Wahlplakate - Zaghafte Zeichen der schwierigen Rückkehr zur Demokratie

Syriens erste Parlamentswahl nach Sturz Assads begonnen

Sonntag, 05. Oktober 2025 | 13:49 Uhr

Von: APA/AFP/dpa

In einem als undemokratisch kritisierten Auswahlverfahren werden am Sonntag in Syrien die Mitglieder des ersten Parlaments nach dem Sturz des früheren Machthabers Bashar al-Assad bestimmt. 70 der insgesamt 210 Abgeordneten werden von Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa ernannt, die anderen zwei Drittel von lokalen Komitees ausgewählt – die ihrerseits von der von Sharaa ernannten Wahlkommission ernannt werden. Aktivisten kritisieren, dass das Verfahren Sharaas Macht festige.

Premiere mit Wermutstropfen

Außerdem würden die ethnischen und religiösen Minderheiten des Landes nicht berücksichtigt. Nach Angaben der Wahlkommission bewerben sich 1.578 Kandidaten um einen Sitz im Übergangsparlament. Nur 14 Prozent der Bewerber seien Frauen. Das Mandat der künftigen Abgeordneten ist nach einer Begrenzung von 30 Monaten verlängerbar. Vorläufige Ergebnisse werden nach Ende des Verfahrens erwartet, die endgültige Namensliste soll am Montag bekannt gegeben werden.

Gemäß den Kriterien dürfen die Kandidaten keine “Anhänger des früheren Regimes” sein. Zudem dürfen sie sich nicht für eine Abspaltung von Regionen oder gar eine Teilung des Landes einsetzen. Einer der Kandidaten ist der US-Syrer Henry Hamra – der erste jüdische Kandidat in Syrien seit den 1940er-Jahren.

Die mehrheitlich von Drusen bewohnte südsyrische Provinz Sweida und der von Kurden kontrollierte Nordosten des Landes sind jedoch vorerst von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen, da sie nicht der Kontrolle der islamistischen Übergangsregierung unterstehen. Ihre 32 Sitze bleiben unbesetzt.

Gemäß einer im März verkündeten Übergangsverfassung soll das neue Parlament bis zur Verabschiedung einer dauerhaften Verfassung und dem Abhalten von Neuwahlen legislative Funktionen ausüben. Laut Sharaa ist es derzeit unmöglich, Direktwahlen zu organisieren. Er begründet dies mit fehlenden Ausweispapieren infolge von Flucht und Vertreibung im Zuge des Bürgerkriegs.

Kritik an Sharaa

Menschenrechtsorganisationen warnen vor der Machtkonzentration in den Händen von Sharaa. Der islamistische Übergangspräsident könne “effektiv eine parlamentarische Mehrheit aus Personen bilden, die er ausgewählt hat oder deren Loyalität er sich gesichert hat”, erklärten rund ein Dutzend NGOs im September, darunter die in Frankreich ansässige Organisation Syrians for Truth and Justice. Dies berge die Gefahr, “das für jeden echten demokratischen Prozess wesentliche Prinzip des Pluralismus zu untergraben”.

“Historisch”

Sharaa selbst sagte beim Besuch des einzigen Wahllokals in der Hauptstadt Damaskus. “Dieser historische Moment für die Syrer ist in unserer heutigen Zeit sehr wichtig.” Alle Syrer müssten zusammenhalten, um ihr Land wieder aufzubauen. Es gebe noch viele ausstehende Gesetze, über die abgestimmt werden müsse, um den Wiederaufbau voranzutreiben.

Langzeitmachthaber Assad, der mithilfe von Polizei und Geheimdiensten autokratisch herrschte, war Anfang Dezember 2024 von der HTS-Miliz und mit ihr verbündeten Gruppen gestürzt worden. Nach ihrer Machtübernahme lösten die neuen Behörden das syrische Parlament auf. Seit Assads Sturz hat die Sorge um die Rechte und die Sicherheit von Minderheiten in Syrien nicht abgenommen.

Die islamistische Regierung in Damaskus ist dem Vorwurf ausgesetzt, Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Kurden nicht ausreichend zu schützen. Im März waren bei Massakern in den vorwiegend von Angehörigen der Alawiten bewohnten Regionen im Westen Syriens mehr als 1.700 Menschen getötet worden. Assad, der sich nach Russland abgesetzt hat, ist Alawit. Bei einem Gewaltausbruch in Sweida wurden zuletzt mehr als 1.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Drusen.

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