Von: APA/dpa/AFP/Reuters
Die sterblichen Überreste von vier weiteren Hamas-Geiseln sind nach Israel zurückgebracht worden. Die Leichen würden zur Identifizierung ins nationale Institut für Gerichtsmedizin gebracht, erklärte die israelische Armee am Dienstagabend. Zuvor waren die Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen übergeben worden. Am Montag hatte die Hamas lediglich die sterblichen Überreste von vier toten Geiseln an Israel übergeben und nicht die aller 28 Getöteten.
“Die Hamas ist verpflichtet, das Abkommen einzuhalten und die notwendigen Schritte zur Rückführung der Geiseln zu unternehmen”, hieß es in der Mitteilung der israelischen Armee.
Trump will Hamas entwaffnet sehen
US-Präsident Donald Trump will die Hamas entwaffnet sehen – notfalls auch unter dem Einsatz von Gewalt. Er habe mit Vertretern der islamistischen Terrororganisation gesprochen, und sie hätten ihm zugesagt, dass sie die Waffen ablegen werden. “Und wenn sie sich nicht entwaffnen, werden wir sie entwaffnen, und das wird schnell und vielleicht gewaltsam passieren”, sagte er bei einem Treffen mit dem argentinischen Staatschef Javier Milei am Dienstag.
Wen genau er mit “wir” meinte, sagte er nicht. Die Hamas lehnte es bisher ab, ihre Waffen abzugeben. Trump wollte sich zu einer möglichen Frist nicht genau äußern. Die Entwaffnung solle aber “ziemlich, ziemlich schnell” in einem “angemessenen Zeitraum” erfolgen.
US-Präsident Trump forderte die Hamas zudem auf, unverzüglich die von ihr zurückgehaltenen Leichen getöteter Geiseln an Israel zu übergeben. Nach der Rückkehr der 20 letzten lebenden Hamas-Geiseln sei die Arbeit “noch nicht beendet”, erklärte Trump am Dienstag in seiner Onlineplattform “Truth Social”. “Die Toten wurden nicht zurückgegeben – wie zugesagt.” Unter Bezugnahme auf seinen Friedensplan für den Gazastreifen fügte er hinzu: “Phase zwei beginnt jetzt.”
In die Freude über die Freilassung aller noch lebenden 20 Gaza-Geiseln am Montag mischte sich in Israel zunehmend Unmut, dass nur wenige tote Geiseln zurückgegeben wurden. Die Übergabe der Leichen könnte nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) allerdings noch Tage oder Wochen dauern.
“Schock und Frustration” über nur vier übergebene Leichen
Es sei klar gewesen, dass die islamistische Hamas eventuell nicht alle 28 Toten innerhalb der dafür vereinbarten Frist sofort am Montag zurückgeben könne, schrieb das Nachrichtenportal “ynet” am Dienstag. Aber Regierungsvertreter hätten mit “Schock und Frustration” reagiert, als nur vier Särge übergeben wurden. Israel habe in dieser Frage “Fortschritte” spätestens bis zum Dienstagabend gefordert, schrieb die Zeitung “Times Of Israel”.
Offizielle Angaben wurden dazu zunächst nicht bekannt. Auch die Hamas gab keine Erklärung ab. Aus Kreisen in ihrem Umfeld hieß es jedoch, es würden Maschinen und mehr Zeit benötigt, um die Verschütteten zu bergen. Die Regierung in Jerusalem glaube der Hamas jedoch nicht, wenn sie behaupte nicht zu wissen, wo die Toten seien oder diese in dem schwer zerstörten Gazastreifen nicht bergen zu können. Israel gehe vielmehr davon aus, dass die Terrororganisation die Toten als Druckmittel für weitere Verhandlungen zurückhalte, berichteten mehrere israelische Medien.
Übergebene Leichen sind identifiziert
Die vier an Israel übergebenen toten Geiseln sind israelischen Angaben zufolge mittlerweile identifiziert worden. Die Identität des 26-jährigen israelischen Staatsbürgers Guy Illouz, des 23-jährigen nepalesischen Studenten Bipin Joshi und der beiden weiteren Geiseln sei nachgewiesen, teilte die israelische Armee am Dienstag mit. Auf Wunsch der Angehörigen von zwei Geiseln werde deren Identität nicht bekannt gegeben. Guy Illouz war am 7. Oktober 2023 beim Angriff der Hamas auf das Supernova-Musikfestival entführt und in den Gazastreifen verschleppt worden. Bipin Joshi wurde im Zuge des Hamas-Großangriffs im Kibbutz Alumim entführt und im Gazastreifen festgehalten. Der Landwirtschaftsstudent gehörte zu einer Gruppe nepalesischer Studenten, die erst drei Wochen zuvor zur Pflege von Orangen- und Zitronenplantagen nach Israel gekommen waren.
Israel hat Nepal nach Rückführung der Leiche eines nepalesischen Agrarstudenten aus dem Gazastreifen sein Beileid ausgesprochen. Der Fall des Studenten hatte für große Anteilnahme gesorgt. Seine Schwester hatte im August bei einer Großkundgebung für die Geiseln in Tel Aviv unter Tränen eine Ansprache gehalten.
Verteidigungsminister Katz drohte mit Konsequenzen
Verteidigungsminister Israel Katz hatte der Hamas schon am Montag einen Bruch der Vereinbarungen über die Waffenruhe vorgeworfen und mit Konsequenzen gedroht. Allerdings blieb unklar, wie die aussehen könnten. Israel hatte am Montag seinen Teil der Verpflichtung erfüllt und fast 2.000 Palästinenser freigelassen.
Eine Angehörige einer toten Geisel kritisierte die israelische Regierung scharf. Jael Adar, die Mutter der Geisel Tamir Adar, warf der Regierung “Verrat” an den Familien vor. Israel habe es in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas versäumt, eine absolute Frist für die Rückgabe aller Toten zu setzen, sagte sie im Fernsehen, wie die “Times of Israel” berichtete.
Die Vereinbarung über die Waffenruhe im Gaza-Krieg sieht vor, dass – neben den überlebenden – sämtliche tote Geiseln ausgehändigt werden.
Sechs Tote bei israelischem Drohnenangriff in Gaza
Unterdessen sind am Dienstag bei einem israelischen Drohnenangriff in der Stadt Gaza trotz der Waffenruhe einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge mindestens sechs Menschen getötet worden.
Die Drohne habe das Feuer auf Menschen im Viertel Shejaija eröffnet, schrieb Wafa unter Berufung auf Informationen aus medizinischen Kreisen des Küstengebiets. Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, mehrere Personen hätten sich israelischen Stellungen genähert und eine Bedrohung für die Soldaten dargestellt. Das sei eine Verletzung der Vereinbarung über die Waffenruhe. Da sich die Personen auch auf mehrmalige Aufforderung nicht zurückgezogen hätten, sei das Feuer eröffnet und “die Bedrohung beseitigt” worden. Die Armee rief die Bevölkerung des Küstenstreifens erneut auf, sich nicht israelischen Stellungen zu nähern.
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