Reisinger sagte Hilfe bei entführten Kindern zu, die hatte ein entsprechendes Kommuniqué mit Sibyha unterschrieben. Die Ukraine könne “auf unsere Unterstützung bei der Rückführung der gewaltsam von Russland verschleppten Kinder zählen”, sagte Meinl-Reisinger gemäß einer Aussendung des Außenministeriums. Das Ministerium erklärte, dass sich Österreich dafür einsetze, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Österreich unterstütze die Ukraine mit humanitärer Hilfe, psychosozialer Betreuung, Bildungsprojekten und dem Wiederaufbau sicherer Infrastruktur. “Denn jedes zurückgeholte Kind braucht eine Umgebung, in der es wieder Kind sein darf”, hieß es.

Kommentare

Aktuell sind 2 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen