Bozen/Katar – Zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft hatten die Moralisten Hochsaison. Zu Recht wurde mit dem typischen erhobenen Zeigefinger nicht nur an den herrschenden Sitten und Gesetzen des Ausrichterlandes, sondern auch an den üblen Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter und den Machenschaften der FIFA im Vorfeld des Turniers Kritik geübt.
Es gab aber auch viel Heuchelei. Wer mit Armbinden einer Politisierung des Sports Vorschub leistet, sollte daran erinnert werden, dass die in Katar geltenden Gesetze vor zwölf Jahren – als über den Ort der Ausrichtung des Turniers entschieden wurde – dieselben waren. Ein Golfstaat als Austragungsort hätte wenn schon damals verhindert werden müssen. Wer kein islamisches Land als Ausrichter einer Fußballweltmeisterschaft wünscht, hätte vor zwölf Jahren Gelegenheit dazu gehabt, Katar 2022 zu verhindern und dazu auch zu stehen.
Entgegen allen Unkenrufen entwickelte sich das Turnier jedoch sportlich sehr erfreulich. Wer trotz der moralinsauren Kritik den Fernseher einschaltete, sah hochspannende Begegnungen mit vielen Toren. Es fehlte auch nicht an gleich mehreren handfesten Überraschungen. Während mit Deutschland und Belgien zwei Mitfavoriten früh ihre Zelte abbrechen mussten, gelang einigen „kleinen“ Teams der Vorstoß ins Achtelfinale. Die Kroaten konnten im Viertelfinale sogar Topfavorit Brasilien aus dem Turnier werfen.
Die größte Überraschung ist aber Marokko. Mit beherztem und erfrischendem Fußball, aber nicht zuletzt wegen ihrer Betonabwehr und ihres ausgezeichneten Tormannes stand Marokko als erstes afrikanisches Land überhaupt in einem Halbfinale einer Fußballweltmeisterschaft.
Nicht nur in Marokko, sondern in ganz Europa feiern die Marokkaner deshalb ihre Mannschaft. Bozen ist da keine Ausnahme. Dort, wo die Tifosi noch vor eineinhalb Jahren den Europameistertitel der Azzurri gefeiert hatten, fanden sich Hunderte von Marokkanern und anderen Afrikanern ein, um den Sieg über Portugal zu feiern. Auch viele Italiener und Südtiroler freuten sich über den Erfolg der „Löwen vom Atlas“ und mischten sich unter die feiernden marokkanischen Fans.
Es ist allein den heimischen Marokkanern zu verdanken, dass nach einem etwas müden Start in Südtirol nun so richtig WM-Stimmung herrscht. Erst an den spielstarken Franzosen zerschellte der marokkanische Traum, ins WM-Finale einzuziehen. Auch wenn am Mittwochabend auch in Bozen manch bittere Träne der Enttäuschung floss, überwiegt doch der Stolz der Marokkaner, als „kleine“ Fußballnation ganz oben mitzuspielen.
Aber es ist noch nicht vorbei. Im kleinen Finale um den dritten Platz werden auch hierzulande viele Herzen an den Füßen der Kicker vom Atlas hängen. Ganz Fußballsüdtirol freut sich aber auf den Klassiker Argentinien gegen Frankreich.
Von: ka
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8 Kommentare auf "Erfrischende „Löwen vom Atlas“"
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In der Redaktion SN -ka- werden offenbar die Kommentare aufmerksam mitgelesen. Ich habe das Verhalten des DFB mit seiner “B(l)indenaktion” von Anfang an heftig kritisiert und darauf hingewiesen, dass die einzige WAHRE und EHRLICHE Reaktion gewesen wäre, sofort nach der Bekanntgabe “Katar” zu erklären, dass Deutschland nicht teilnehmen wird. Alles vor Ort auf die Spieler abzuwälzen war unredlich und reine “Symbol Sportpolitik” ohne jegliche Wirkung !!
Wenn man es derart genau nehmen würde, hätte man als “grosse Nation” wie Deutschland, die anscheinend über allem steht auch kein Gas aus Katar kaufen dürfen. Entweder man hat als Nation ne Haltung oder keine. Das Rückgrat hat was Wurm ähnliches!
Der Fehler lag an der Vergabe der WM. Sportler dafür zu bestrafen ist FALSCH, denn für manche bietet sich die Chance der Teilnahme nur einmal und sie können nichts dafür was die da oben machen.
Und ein paar tausend Tote Arbeiter sind vergessen?
Jo, was sind sie denn?
Fazit WM: 1. Geld regiert den Fussball
2.Fussballspiele werden als Randale und Aggressionsventil missbraucht .
Das alles spiegelt unsere kranke tolerante respektlose Gesellschaft wieder.