Plenarsitzung im Landtag

Urzì blitzt mit Videoüberwachung an Schulen ab

Mittwoch, 05. April 2017 | 16:29 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute Anträge von Alto Adige nel cuore, Freiheitlichen und Süd-Tiroler Freiheit behandelt.

Beschlussantrag Nr. 748/17: Einführung von Videoüberwachungskameras (eingebracht vom Abg. Urzì am 27.2.2017). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, Initiativen zur Einführung oder Finanzierung von Videoüberwachungssystemen an Südtiroler Schulen zu ergreifen, wobei die Installation von Überwachungskameras zur Kontrolle der täglichen Schulaktivitäten mit dem Einverständnis der Eltern zu erfolgen hat.

“An einigen staatlichen und internationalen Schulen wurden Minderjährige misshandelt oder massiv gemobbt mit schwerwiegenden Folgen für die Opfer”, berichtete Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). “In diesen Fällen konnte man sich nur durch die Installation von Videoüberwachungskameras seitens der Ordnungskräfte einen genauen Überblick über die Geschehnisse verschaffen und die Verantwortlichen identifizieren. Die Einführung von Videoüberwachungssystemen kann abschreckend wirken, um jeglicher Form von Gewalt, seien es Mobbing, rassistische Beleidigungen oder physische und psychische Einschüchterungen gegenüber Minderjährigen, vorzubeugen.”

Walter Blaas (F) unterstützte den Antrag. Die Videoüberwachung sei heute allgegenwärtig, auch die Schulen sollten eine solche Überwachung haben. Man müsse nur darauf achten, dass es keinen Missbrauch mit den Daten gebe.

Deutlich gegen eine flächendeckende Überwachung sprach sich Sven Knoll (STF) aus. Die Freiheit sei ein hohes Gut. Die Aufsichtspflicht der Lehrer sollte nicht von Kameras ausgehöhlt werden, und wo die Polizei einen Verdacht habe, müsse sie vor Ort eine Überwachung vornehmen. Mobbing könne auch auf der Toilette passieren, und dort könne man schlecht Kameras installieren.

Gewalttaten könne man nicht hundertprozentig ausschließen, meinte Andreas Pöder (BU), der sich ebenfalls gegen die totale Überwachung aussprach. In den sozialen Medien sehe man oft Aufnahmen von Einbrüchen – diese würden also trotz Kameras verübt. Die Bürger seien heute bereits mit zu vielen Kontrollen konfrontiert. Die Videoüberwachung sei eine Illusion, die dem Staat diene, einen Überwachungsstaat aufzubauen.

Der Ort, an dem die meisten Gewalttaten verübt würden, sei das Schlafzimmer, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), dort wolle niemand eine Kamera. Dass mehr Überwachung zu mehr Sicherheit führe, sei eine Illusion, das Problem würde sich dann halt aus dem Schulhof verlagern. Es werde immer Orte geben, wo man keine Kameras aufstellen könne.
Ulli Mair (Freiheitliche) sah Kameras nicht als nutzlos. Dadurch würden viele Verbrechen auch aufgeklärt, wie die Sicherheitskräfte bestätigen könnten. Sie frage sich, wo genau an den Schulen Kameras aufstellen wolle. Wenn man vorher die Eltern frage, könne man es gleich sein lassen. Es müsste im Sinne der Schulautonomie möglich sein, dass die Schule die Entscheidung treffe. Die Totalüberwachung gebe es bereits mit dem Handy und den sozialen Netzwerken, hier sollte die Schule Aufklärung leisten.

LR Christian Tommasini mahnte zur Vorsicht, da es sich um ein komplexes Problem handle. Es gehe auch um die Privacy. Die zuständige Aufsichtsbehörde habe Richtlinien erlassen, um Überwachung und Privacy in Einklang zu bringen. Man könne nicht einfach so eine Kamera installieren, sondern müsse die Vorgaben genau beachten. Für die Schule sehe die Behörde ausdrücklich die Achtung der Privatsphäre der Schüler vor, Kameras dürften nur an bestimmten Orten aufgestellt und zu bestimmten Zeiten eingeschaltet werden, etwa dort, wo Vandalenakte vorgekommen seien, und vor allem dann, wenn die Schule geschlossen sei. Zunächst aber müsse die Schule den Bedarf für eine Überwachung sehen. Unter bestimmten Umständen hätten Kameras also einen Sinn und seien bereits möglich, aber ihre Aufstellung müsse nach bestimmten Vorgaben erfolgen, fasste Tommasini zusammen.
Alessandro Urzì unterstrich einen weiteren Aspekt seines Antrags: Das Land solle die Finanzierung des Überwachungssystems gewährleisten, das natürlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben eingesetzt werden müsse. Die Kameras seien vielleicht keine Abschreckung, aber sie würden die Aufdeckung von Gewalttaten verhindern wie jene, deren Zeuge er unlängst im Bahnhofspark worden sei. Dort sei eine Frau mit einem gebrochenen Flaschenhals verletzt worden.

Der Antrag wurde mit 17 Ja und 22 Nein abgelehnt.

Begehrensantrag Nr. 32/14: Einführung in Südtirol des Rechtsmittels des außerordentlichen Rekurses an den Präsidenten der Republik (eingebracht von den Abg. Leitner, Mair, S. Stocker, Blaas, Tinkhauser und Oberhofer am 17.11.2014). Der Landtag fordert a.) die italienische Regierung auf, die Durchführungsbestimmungen zum Bozner Verwaltungsgericht im Sinne von Art. 107 des Autonomiestatutes für das Trentino-Südtirol so abzuändern, dass zukünftig auch die Südtiroler Bürger das Rechtsmittel des außerordentlichen Rekurses an den Präsidenten der Republik für die in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Bozen fallende Sachgebiete in Anspruch nehmen können; b.) das italienische Parlament auf, das Autonomiestatut für das Trentino-Südtirol in Anlehnung an das Autonomiestatut für die Autonome Region Sizilien so abzuändern, dass auch für die Südtiroler Bürger die Möglichkeit eingeführt wird, den außerordentlichen Rekurs gegen Verwaltungsmaßnahmen im Bereich der Zuständigkeiten der Autonomen RegionTrentino/Südtirol sowie des Landes Südtirol an den Landeshauptmann von Südtirol zu richten. Die Debatte dazu hatte bereits in der Märzsitzung begonnen.

LH-Stv. Richard Theiner wies darauf hin, dass das Verwaltungsgericht auch Entscheidungen mit autonomiepolitischer Tragweite, etwa zu den Sprachgruppen, fälle, daher habe man bei dessen Einrichtung den Rekurs an den Staatspräsidenten gestrichen.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) warnte davor, das Parlament jetzt mit einer Änderung des Statuts zu befassen. Außerdem wäre das ein Thema für den Autonomiekonvent.
Ulli Mair (F) zog den Antrag zurück, um ihn in neuer Formulierung vorzulegen.

Begehrensantrag Nr. 33/14: Abschaffung der faschistischen Ortsnamendekrete (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Klotz und Knoll am 20.11.2014). Die Landesregierung solle beauftragt werden, bei den zuständigen Stellen in Rom zu intervenieren, damit die drei faschistischen Dekrete zur Toponomastik in Südtirol abgeschafft werden, welche einen Verstoß gegen die UN-Menschenrechtscharta (ratifiziert auch durch Italien) darstellen.

“Häufig wird die Toponomastik instrumentalisiert, um den Beweis zu führen, dass ein gewisser Landstrich einer bestimmten nationalen oder ethnischen Gruppe zustehe”, erklärte Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) und verwies dabei auch auf Polen unter deutscher Besetzung und auf Elsass-Lothringen und natürlich auf Tolomeis “Prontuario”. “Die ursprünglichen Orts- und Flurnamen wurden seit dem offiziellen Ende des Faschismus nie offiziell wieder eingeführt. Amtlichen Status genießen allein die überwiegend tolomeisch-faschistischen und pseudoitalienischen Begriffe, auch wenn heute die deutschen und ladinischen Namen auf Ortstafeln überwiegend deutsch- und ladinischsprachiger Orte erstgereiht erscheinen.” Nach der Abschaffung der faschistischen Dekrete könne man dann Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe führen.

Dieter Steger (SVP) sah den Antrag als Provokation und außerdem als obsolet, da er auf die neuere Entwicklung nicht eingehe. Man bemühe sich seit Jahren um eine Lösung, die durch einen solchen Antrag kompromittiert würden. Zimmerhofer zitiere die UN-Menschenrechtscharta, aber aus der gehe nichts Eindeutiges zum Fall hervor. Seiner Partei gehe es um eine Lösung für die ganze Bevölkerung, nicht um einen Schlag ins Gesicht der anderen. Die Bevölkerung habe das Thema eigentlich satt, aber es sollte einmal zu Ende geführt werden.

Sven Knoll (STF) erinnerte daran, dass die SVP 2014 einen ähnlichen Beschlussantrag abgelehnt und stattdessen einen Begehrensantrag gleichen Inhalts empfohlen habe. Die Basis für eine Ortsnamenregelung könne nicht ein faschistisches Dekret sein, das Südtirols Existenz negieren wollte. Der Antrag sei nicht gegen andere Volksgruppen gerichtet. Auch die Wähler der SVP wollten nicht die Beibehaltung eines Gesetzes, das Südtirol assimilieren wollte.

Die Absichten des Faschismus zu Südtirol stünden außer Zweifel, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Aber diese Namen hätten im Verlauf der Zeit ihr Eigenleben entwickelt und würden von der italienischen Bevölkerung verwendet. Er halte eher den von Steger aufgezeigten Weg als geeignete Lösung. Wer gegen den Antrag stimme, sei nicht automatisch für die faschistischen Dekrete. Außerdem sei es gar kein Begehrensantrag, da er sich in erster Linie an die Landesregierung richte. Sei eigentliches Ziel sei es, die Landesregierung in Schwierigkeiten zu bringen.

Dieser Interpretation stimmte Präsident Roberto Bizzo zu.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) erinnerte an den missglückten Versuch der Regierung, eine Reihe von Gesetzen aus der Faschistenzeit abzuschaffen, darunter seien auch die genannten Dekrete gewesen. Das Verfassungsgericht habe dann die durchgehende Wirksamkeit der ursprünglichen Gesetze festgestellt und damit auch die Verträglichkeit mit dem Statut. Jede Sprachgruppe sollte über ihre Namen entscheiden können, meinte Urzì abschließend.

Andreas Pöder (BU) teilte den Inhalt des Antrags, hatte aber formelle Bedenken. Es sei die Frage, ob Südtirol seine Zuständigkeit für die Ortsnamen an Rom abgeben soll. Er sei der Meinung, dass der Landtag die faschistischen Dekrete mit Landesgesetz außer Kraft setzen könne, das geschehe auch in anderen Bereichen, in denen Südtirol die ausschließliche Zuständigkeit habe.

Myriam Atz Tammerle (STF) plädierte dafür, endlich einen neutralen Boden für eine Lösung zu schaffen, denn derzeit seien nur die italienischen Namen amtlich. Viele Bürgermeister würden sich deswegen nicht trauen, einen Fraktionsnamen abzuändern, auch wenn man ihnen die Belege für die historischen Namen bringe. Es frage sich, ob die richtigen Personen über die Ortsnamen verhandeln, wenn diese das Problem als langweilig hinstellten, wie jüngst am Runden Tisch.

Das Gerede über Toponomastik gehe ihm so langsam auf den Wecker, bekannte Oswald Schiefer (SVP), zu viele hier im Landtag würden sich als Toponomastik ausgeben. Er sehe Tolomeis Schloss jeden Tag von seiner Haustür aus und habe schon als Bürgermeister einen Kampf gegen seine Namen geführt. Wenn die Gemeinden manchmal mehr Courage gehabt hätten, wäre bereits heute vieles anders, dann hätten viele Fraktionen nur einen deutschen  Namen. Für die Zukunft sehe er nur eine Lösung im Einvernehmen. Es nütze nichts, mit inzwischen hundert Jahre alten Namen permanent auf Kriegsfuß zu stehen.

LH-Stv. Richard Theiner bezeichnete den Antrag als formal falsch, es sei ein Beschlussantrag. Die darin geforderten Bemühungen der Landesregierung, die genannten Dekrete abzuschaffen, habe es außerdem bereits gegeben. Daher plädiere er für die Ablehnung des Beschlusses.

Bernhard Zimmerhofer räumte ein, dass es eigentlich ein Beschlussantrag sei, auch dass es einen Versuch zur Abschaffung gegeben habe, der von Abg. Biancofiore vereitelt worden sei. Das Problem zeige eigentlich ein Versagen der Politik in den letzten Jahrzehnten. Auch bei der Streitbeilegung habe man die Frage ausgespart.
Der Antrag wurde mit zehn Ja und 20 Nein abgelehnt.

Von: luk

Bezirk: Bozen