Von: bba
Pfatten – Die Fakultät für Naturwissenschaften und Technik hat heute ihr neues Forschungsglashaus in Pfatten nahe dem Versuchszentrum Laimburg vorgestellt. Es bietet neben den verschiedenen Labors an der unibz nunmehr die Möglichkeit, phytopathologische Experimente unter definierten Umweltbedingungen – wie Temperatur, Licht und Feuchtigkeit – durchzuführen. Mit dem neuen 200 Quadratmeter großen Glashaus stehen den Forschungsteams neun getrennte Zellen zur Verfügung.
„Das Gewächshaus ist ein weiterer infrastruktureller Baustein für die Erreichung der Forschungsziele an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik“, unterstrich der Direktor der Freien Universität Bozen, Günther Mathá, bei der heutigen Pressekonferenz. „Es war von Anfang an klar, dass das Gewächshaus den experimentellen Anforderungen der verschiedenen Forschungsgruppen der Fakultät, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt, gerecht werden musste“, ergänzte der Dekan der Fakultät Prof. Marco Gobbetti.
Konfiguriert wurde die Infrastruktur als Forschungsgewächshaus, in welcher die verschiedenen Umwelt- und Anbauparameter angemessen kontrolliert werden können und in dem es möglich ist, gleichzeitig und unabhängig voneinander Experimente unter verschiedenen Versuchsbedingungen durchzuführen.
Entstanden ist ein 200 Quadratmeter großes Gewächshaus, in dem neun Zellen zu je zwölf Quadratmetern unabhängig voneinander zu Forschungszwecken eingesetzt werden. In jeder dieser Zellen können verschiedene Versuchsprotokolle für die wichtigsten Umwelt- und Anbauparameter (wie Temperatur, Feuchtigkeit, Strahlungsintensität, Photoperiode, Bewässerung und Pflanzenernährung) erstellt werden.
Seit Juni 2020 werden im Gewächshaus verschiedene Studien durchgeführt: physiologische Studien über Wasserstress bei Reben, phytopathologische Studien, um die Interaktion zwischen Pflanze und Krankheitserregern zu messen und entomologische Studien über einige im Südtiroler Raum aktive Schadinsekten. Dazu reihen sich Versuche zu den Mechanismen der Nährstoffaufnahme und Experimente über den Einsatz von Sensoren zur Überwachung des allgemeinen Gesundheitszustandes von Pflanzen.
Beispielhaft angeführt seien hier folgende Versuche, die im Forschungsglashaus durchgeführt werden:
Die Gruppe Ökophysiologie der Baumpflanzen, zu der die Professoren Carlo Andreotti, Massimo Tagliavini und Forscher Damiano Zanotelli zählen, führt in einer kontrollierten Umgebung Studien über die physiologischen Reaktionen von Obstbaumpflanzen in Berggebieten durch, die verschiedenen Umweltbelastungen (darunter Wasser und Temperatur) ausgesetzt sind. Ziel ist die Identifizierung und Validierung von Frühindikatoren für physiologischen Stress (wie z.B. das Wasserpotential von Blättern, der Gasaustausch, Fluoreszenz und Lymphflussrate), die auch im Feld eingesetzt werden können, um ein nachhaltiges und präzises Management von Südtiroler Obstproduktionssystemen (Apfel, Weinrebe, Erdbeere) zu ermöglichen. Außerdem werden Wirksamkeitsstudien zu innovativen Kultursubstraten (Biostimulanzien) durchgeführt, die auf dem Markt erhältlich sind und welche die Resistenz gegen abiotischen Stress sowie Produktionsqualität steigern können. Prof. Andreotti lehrt Obstbau und weinbauliche Managementmaßnahmen in Berggebieten, Prof. Massimo lehrt allgemeine Baumkunde und Landwirtschaftsökologie und Forscher Zanotelli ist auf Boden- und Wassermanagement im Weinbau spezialisiert.
