Mäder stirbt nach Sturz - Gall für Abbruch

Horror-Unfall bei der Tour de Suisse

Freitag, 16. Juni 2023 | 15:16 Uhr

Nach dem Tod des Schweizer Radprofis Gino Mäder wird die Tour de Suisse fortgesetzt. Das teilten die Veranstalter am Freitag kurz vor Mitternacht mit. Am Ende eines “emotionalen Tags und einer sehr berührenden Gedenkfahrt” wurde in Absprache mit der Familie entschieden, dass die Tour weitergeführt wird, hieß es in einer Mitteilung. Auch die Frauen-Tour wird fortgeführt. Mäders Team Bahrain-Victorious wird wie angekündigt aus dem Rennen aussteigen.

Am Donnerstag war der 26 Jahre alte Mäder auf der Abfahrt vom Albula-Pass zum Zielort La Punt auf den letzten Kilometern der fünften Etappe mit hohem Tempo in eine Schlucht gestürzt und musste reanimiert werden. Einen Tag später starb der schwer verletzte Schweizer im Krankenhaus. Die eigentlich geplante sechste Etappe wurde abgesagt, stattdessen erinnerten die Profis bei einer Gedenkfahrt an ihren Kollegen.

“Heute war der schlimmste Tag in meinem Leben. Aber morgen ist ein neuer Tag und darum müssen wir uns als Organisation kümmern”, erklärte Tour-Direktor Olivier Senn. Die Entscheidung zur Fortsetzung sei zudem nach Rücksprache mit den Fahrern und den Teams der Tour getroffen worden.

Vor dem finalen Akt der Tour am Sonntag zwischen St. Gallen und Abtwil geht es für die Fahrer am Samstag auf die 183,5 Kilometer lange siebente Etappe zwischen Tübach und Weinfelden. Die Zeitmessung für die Gesamtwertung erfolgt am vorletzten Renntag schon 18,8 Kilometer vor dem Ziel. Der Etappensieg wird auf der Zielgeraden in Weinfelden entschieden.

Der Osttiroler Felix Gall, Zweiter der Gesamtwertung, hatte zuvor für einen kompletten Abbruch der Tour. “Es ist eine riesige Tragödie, ein unglaublich trauriger Tag. Es hat uns alle sehr mitgenommen. Ich hoffe, dass abgebrochen wird, alles andere wäre unangebracht”, sagte der 25-Jährige. Gall liegt in der Gesamtwertung acht Sekunden hinter dem Dänen Mattias Skjelmose.

“Wir sind durch den Verlust unseres außergewöhnlichen Fahrers, Gino Mäder, am Boden zerstört. Sein Talent, seine Hingabe und sein Enthusiasmus waren eine Inspiration für uns alle”, sagte Team-Manager Milan Erzen am Freitag in einem Statement. Die Mitglieder lagen sich vor dem Start der 6. Etappe in Chur in den Armen und trauerten, wenig später teilte das Team mit, dass Mäder seinen Verletzungen erlegen ist. In der Schweiz nicht dabei sind die beiden Österreicher Rainer Kepplinger und Hermann Pernsteiner, die ebenfalls für Bahrain fahren.

Die für Freitag geplante sechste Etappe wurde abgesagt, stattdessen absolvierte das Feld eine Gedächtnisfahrt über die letzten 30 Kilometer des geplanten Teilstücks. Radprofis unterschiedlicher Teams lagen sich gegenseitig in den Armen und trösteten sich. Auf einer großen Werbetafel über der Ziellinie stand “We ride for you, Gino”. Die Organisatoren der Tour haben in Absprache mit Mäders Team und seiner Familie vorerst entschieden, das Rennen fortzusetzen. Am Freitagabend soll besprochen werden, wie es ab Samstag weitergeht.

Vor der Todesmeldung war noch Hoffnung aufgekommen. Roland Kretsch, der Arzt an der Unfallstelle, hatte gegenüber der Tageszeitung “Blick” erklärt, dass die Reanimation schnell und bestens geklappt habe. Der regungslos in einem Bach gelegene Mäder wurde reanimiert, stabilisiert und anschließend ins Spital geflogen. Der Sportler sei aber während der ganzen Zeit bewusstlos gewesen.

Bei dem Vorbereitungsrennen für die Tour de France war am Donnerstag auch der Amerikaner Magnus Sheffield gestürzt und wurde ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen. Die beiden Unfälle ereigneten sich vom Albulapass in der rasanten Abfahrt mit rund 100 km/h zum Zielort La Punt, an der exakt gleichen Stelle am Ausgang einer Linkskurve. Danach stürzten die beiden Fahrer einen Abhang hinunter. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und auch einen Zeugenaufruf gemacht. Nach ersten Ermittlungen geht man davon aus, dass sich die Stürze unabhängig voneinander ereignet haben.

Zu den Fahrern, die wegen der Streckenführung Kritik an den Organisatoren übten, zählte auch Weltmeister Remco Evenepoel. Es sei keine schlaue Idee gewesen, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren, sagte der Belgier dem “Blick” zufolge. “Aber man braucht offenbar immer noch mehr Spektakel. Es muss wohl einfach etwas passieren, damit man reagiert”, meinte Evenepoel noch vor der traurigen Nachricht.

Mäder galt als Kletterspezialist. Zu seinen größten Erfolgen gehörten Etappensiege beim Giro d’Italia und bei der Tour de Suisse 2021. Am Donnerstag war es für Mäder um nichts mehr gegangen, weder in der Tages-, noch in der Gesamtwertung.

Von: APA/sda/dpa