Von: apa
Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag am dritten und letzten Tag seines Staatsbesuches in Österreich zusammen mit Alexander Van der Bellen Tirol seine Aufwartung gemacht. Am Programm standen etwa eine Besichtigung der Brennerbasistunnel (BBT)-Baustelle – Steinmeier legte eine Art Bekenntnis zur nördlichen Zulaufstrecke ab – sowie ein Besuch von Schloss Ambras. Zu guter Letzt gab es einen “Landesüblichen Empfang” samt Schützen in Innsbruck.
Anlässlich letzterem erfuhren Steinmeier und Van der Bellen am frühen Abend reichlich Tiroler Tradition und Gastfreundschaft vor der Innsbrucker Hofburg. Mehrere Schützenkompanien, eine Blasmusikkapelle, Abordnungen von Traditionsvereinen marschierten auf – mit dem ein oder anderen Stamperl Schnaps inklusive. Die Abordnungen musste bei teils strömenden Regen unbeschirmt ausharren, während Steinmeier und Van der Bellen samt Anhang mit Regenschirmen ausgestattet aus der Innsbrucker Hofkirche kamen, die sie zuvor besichtigt hatten. Und daraufhin die Ehrenkompanie abschritten.
Dieses Mal lief der “Landesübliche Empfang” etwas anders ab als in Tirol üblich. Nicht Mattle war – wie sonst üblich – der “Oberbefehlshaber” über das Formationen und Kompanien, sondern Bundespräsident Van der Bellen. Er gab den Befehl dazu, mit dem Empfang zu starten sowie die Ehrensalve abzufeuern, während Mattle das Abnehmen der Abschlussmeldung sowie den Befehl zum Abtreten vornahm. Auch gab es mehr Hymnen als im “Normalmodus”: Es erklangen sowohl die deutsche, die österreichische, die Tiroler als auch die Europahymne.
Kultur nach gemeinsamem Mittagessen
Am Nachmittag hatten beide Staatsoberhäupter und Tirols Landeshauptmann Mattle mit den Ehefrauen Elke Büdenbender, Doris Schmidauer und Daniela Mattle nach einem gemeinsamen Mittagessen in einem Tiroler Traditionsgasthaus ein dichtes Programm absolviert. Knapp eine Stunde verbrachten sie im Schloss Ambras. Kuratorin und Kunstvermittlerin Katharina Seidl führte die Ehrengäste im Schnelldurchlauf durch die Ausstellung des Schlosses und schließlich in den prächtigen Spanischen Saal, wo ein kleines Ensemble der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ein, zwei Stücke zum Besten gaben.
Die Politiker und deren Gattinnen schritten durch die Sammlungen des ehemaligen Schlossherrn und Tiroler Erzherzogs Ferdinand II., der in Schloss Ambras mit seinen Sammlungen das erste Museum der Welt aufgebaut hatte. Bestaunt wurden insbesondere die Heldenrüstungskammer sowie die Kunst- und Wunderkammer der Renaissance. Ein riesiges Deckengemälde – der Ambraser Sternenhimmel – hatte es den Gästen besonders angetan und wurde lange und interessiert betrachtet. In Begleitung Steinmeiers befand sich übrigens Startenor und Festspiele Erl-Intendant Jonas Kaufmann.
Besuch bei Quantentechnik-Unternehmen
Mit dem Konvoi unter Begleitung von massivem Polizeiaufgebot inklusive Straßensperren in der Landeshauptstadt ging es dann weiter ans andere Ende der Stadt. Am Campus Technik gab es eine Stippvisite in die Welt der Quantentechnik. Die Bundespräsidenten besuchten das Unternehmen Alpine Quantum Technologies (AQT), das sich mit der Entwicklung von Quantencomputern beschäftigt. Innsbruck gilt schließlich als Hochburg der Physik, das AQT wurde von den Physik-Assen Peter Zoller, Rainer Blatt und Thomas Monz im Jahr 2018 gegründet. Der Besuch im AQT währte indes nur kurz, denn die Delegation musste sich rasch aufmachen zu ihrem nächsten Termin.
Steinmeier auf BBT-Baustelle mit Zuversicht für Brenner-Nordzulauf
Am Vormittag hatten Steinmeier und Van der Bellen die bereits fertiggestellten Haupttunnel West und Ost des europäischen Eisenbahnprojekts Brennerbasistunnel besichtigt. Der hohe Besuch traf gegen 10.30 Uhr mit einem Polizeikonvoi am BBT-Tunnelportal Ahrental auf Innsbrucker Gebiet ein, wo sie von Mattle und den beiden BBT-Vorständen Martin Gradnitzer (Österreich) und Umberto Lebruto (Italien) begrüßt wurden. Adjustiert waren Steinmeier und Van der Bellen sowie die Ehefrauen bereits mit Bauhelmen und Schutzbekleidung. Nach einem kurzen Posieren vor dem Tunnelportal für die zahlreich anwesenden Journalisten, Fotografen und Kamerateams ging es dann gemeinsam in den Tunnel.
Im Tunnel waren schließlich zwei “Fotospots” eingerichtet, um das große mediale Interesse an den beiden Bundespräsidenten und deren Begleitung zu befriedigen. Alle Akteure schritten unter Tage die zwei am Besichtigungsplan stehenden Tunnelröhren ab. Steinmeier war dabei stetig und angeregt vor allem mit BBT-Vorstand Gradnitzer im Gespräch.
