Appell des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz

Unterirdisches Bauen: „Ohne Umweltprüfung und durch die Hintertür“

Mittwoch, 10. Mai 2023 | 17:02 Uhr

Bozen – Im März ist im Umweltvorbericht zum Landschaftsleitbild festgestellt worden, dass der Vorschlag der Landesregierung das unterirdische Bauen im Weidegebiet und alpinem Grünland sowie im landwirtschaftlichen Grün noch weiter auszubauen zu „erheblichen Umweltauswirkungen“ führen kann. Jetzt kommt dieselbe Bestimmung – etwas umgeschrieben und noch großzügiger – durch die Hintertür über die Änderungen am Gesetz für Raum und Landschaft. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz appelliert an den Landtag endlich für die Landschaft einzustehen.

In den letzten 50 Jahren hat Südtirol immer weitere Baurechte im Grünen geschaffen. Das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft sollte Abhilfe schaffen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes 2020 wird es durch zahlreiche Änderungen ausgehöhlt. „Die Landesregierung droht dabei Südtirol in die Ära vor dem neuen Raumordnungsgesetz zu katapultieren“, so Josef Oberhofer, Präsident des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz. Jüngstes Beispiel: das unterirdische Bauen.

Der Reihe nach: Bei Verabschiedung des Gesetzes 2018 sollte die maximal zulässige Baumasse im landwirtschaftlichen Grün als „Gesamtbaumasse“ gelten, d.h. unter der Erde und oberirdisch durfte insgesamt bis zu 1.500 Kubikmeter Wohnvolumen für geschlossene Höfe und bis zu 1.000 Kubikmeter für andere Wohngebäude gebaut werden. Weil es sich um ein „all-inclusive“ handeln sollte, wurde zuvor die zulässige Baumasse für Wohnzwecke im Landwirtschaftsgebiet angehoben. Im Jahr 2020 kommt die Verordnung zum Bauwesen, womit im landwirtschaftlichen Grün, im Wald, auf der bestockten Wiese und Weide, im Weidegebiet und alpinem Grün die Möglichkeit geschaffen wird, doch neue unterirdische Kubatur zu schaffen: Die unterirdische Baumasse darf aber nicht mehr als 20 Prozent der oberirdischen ausmachen und explizit nur für Nebenzwecke (z.B. Keller oder Garage) genutzt werden.

„Weil dieses Zugeständnis anscheinend immer noch nicht ausreicht, folgten im Spätherbst 2022 eine Reihe von Vorschlägen für neue Bestimmungen für zusätzliche Baurechte im Grün – nach dem Gießkannenprinzip“, so der Dachverband. Während im Weidegbiet und alpinem Grün beim unterirdischen Bauen die überbaute Fläche des Gebäudes nicht überschritten werden darf, könne sich die unterirdische Baumasse im Landwirtschaftsgebiet „zusätzlich zur Errichtung derselben auf der überbauten Fläche des Gebäudes auf eine anschließende zweimal so große Fläche ausdehnen“. Vereinfacht gesagt: Unterhalb und neben dem Gebäude kann unbegrenzt in die Tiefe gebaut werden. Es soll also die Beschränkung von 20 Prozent aus dem Jahr 2020 fallen. Die so neu entstandenen Räume dürfen weiterhin nur für Nebenzwecke genutzt werden.

Im März 2023 kommt die kalte Dusche für die Landesregierung: Der Umweltvorbericht zu den Änderungen am Landschaftsleitbild sieht genau für den angedachten Artikel zum unterirdischen Bauen die strategische Umweltprüfung (SUP) vor, weil „erhebliche Umweltauswirkungen“ zu erwarten sind. „Aber eine SUP braucht Zeit. Und weil der Landtag diese Woche die Änderungen am Gesetz für Raum und Landschaft diskutiert und es für ein Gesetz keine SUP braucht, kommt der Vorschlag aus dem Landschaftsleitbild etwas umgeschrieben durch die Hintertür“, kritisiert der Dachverband.

Im Gesetzgebungsausschuss sei dieser Tage ein Passus eingeführt worden, der dem als problematisch bewerteten Artikel aus dem Landschaftsleidbild ähnle – mit dem Unterschied, dass unterirdisches Volumen nun auch im Wald und auf der bestockten Wiese und Weide ermöglicht werden soll. „Gestrichen wird zugleich die Vorgabe, dass die unterirdische Kubatur nur für Nebenzwecke möglich ist. Die neue unterirdische Baumasse kann damit auch für Hauptzwecke, wie z. B. das Wohnen, vorgesehen werden, wobei es der Kreativität der Planerinnen und Planer überlassen wird, die Beachtung der Hygienebestimmungen nachzuweisen. Vom ursprünglichen Gedanken des Gesetzes, die Versiegelung des Bodens gerade auf Natur- und Agrarflächen einzuschränken, bleibt damit nichts mehr übrig“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz.

Oberhofer und Rohrer appellieren an den Landtag diese Woche für den Schutz von Natur, Klima und Boden zu stimmen und damit diese „Änderung durch die Hintertür“ aufgrund ihrer zu erwartenden „erhebliche Umweltauswirkungen“ abzulehnen. Schließlich sehe auch der Südtiroler Klimaplan vor, dass in den nächsten sieben Jahren die Nettoneuversiegelung halbiert werden müsse. „Und bis 2040 muss laut Klimaplan die Nettoneuversiegelung bei null liegen“, so der Dachverband.

Von: mk

Bezirk: Bozen