"Trete bei Landtagswahlen im Herbst nicht mehr an"

Landesrätin Martha Stocker verzichtet auf Kandidatur – Reaktionen

Montag, 16. April 2018 | 07:15 Uhr
Update

Bozen – Der Sonntagabend brachte eine handfeste politische Überraschung. Die Landesrätin für Sanität, Soziales, Arbeit und Sport, Martha Stocker, verzichtet auf eine erneute Kandidatur.

“Heute habe ich dem Obmann der SVP mitgeteilt, dass ich bei den Landtagswahlen im Herbst nicht mehr zur Verfügung stehen werde”, so Martha Stocker in einer Aussendung.

“Während meiner langen politischen Laufbahn war es für mich ein zentraler Grundsatz, aus demokratiepolitischer Sicht eine Begrenzung von Amtszeiten zu befürworten, weil sie einen notwendigen Erneuerungsschub für die demokratischen Institutionen bedeutet und mehr Menschen die Möglichkeit eröffnet, Verantwortung zu übernehmen. Diesem Grundsatz folgend habe ich meine Entscheidung getroffen”, Martha Stocker weiter.

“Nach 20 Jahren ehrenamtlichen Einsatzes für die Südtiroler Volkspartei (davon viele Jahre als Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Kultur sowie als Vorsitzende der SVP-Frauen) habe ich seit 1998 politische Mandate im Südtiroler Landtag, im Regionalrat, in der Regionalregierung sowie seit 2014 in der Landesregierung ausgeübt. Gerechtigkeit und Begegnung auf Augenhöhe waren dabei stets Leitmotiv meines politischen Handelns”, so Martha Stocker.

“Der erhaltene Zuspruch eröffnete mir stets viele Möglichkeiten der Gestaltung. Ich denke dabei in erster Linie an die Optionsausstellung, an das regionale Familiengeld und die Zusatzvorsorge, die wir über Pensplan umgesetzt haben, an das Gleichstellungsgesetz und alle frauenpolitischen Maßnahmen, an das neue Landesgesetz zur Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung, an den Landesgesundheitsplan und an die gesamte Neuausrichtung des Gesundheitsdienstes in Südtirol. Rückblickend bin ich dankbar für die so bereichernden menschlichen Begegnungen, für das in mich gesetzte Vertrauen, für die Erfahrungen, die mich in all diesen Jahren wachsen ließe”, erläutert Martha Stocker.

“Als Mitglied der Südtiroler Landesregierung werde ich bis zur Bildung der neuen Regierung nach den Wahlen mit vollem Einsatz die noch anstehenden Aufgaben angehen und freue mich dann – nach über 40 Jahren politischer Tätigkeit – auf andere Herausforderungen”, abschließend Martha Stocker.

Pöder: „Politikerin mit Idealen und Werten“

Als „Politikerin mit Idealen und Werten, mit der man auch als Oppositioneller reden konnte“ bezeichnet der Landtagsabgeordnete der BürgerUnion, Andreas Pöder, die SVP-Landesrätin Martha Stocker. Sie habe als Bildungs- und Sozialpolitikern wichtige Spuren hinterlassen, meint der Abgeordnete, nachdem Stocker bekannt gegeben hatte, bei den Landtagswahlen im Herbst nicht mehr zu kandidieren.

„Gescheitert ist Martha Stocker in der Gesundheitspolitik, durch eigene Fehler aber auch wegen der falschen Vorgaben durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und der SVP und der schlechten Beratung durch Thomas Schael und andere“, so Pöder.

Der Abgeordnete der BürgerUnion sieht es als eines der wichtigsten Ziele der Opposition für die bevorstehenden Landtagswahlen, der SVP das Gesundheits- und Sozialressort in der Landesregierung zu entreißen. „Ein SVP-Politiker darf nicht mehr Gesundheits- und Soziallandesrat oder -landesrätin werden“, so Pöder.

Grüne: „Größe und Scheitern liegen eng beisammen“

Der „jähe, aber sorgsam geplante Abgang von Landesrätin Martha Stocker“ macht die Landtagsabgeordneten der Grünen, Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba, betroffen: „Kaum jemand, der die Vielbeschäftigte in den letzten Wochen in voller Aktivität bestaunte, hätte sich ausgemalt, dass sie im heurigen Herbst der Politik den Rücken kehren würde. Vielmehr wirkte sie so motiviert, dass niemand an ihrem Wiederantritt zweifelte. Ihr unerwarteter Ausstieg sorgt für ein großes Überraschungsmoment, das gewiss auch beabsichtigt war.“

Es bestehe laut den Grünen aber auch kein Zweifel daran, dass Martha Stocker bei einem Wiederantritt im Herbst 2018 einen herben Stimmverlust erlitten hätte und deutlich geschwächt worden wäre. „Das wollte sie sich als selbstbewusster, ja stolzer Charakter, nicht antun, sodass sie einen Abgang mit erhobenem Haupt vorgezogen hat. Landesrätin Stocker hat 2014 von ihren Vorgänger im Bereich Gesundheit und Soziales ein schweres Erbe übernommen, die anschließenden Herausforderungen wie Gesundheitsreform und Flüchtlingsbewegung haben die Last ins Ungemessene vergrößert. An diesen Aufgaben hätten sich die allermeisten Anwärter verhoben, Landesrätin Stocker hat sich diesen Herausforderung im Dienste der Partei gewohnt diszipliniert gestellt, sie hinterlässt aber die zentralen Agenden Gesundheit und Soziales, zumal den Flüchtlingsbereich, als problematische Baustellen“, erklären die Grünen.

Dennoch sei die langfristige politische Bilanz von Martha Stocker mehr als beachtlich: Sie habe an der Schnittstelle zwischen Frauen- und Sozialpolitik, Bildung, Kultur und Volkstumspolitik nicht nur für Ihre Partei Herausragendes geleistet, sondern auch den Übergang von der Ära Magnago, der sie gefördert habe in die Ära-Post-Durnwalder-Ära, der sie klein zu halten versucht habe, begleitet und maßgeblich gestaltet.

Nicht in der Tätigkeit als Landesrätin liege ihr eigentliches Verdienst, sondern in der sorgsamen Gestaltung vieler Übergänge in 40 Jahren. „Dabei zählte der Dienst an ihrem Land ebenso viel wie die SVP und die eigene, durchaus macht- und medienbewusste Profilierung. Mit ihrem absehbaren Abgang verliert nicht nur ihre Partei eine zentrale Impulsgeberin. Ihr Abschied ist Signal einer neuen Ära, in der ihre ethisch vielfach entkernte Partei und die Politik nach neuen Werten, Orientierung und Glaubwürdigkeit suchen müssen. Aber noch sind Nachrufe verfrüht: Vor Martha Stocker und dem Landtag liegen noch sechs intensive Arbeitsmonate“, betonen die Grünen.

Von: ka

Bezirk: Bozen