Von: mk
Lichtenstern – Mit einem bewegenden Festgottesdienst feierte Diözesanbischof Ivo Muser am gestrigen 26. Juli gemeinsam mit über hundert Gästen das 70-jährige Bestehen der Waldkirche zum hl. Josef in Lichtenstern. Die auf 1.300 Metern zwischen Klobenstein und Oberbozen gelegene Kirche ist nicht nur ein sakraler Ort, sondern auch geistliches Herzstück des Bildungszentrums „Haus der Familie“, ein Einkehrort für Wandernde an der Freud-Promenade und Zeugnis gelebter Spiritualität im Wandel der Zeit. Seit Kurzem prägt ein neues Kunstwerk den Eingangsbereich: ein Mosaik von Luis Seiwald, auf geborstenem Glas entstanden, erzählt mit weißem Laaser Marmor und goldenen Steinen vom kurvigen Weg des Lebens.
„Die Waldkirche ist ein Ort, der offen ist für alle, die nach Ruhe, nach Gott und nach sich selbst suchen. Sie verbindet Glauben mit Natur, Stille mit Tiefe und Gemeinschaft mit Schönheit“, betonte Bischof Ivo Muser in seiner Predigt. Hier werde spürbar, wie der Glaube gefeiert und daraus Kraft für das Leben geschöpft werden kann.
Vor dem Bau der Kirche von Lichtenstern Anfang der 1950er-Jahre wurde in der Waldstube des Waldhauses Gottesdienst gefeiert. Der Wunsch nach einem eigenen Sakralraum wuchs. Mit viel Einsatz und zahlreichen Spenden wurde die Finanzierung möglich. Gebaut wurde die Kirche in den Jahren 1953 bis 1955 nach Plänen des Architekten Erich Pattis, einem Schüler von Clemens Holzmeister. Am 26. Juli 1955, dem Fest der hl. Anna, feierte Kanonikus Maurer zum ersten Mal die heilige Messe in der neuen Kirche. Sie war schlicht, mit klarer Formsprache und aus einfachen Mitteln errichtet. In den folgenden Jahrzehnten wurde sie behutsam weiterentwickelt. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) wurde der Kirchenraum liturgisch neu geordnet. Die Rundbogenfenster mit den Heiligen Stephanus und Notburga (Werke des Meraner Künstlers Peter Fellin) und die eindrucksvolle Madonna in emaillierter Terrakotta von Maria Delago verleihen dem Raum bis heute künstlerischen Glanz. In den 1980er-Jahren kamen die Ton-Kreuzwegstationen von Traudl Erckert hinzu. Den größten Wandel erfuhr die Kirche mit dem Umbau durch Messner Architects zwischen 2013 und 2017. Franz Messner entwarf das Konzept, seine Kinder David und Verena (beide Architekt:innen) führten es sensibel weiter. Die große Öffnung nach außen veränderte den Kirchenraum tiefgreifend: Licht, Holz und Stein lassen seither einen Raum entstehen, der atmet und einlädt. Das große Fenster an der Ostseite öffnet den Blick: draußen das Kreuz, drinnen der auferstandene Christus in einladender und umarmender Haltung. Die Sinne werden angesprochen, Natur und Spiritualität treten in Dialog.
Toni Fiung: Ein Leben mit der Kirche
Wesentlich geprägt wird das geistliche Leben der Waldkirche in Lichtenstern von Familienseelsorger Toni Fiung. Der Priester, der in wenigen Tagen am 2. August seinen 70. Geburtstag feiert, begleitet in der Kirche seit vielen Jahren Menschen und Gottesdienste. Gleich alt wie die Kirche selbst, ist er für viele zum Gesicht dieses spirituellen Ortes geworden. Heiner Oberrauch, Präsident des Vereins „Haus der Familie“, dankte Toni Fiung beim Kirchweihfest für dessen Sein und Tun: „Ohne Tonis Engagement wäre dieser spirituelle Raum nicht das, was er heute ist.“ Der Seelsorger gestaltet die Gottesdienste familien- und kindgerecht. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit, die Besucherzahl wächst. Heiner Oberrauch verwies auch auf den Wert der Kirche für Wandernde an der Freud-Promenade. Jetzt in den Sommermonaten zieht es täglich hunderte Menschen hinein.
Gernot Psenner, Direktor des Bildungshauses, würdigt die enge Verbindung von Bildung und Glauben: „Die Waldkirche ist für uns ein spiritueller Raum, und der Meditationsraum darüber ein vielgenutzter Gruppenraum, der als Ruheoase und Platz zum Innehalten dient.“
Kunstwerke machen die besondere Atmosphäre der Waldkirche aus. Vor der Kirche lädt die „Klingende Säule“ des Brixner Künstlers Josef Rainer mit Tönen von Manuela Kerer die Besucher:innen ein, mit Berührung Klang zu erzeugen. Bewegung wird so zum Gebet und Klang zu Begegnung. Im Eingangsbereich zieht seit wenigen Wochen ein neues Mosaik von Künstler Luis Seiwald die Blicke auf sich: Entstanden aus einem Glasbruch im Windfang, erzählt es vom Lebensweg des Menschen: kurvig, mühsam, aber von göttlichem Licht durchzogen. Weißer Laaser Marmor und goldene Glasmosaiksteine symbolisieren Reinheit und Transzendenz. Im Altarraum erinnern die schwebend wirkenden liturgischen Orte – Altar, Ambo und Priestersitz – aus Passeirer Gneis und Glas an das Zusammenspiel von Erde und Himmel.
Beim gestrigen Kirchweihfest wurde auf dem Spielplatz des Hauses der Familie auch ein neuer Bewegungsparcours gesegnet. Er lädt Kinder zum Klettern und Balancieren ein. Dabei handelt es sich um ein Geschenk der Familie Sanoner von der benachbarten „ADLER Lodge Ritten“, die damit ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit gesetzt hat.
Josef Mayr-Nusser: auch heute ein Glaubenszeuge
Die Waldkirche ist auch ein Ort der Erinnerung: Die Gebeine des seligen Josef Mayr-Nusser waren hier von 1958 bis zur Seligsprechung 2017 beigesetzt. Danach wurden seine sterblichen Überreste im Dom von Bozen im Märtyreraltar bestattet. Jetzt macht eine Gedenknische von Gotthard Bonell im Eingangsbereich Mayr-Nussers Vermächtnis sichtbar. Und eine Reliquie im Altarboden erinnert an den Mutigen als Christ und Mensch, der sich weigerte, den Fahneneid auf Adolf Hitler zu leisten.
Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen