Themen im Landtag

Zweisprachigkeit und verkürztes Ausweisungsverfahren

Mittwoch, 03. Juli 2019 | 16:34 Uhr

Von: luk

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden am Vormittag Anträge von Grünen und Freiheitlichen behandelt. Es ging um Zweisprachigkeit und verkürzte Ausweisungsverfahren. Außerdem wurde die Bezirkswahlkommission nachbesetzt.

Namhaftmachung von Mitgliedern der Bezirkswahlkom­mission – Unterkommission Bozen, aufgrund der Rücktritte von Christian Govi, Kilian Bedin und Marco Alberto. Carlo Vettori (Lega Alto Adige Südtirol) schlug als effektives Mitglied Carlo Cammarata vor, der mit 20 Stimmen gewählt wurde. Zu Ersatzmitgliedern wurden Diego Laratta und Markus Mattivi gewählt.

Beschlussantrag Nr. 14/18: Die dreisprachige Universität verdient sich den Zweisprachigkeitsnachweis (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Staffler am 12.12.2018). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass durch die notwendigen gesetzlichen Änderungen ein Universitätsabschluss an der Freien Universität Bozen – sofern der Studiengang eine Reihe von Prüfungen in den zu prüfenden Landessprachen beinhaltet – automatisch als dementsprechender Zweisprachigkeitsnachweis gilt; 2. die Möglichkeiten einer automatischen Anerkennung des entsprechenden Zweisprachigkeitsnachweises für diejenigen zu prüfen, die an der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana bzw. im Rahmen des zweisprachigen integrierten Diplomstudiums der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck ein Abschlussdiplom erlangen; 3. mit der Führungsspitze der Freien Universität Bozen, der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana und der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (integriertes Diplomstudium der Rechtswissenschaften) Maßnahmen zu vereinbaren, die darauf abzielen, das am Ende des Studiums von den Studenten und Studentinnen effektiv erreichte Zweisprachigkeitsniveau fortwährend zu verbessern.

Brigitte Foppa (Grüne) wies darauf hin, dass es neben der bekannten Zweisprachigkeitsprüfung mehrere Möglichkeiten gibt, um den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen, etwa durch geeignete Kurse mit entsprechender Zertifizierung oder durch Besuch einer deutschsprachigen Universität nach einer italienischen Oberschule. Oft werde dabei nur eine Sprache geprüft, während für die andere ein anderer Nachweis erbracht werde. Umso mehr sollte auch für das Studium an der dreisprachigen Universität Bozen der Zweisprachigkeitsnachweis verliehen werden, ebenso jenes an der Claudiana und das zweisprachige integrierte Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck.

Der Hintergedanke sei gut, meinte Alex Ploner (Team Köllensperger), in der Wirklichkeit seien die Zweitsprachenkenntnisse der Absolventen nicht zufriedenstellend, auch nicht an der Uni Bozen, wo die angebotenen Sprachkurse nicht verpflichtend seien. Die Sprachkenntnisse in diesem Land seien besorgniserregend gesunken. Dem 3. Punkt des Antrags könne man aber zustimmen.

Die Uni Bozen sei nur auf dem Papier dreisprachig, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), zu über 70 Prozent sei sie italienischsprachig, angefangen beim Lehrpersonal. Auch viele Personen mit Zweisprachigkeitsnachweis seien nicht wirklich zweisprachig. Sprache erlerne man nicht nebenher, Sprache müsse man leben, um sie zu verinnerlichen. Es brauche Interesse und Wertschätzung. Man sollte den Nachweis nicht verschenken, sondern Wert darauf legen, dass die Studenten ihn sich verdienen.

Man habe hier eine zu formale Idee von der Zweisprachenkenntnis, kritisierte Hanspeter Staffler (Grüne). Es gehe nicht um die gelebte Sprache, und auch deswegen gingen viele ins Ausland. Man müsse die Jugendlichen, die Maturanten in die Lage versetzen, dass sie die andere Sprache als Umgangssprache kennenlernten, nicht als Literatur.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sah eine Anerkennung der Matura als Zweisprachigkeitsnachweis als sinnvoll, aber nur, wenn der Sprachunterricht auch angemessen sei. Englisch werde gut erlernt, weil es, anders als die Zweitsprache, als Fremdsprache unterrichtet werde.

Auch Gerhard Lanz (SVP) sah eine automatische Anerkennung als Problem. Es gehe darum, ob man eine Sprache effektiv beherrsche, und das sei leider oft nicht der Fall. Einen Grund für Abwanderung sehe er in der derzeitigen Regelung nicht.

Die Sprache sei ein zentrales Thema der Autonomie, bemerkte LH Arno Kompatscher. Die einschlägige Regelung sei mehrmals erweitert worden, auch in Anpassung an das europäische Zertifizierungssystem. Es gebe aber einen Mindeststandard, von dem man nicht abrücken wolle. Eine Anerkennung der Matura als Zweisprachigkeitsnachweis wäre der falsche Weg, es brauche ein Minimum der Überprüfung der Sprachkenntnis. In der Oberschule werde derzeit übrigens standardmäßig die Vorbereitung auf die Zweisprachigkeitsprüfung angeboten. Man wolle die Sprachausbildung weiter verbessern, eine Anerkennung ohne Gegenleistung wäre der falsche Weg. Auch an der Uni Bozen werde nicht verlangt, dass die Studenten dreisprachig seien, man biete ihnen aber Kurse an, damit sie nach einer gewissen Zeit imstande sind, alle drei Sprachen zu verstehen.
Sie merke, wie schwer es sei, gute Gründe gegen ihren Vorschlag zu finden, bemerkte Brigitte Foppa. Laut Kollipsi-Studie hätte mehr als die Hälfte der Jugendlichen Angst, sich in der anderen Sprache auszudrücken. Wenn man Hürden abbaue und den jungen Menschen den Weg zur zweiten Sprache erleichtere, so sei das der richtige Weg.

Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.

 

Begehrensantrag Nr. 2/19: Ausweisung und Rückführung straffällig gewordener Ausländer (eingebracht von den Abg. Mair und Leiter Reber am 23.1.2019). Der Landtag möge Parlament und Regierung auffordern, für straffällig gewordene Personen, die aufgrund der geltenden Rechtsordnung nicht in Haft genommen werden oder eine Haftstrafe verbüßen müssen, die Ausdehnung des verkürzten Verfahrens für die umgehende Abschiebung in ihr Herkunftsland vorzusehen. (Neue Fassung durch Ersetzungsantrag).
Ulli Mair (Freiheitliche) wies darauf hin, dass der Ersetzungsantrag auch die Unterschrift des SVP-Fraktionsvorsitzenden trage. “Aufgrund von gewalttätigen Übergriffen, Einbrüchen und Diebstählen, bei denen die Täter vorwiegend Ausländer waren, wurde in der Südtiroler Bevölkerung der Ruf nach einer vermehrten Ausweisung straffälliger Ausländer laut. Die Südtiroler fühlen sich nicht mehr sicher und die Angst, Opfer einer Gewalttat durch bereits straffällige Ausländer zu werden, ist groß.” Mair erinnerte daran, dass der Landtag bereits im Oktober 2016 einen Freiheitlichen-Antrag angenommen habe, wonach Personen, deren Abschiebung bereits behördlich verfügt wurde, auch effektiv abgeschoben werden sollen. Die Missachtung des Gastrechts müsse umgehend geahndet werden – dies sagten auch Richter, die immer wieder dieselben Personen vor sich hätten.

Das Recht gelte für alle gleich, meinte Brigitte Foppa (Grüne). Sie bat um Klärung, ob hier alle Vergehen gemeint seien oder nur jene im Sinne des Strafrechts.
Auch wenn der Antrag nicht allzu viel bewirken werde, setze man damit ein Zeichen für Freiheit für Freiheit und Sicherheit, erklärte Helmut Tauber (SVP). Gewalt schränke die Freiheit ein. Er möchte, dass seine Frau und seine Töchter einen sicheren Heimweg hätten. Jenseits der Forderung des Antrags brauche es auch konkrete Maßnahmen wie die Videoüberwachung.

Der Antrag entspreche dem gesunden Menschenverstand, meinte Carlo Vettori (Lega Nord Alto Adige Südtirol). Es gehe hier um Rechtssicherheit und das Recht der Bürger auf Sicherheit. Das Innenministerium sei in dieser Hinsicht bereits aktiv und sehe auch neue Überwachungsmaßnahmen vor. Die neue Politik bemerke man auch an den verstärkten Kontrollen am Bahnhofplatz und an der jüngsten Drogenrazzia.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erklärte die Zustimmung seiner Fraktion, zweifelte aber an der Wirksamkeit, da Italien nur mit wenigen Staaten Rückführungsabkommen habe. Er rief die Kollegen von der Lega auf, sich dafür einzusetzen, dass Südtirol die Zuständigkeit für die Einwanderung bekommt. Wer seine Ausweispapiere wegwerfe, um seine Identität zu verschleiern, dürfe gar nicht zu einem Asylverfahren zugelassen werden.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) bezeichnete den Antrag als populistisch. Man könne nichts gegen die Ausweisung von straffälligen Ausländern haben, aber bei diesem Antrag sei noch einiges zu klären. Repetto wies darauf hin, dass Innenminister Salvini nicht mehr Rückführungen durchgeführt habe als sein Vorgänger Minniti, rund 3.800 Personen in acht Monaten. Es gebe auch nur wenige Ausweisungszentren in Italien, und vor allem fehlten die Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern.
Paul Köllensperger (Team Köllensperger) teilte das Prinzip des Antrags. Bei Vergehen mit maximal drei Jahre Haft werde in der Praxis kein einziger Tag im Gefängnis fällig – und hier setze der Antrag an. Auch den ehrlichen Migranten könne es recht sein, wenn die schwarzen Schafe entfernt würden.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bestätigte dies und unterstrich, dass es hier auch um mehr Rückendeckung für die Justiz gehe. Es sei für ihn wichtig, dass auch die Kollegin der Grünen anerkenne, dass das Recht für alle gehen müsse.

Brigitte Foppa wandte sich gegen den Begriff “Gastrecht”, der in der Debatte verwendet wurde. Nirgends stehe geschrieben, dass Europa “uns” gehöre.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) unterstützte das Anliegen des Antrags. Es gehe vor allem um Personen, deren Ausweisung bereits verfügt wurde. Dennoch sei der Antrag populistisch, denn für die Umsetzung fehle die wichtigste Voraussetzung: die Abschiebeabkommen mit den Herkunftsländern.

Der Antrag sei alles andere als populistisch, meinte hingegen LH Arno Kompatscher. Es gehe um bereits verurteilte Personen. Mit vielen Staaten gebe es derzeit kein Abschiebeabkommen, aber viele europäische Staaten wollten sich nun verstärkt darum bemühen. Der Antrag mache einen präzisen Vorschlag, der durchaus umsetzbar sei. Das werde auch von Richtern und Strafrechtsexperten befürwortet.

Wenn sie populistisch sei, höre sich das ganz anders an, informierte Ulli Mair die Kollegen Nicolini und Repetto. Sie fragte Nicolini, was seine Partei bisher in Sachen Abschiebeabkommen getan habe.

Der Antrag wurde mit 28 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.

Bezirk: Bozen