Das Kompetenzzentrums für Pflanzengesundheit (unter der Leitung von Prof. Tanja Mimmo, die Bodenchemie und -fruchtbarkeit lehrt) und die Agrarchemiegruppe der Universität forschen an potenziellen Bioherbiziden, die von wilden, antiken Gerste-Sorten produziert werden, um sie in einer nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft einzusetzen. Außerdem wird mit Hilfe molekularer, genetischer und biochemischer Methoden untersucht, wie Pflanzen ihre „Überlebensstrategien“ bei geringer Nährstoffverfügbarkeit wie zum Beispiel Phosphormangel anpassen, um einen optimalen Ertrag (Quantität und Qualität) zu garantieren.
Durch Infektionsversuche an Pflanzen können Pathogenitätstests durchgeführt werden sowie die Entwicklung und Intensität des Krankheitsverlaufs erfasst werden. „Infektionsversuche mit lebenden Pflanzen spielen eine besonders wichtige Rolle bei biotrophen Krankheitserregern, die zwingend auf ihre Wirtspflanze angewiesen sind“, so Prof. Sanja Baric, Professorin für Pflanzen- und Vorratsschutz. „Weiters können wir im Gewächshaus Experimente durchführen, um das Zusammenspiel zwischen einer Pflanze und ihrem Schaderreger zu untersuchen. Durch den Zugang zum neuen Gewächshaus wird die Methodenpalette unserer Forschungsgruppe Phytopathologie erweitert und es können neue Ansätze bei der Erforschung von Pflanzenkrankheiten gefunden werden.“
Ein Projekt zur Apfeltriebsucht führt der Entomologe Prof. Hannes Schuler (lehrt Pflanzenschutz) in einer der Zellen durch. „Apfeltriebsucht ist eine Erkrankung, die durch Phytoplasmen verursacht wird. Pflanzen, die mit diesem Bakterium infiziert sind, bilden ein typisch hexenbesenartiges Wachstum der Triebe. Vor allem aber bilden infizierte Pflanzen Äpfel mit geringerer Fruchtgröße und -qualität.“ Apfeltriebsucht-Phytoplasmen werden hauptsächlich von zwei Psylliden, dem Sommerapfelblattsauger Cacopsylla picta und dem Weissdornblattsauger Cacopsylla melanoneura, übertragen. In diesem Projekt sollen Faktoren untersucht werden, die die unterschiedliche Übertragungseffizienz von Phytoplasma verursachen. „Daher haben wir Apfelbäume mit verschiedenen Phytoplasma-Stämmen infiziert, die derzeit im Glashaus überwintern. Bereits im Frühjahr haben wir Psylliden aus unterschiedlichen Lokalitäten in Südtirol aufgesetzt, sodass sie an infizierten Pflanzen saugen können. Daraufhin werden die Tiere getestet, ob und in welcher Menge sie Phytoplasmen aufgenommen haben. Überträger- und Nichtüberträger-Insekten werden daraufhin genetisch verglichen, um die Wechselwirkung zwischen dem Phytoplasma, dem Vektor und seinem Mikrobiom zu untersuchen. „Unsere Ergebnisse werden neue Einblicke in die komplexe Biologie von Phytoplasma Übertragung geben und daher ein wichtiger Meilenstein bei der Bekämpfung dieser Krankheit sein“, so Schuler.
Das Sensing Technologies Lab mit Prof. Luisa Petti (spezialisiert auf flexible und gedruckte Elektronik sowie smarte Sensoren) nutzt hingegen die Gewächshausanlagen dafür, um neuartige Sensorlösungen zu validieren, die auf dem Gebiet der Pflanzengesundheit und der Obstproduktion entwickelt wurden. Insbesondere werden Messungen der elektrischen Impedanzspektroskopie (EIS) von Früchten – sowohl an den Pflanzen als auch nach der Ernte – mit dem tragbaren Impedanzanalysator (FruitMeter) durchgeführt, der von der Gruppe in Zusammenarbeit mit dem IIT entwickelt wurde. Die großen Datensätze, die mit dem FruitMeter erfasst werden, werden im Anschluss zur Entwicklung von Algorithmen zur Bewertung des Reifegrads von Früchten verwendet.
An der Pressekonferenz nahmen Direktor Günther Mathá, der Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, Prof. Marco Gobbetti und der akademische Koordinator des Forschungsgewächshauses, Prof. Carlo Andreotti, teil.