Von: apa
In Südtirol ist ein Streit um die Einrichtung einer eigenen Klasse für Kinder ohne Deutschkenntnisse an der Bozner Goetheschule entbrannt. Die Goetheschule hatte Entsprechendes angekündigt, die – geteilten – politischen Reaktionen darauf ließen nicht lange auf sich warten. Dabei zeichnete sich Uneinigkeit sowohl innerhalb der Landesregierung als auch der Südtiroler Volkspartei (SVP) von Landeshauptmann Arno Kompatscher ab. Letzterer erteilte “Populismus” eine Absage. Nun hat auch Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner ein Machtwort gesprochen.
Sonderklassen seien “laut Gesetz verboten”, ließ SVP-Kulturlandesrat Philipp Achammer, zuständig auch für Deutsche Bildung, wissen. Nun soll laut Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner geprüft werden, ob es sich im Fall der Goetheschule tatsächlich um eine solche handle. Schulleiterin Christina Holzer hatte dies Medienberichten zufoolge bestritten. “In beiden 1. Klassen gibt es in etwa dieselbe Anzahl von Kindern ohne italienische Staatsbürgerschaft. Es wird mehr oder weniger sprachbegabte Kinder geben”, sagte Holzer. “Ich muss Unterricht möglich machen, aber auch auf die muttersprachlichen Kinder schauen”, hatte sie zuvor die Einteilung der Klassen begründet. Der Aufsehen erregende Schritt wurde von der Schule wegen eines steigenden Anteils von Kindern ohne Deutschkenntnissen gesetzt. Generell drängen in Südtirols Städten immer mehr Kinder, die kein Deutsch können, in deutsche Schulen.
Die Meinungen der Partner der Mitte-Rechts-Fünferkoalition aus SVP, Südtiroler Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica zu dem Schritt der Goetheschule gingen jedenfalls teils weit auseinander. Kompatscher ließ gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA wissen, dass Sonderklassen “nicht zielführend” sowie “weder im Gesetz noch im Koalitionsvertrag vorgesehen” seien. Unterstützung für Kinder mit Förderbedarf etwa durch Stütz- und Sprachlehrer sei sinnvoll, “aber sicher nicht durch die Einrichtung von Sonderklassen”. “Mit Populismus kommen wir nicht weit”, meinte der Landeshauptmann und betonte die Wichtigkeit von Gesprächen und Dialog. Man müsse “gezielte und durchdachte Lösungen finden”.
Damit lag er zwar auf einer Linie mit SVP-Landesrat Achammer, aber argumentierte entgegengesetzt zu SVP-Obmann Dieter Steger. Dieser hatte den von der Goetheschule gewählten Weg gegenüber dem Tagblatt “Dolomiten” als den einzig richtigen gelobt, “um deutsche Kinder nicht zu benachteiligen – und allemal besser, als wenn sie als Feigenblatt zu zweit oder zu dritt in einer Klasse sitzen, ohne jenen Standard zu erhalten, der ihnen zusteht”. Zu dem Thema soll nun SVP-intern eine von Landessekretär Harald Stauder geleitete Arbeitsgruppe eingesetzt werden.
Landeshauptmannstellvertreter und Bildungslandesrat Marco Galateo (Fratelli) wiederum sprach von einer “Ghetto-Klasse” und “Rassismus pur”. Klassen seien laut Gesetz ausgewogen zu bilden. Hätte er eine solche Klasse gebildet, würden “alle Linken der Welt auf der Straße protestieren”. Für Landesrat Christian Bianchi (Lega) war es “zu verdammen”, sollten auch italienische Kinder in dieser Klasse zusammengefasst worden sein. Bei Migranten indes sei es “mehr als diskutabel”.
Unterschiedlich auch die Reaktionen anderer Parteien. Zustimmung kam von den Südtiroler Freiheitlichen. Es sei “absolut nachvollziehbar, dass eine Schulführungskraft zur Selbsthilfe übergeht, um die untragbaren Zustände in den Griff zu bekommen”, ließ Obmann Roland Stauder wissen. Das Team K sprach in einer Aussendung von einem “Ausdruck des politischen Versagens” und einer “verzweifelten Maßnahme eines Schulsystems, das seit Langem an seine Grenzen geraten ist.” Das Schulsystem in seiner jetzigen Form reiche “schon lange nicht mehr aus”, hieß es auch seitens der Grünen. Schulen würden wegen der Untätigkeit nun eigene Lösungen suchen. Die von der Goetheschule gewählte Variante sei jedoch “ein weiteres Zeichen für einen falschen Weg und eine verweigerte Lösung”. Die Süd-Tiroler Freiheit wiederum begrüßte die Initiative der Schule als “ersten Schritt”: “Wie soll Unterricht gelingen, wenn die Kinder oft kein einziges Wort verstehen? Damit ist keinem Kind gedient”.
Nun hat Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner ein Machtwort gesprochen. „Ich werde kein grünes Licht für eine solche Klasse geben, wenn die Aufteilung der Schüler nicht mit gesetzlichen Bestimmungen gegen Diskriminierung übereinstimmt“, kündigte Falkensteiner an.
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