Steinmeier optimistisch zu BBT-Nordzulauf, zu Nicht-Realisierung “wird es hoffentlich nicht kommen”
Landeshauptmann Mattle hatte sich im Vorfeld der Besichtigung vorgenommen, die Frage des BBT-Nordzulaufs in Deutschland mit Steinmeier besprechen zu wollen. Ein Beschluss Deutschlands über den Streckenverlauf in Bayern war nicht zuletzt aufgrund von Bürgerprotesten noch ausständig. Der deutsche Bundespräsident gab sich nach dem Tunnelbesuch sowohl optimistisch als auch diplomatisch: “In Österreich vertraut man darauf, dass Deutschland in Sachen Zulauf seine Aufgabe wahrnimmt.” Er wiederum habe gehört, dass “sich der Deutsche Bundestag im Winter mit der Frage der Finanzierung neu befassen wird.” Gefragt, ob es sich Deutschland leisten könne, das Projekt nicht hinzubekommen, antwortete er: “Dazu wird es hoffentlich nicht kommen.” Selbst sei er jedenfalls zuversichtlich, dass “die Zulaufstrecken aus dem Norden” der erhöhten Zugfrequenz nach BBT-Fertigstellung “Rechnung tragen werden”.
In puncto Brennerbasistunnel-Projekt beglückwünschte Steinmeier Österreich und Italien dafür, “dass sie gut vorgearbeitet haben.” Er habe aber “kein böses Wort über den nördlichen Nachbarn Deutschland” gehört.
Van der Bellen – der mit Steinmeier im Doppel zum BBT-Besuch-Abschlussstatement angetreten war – äußerte sich nicht zum Thema BBT-Nordzulauf. Er brachte aber seine “Faszination” gegenüber diesem gewaltigen Bauwerk sowie sein Bedauern, dass der Staatsbesuch heute zu Ende gehen wird, zum Ausdruck. “Schade, dass sich das Ende schon nähert”, sagte das Staatsoberhaupt in Richtung seines deutschen Amtskollegen. Aber: “Zum Ende werden wir euch noch einen ‘Landesüblichen Empfang’ bereiten.”
Der seit 2007 im Bau befindliche Brennerbasistunnel ist ein reiner Zugtunnel mit einer Gesamtlänge von 64 Kilometern, der zwischen Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste in Italien – hier auf 55 Kilometern – verläuft. Er gilt als Kernelement der neuen Bahnverbindung von München nach Verona. Nach der im Jahr 2031 geplanten Fertigstellung und im Jahr darauf stattfindenden Inbetriebnahme wird der für Güter- und Personenzüge vorgesehene Tunnel die “längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt” sein. Als Gesamtprojektkosten wurden 10,5 Mrd. Euro veranschlagt. 204 der insgesamt 230 Tunnelkilometer des Brennerbasistunnels und damit 90 Prozent der Gesamtstrecke waren zuletzt bereits herausgebrochen.
Heimatbesuch für Van der Bellen, Ankunft mit Zug
Die beiden Bundespräsidenten waren bereits Mittwochabend in der Tiroler Landeshauptstadt angekommen – und zwar mit dem Railjet. Teile des Innsbrucker Hauptbahnhofes wurden dabei polizeilich abgesperrt. Anschließend huschten die Bundespräsidenten und ihre Ehefrauen in Limousinen, die vor dem Gebäude auf sie warteten. Für den Tiroler Van der Bellen war es auch eine Art Heimatbesuch, hatte er in Innsbruck doch lange gelebt und an der hiesigen Universität gearbeitet.
Staatsbesuch am Dienstag begonnen
Der Staatsbesuch Steinmeiers hatte am Dienstag in Wien begonnen. Nach einem Empfang mit militärischen Ehren durch Bundespräsident Van der Bellen standen neben dem Treffen mit diesem auch solche mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf dem Programm, ehe am Abend ein Staatsbankett stattfand. Bei einer Pressekonferenz beschworen Steinmeier und Van der Bellen die europäische Kooperation. Europa befinde sich in Bereichen wie “Wirtschaftsentwicklung, Migration, Fachkräftemangel, Klimaschutz oder Sicherheit” an einer “entscheidenden Wegmarke”. Solche Fragen könnten aber nur gemeinsam gelöst werden.
Am Mittwoch eröffnete Steinmeier dann den Neubau der deutschen Botschaft in Wien-Landstraße. Zudem standen unter anderem Besuche bei Rheinmetall MAN Military Vehicles in Wien-Liesing und im Max Reinhardt Seminar in Wien-Penzing am Programm.
Ein Staatsbesuch ist die höchste Form der diplomatischen Wertschätzung zweier Staaten, die ausschließlich den jeweiligen Staatsoberhäuptern vorbehalten ist. Der letzte Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten fand 1997 statt und ist damit 28 Jahre her. Roman Herzog weilte damals auf Einladung von Thomas Klestil drei Tage in Österreich. Hauptthema war zu dieser Zeit die bevorstehende EU-Osterweiterung.




Aktuell sind 5 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen