Von: bba
Brixen – Das Testament als aufschlussreiche Quelle für die Sozial- und Kulturgeschichte der Neuzeit: Damit befasst sich das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität am 19. Oktober in Brixen in dem Workshop „Der letzte Wille. Norm und Praxis des Testierens in der Neuzeit“.
„Nichts ist gewisser als der Tod und nichts ist ungewisser als der Zeitpunkt des Todes“: Diese Überzeugung wird in zahlreichen neuzeitlichen Testamenten kolportiert. Aus dieser Perspektive sind Testamente der Versuch, den Tod zu antizipieren und vorauszubestimmen, was im Falles des Ablebens passieren soll. Testamente sind letztwillige Verfügungen eines Testators, einer Testatorin, die auf Vererbung ausgerichtet sind. Es handelt sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft und Vermächtnis des Testators, das unter Umständen eine Vermögenslage antizipierte, die erst Jahre oder Jahrzehnte später eintrat. Zugleich waren Testamente anfechtbar und konnten vom Testator, der Testatorin selbst abgewandelt werden. Die Praxis des Testierens und die Auswirkungen einer letztwilligen Verfügung traten erst im Kontext familiärer Vermögenssituationen und -entwicklungen plastisch hervor.
Der internationale Workshop „Der letzte Wille. Norm und Praxis des Testierens in der Neuzeit“ befasst sich sowohl mit der testamentarischen Verfügung selbst als auch mit ihrer familiären und sozialen Wirkmacht. Im Blickpunkt stehen die Norm und die Praxis des Testierens vor allem in ihren geschlechtsspezifischen Ausprägungen: Welche Vermögenswerte wurden von Frauen, welche von Männern hinterlassen und an wen? Welches Vermögen konnte überhaupt testamentarisch vererbt werden? Daran schließt die grundlegende Frage nach der Testierfreiheit an.
Von Interesse sei auch die Frage nach den Auswirkungen von testamentarischen Verfügungen beziehungsweise nach der Konflikthaftigkeit von testamentarisch verhandelter materieller Kultur, sagt Siglinde Clementi, Forscherin am Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte und Organisatorin der Tagung. „Was wurde in Testamenten über die Vermögenswerte hinaus transportiert und welche Familienkonstellationen wurden forciert? Um diese grundlegenden Fragen zu beantworten, müssen Testamente in Relation zu anderen Dokumenten gesetzt werden, die das umfassende Vermögensarrangement der betreffenden Familie dokumentieren. Das können Heirats- und andere Verträge sein oder Nachlassverhandlungen und Vergleiche.“
Der internationale Workshop „Der letzte Wille. Norm und Praxis des Testierens in der Neuzeit“ wird vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen ausgerichtet und findet am 19. Oktober 2018 ab 9.00 Uhr im Hörsaal 1.50 am Campus Brixen der Freien Universität Bozen statt.