Von: bba
Bozen – Die Entstehung, der Inhalt und die Wirkungsgeschichte des Vertrags von St. Germain sind am 25. Oktober Thema des nächsten Treffens der Vortragsreihe der Freien Universität Bozen zum schwierigen Erbe des Pariser Friedens. Ab 17.30 Uhr wird die Historikerin Anita Ziegerhofer von der Karl Franzens-Universität Graz dazu am Campus Bozen der unibz sprechen.
Am 10. September 1919 wurde im Steinzeitsaal des Schlosses St. Germain-en-Laye der „Friedensvertrag“ von St. Germain unterschrieben – auf der einen Seite vom österreichischen Staatskanzler Karl Renner, auf der anderen von den alliierten und assoziierten Mächte. Nach dem Vertrag von Versailles handelte es sich dabei um den zweiten der fünf Pariser Vororte-Verträge. Die österreichische Friedensdelegation weigerte sich, den Vertrag als Friedensvertrag zu bezeichnen. Man betrachtete den Vertrag von St. Germain als Staatsvertrag und beharrte damit auf dem Standpunkt, dass „Österreich“ ein neuer Staat sei, der so wie die Tschechoslowakei oder der SHS-Staat auf dem Boden der untergegangenen Habsburgermonarchie entstanden war.
Am Freitag, 25. Oktober, wird die Historikerin Anita Ziegerhofer das Ringen um einen „gerechten“ Friedensvertrag seitens der österreichischen Delegation in Paris sowie deren Erfolge und Misserfolge darstellen, um im Anschluss den Inhalt des Vertrages von St. Germain zu beleuchten. Der 381 Artikel umfassende Vertrag beinhaltet weit mehr als Anschlussverbot, Gebietsabtretungen und Minderheitenrechte: So bildet etwa der erste Teil des Vertrages die Satzung des Völkerbundes, der vorletzte Teil ist der Satzung der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gewidmet. Abschließend wird die Frage aufgeworfen werden, wie der Vertrag die Politik und das kollektive Gedächtnis der jungen Ersten Republik geprägt hat.
Ao.Univ.Prof. Dr. Anita Ziegerhofer ist Leiterin des Fachbereichs Rechtsgeschichte und europäische Rechtsentwicklung am Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen der Karl Franzens-Universität Graz. Sie ist Mitglied der Kommission für Österreichische Rechtsgeschichte an der Akademie der Wissenschaften in Wien und seit 2017 Projektleiterin des FWF-Projektes zum Thema „Die rechtliche Bedeutung des Vertrages von St. Germain“. Ihre Forschungsgebiete sind die Europäische Integrationsgeschichte, die Verfassungsrechtsentwicklung ab dem 18. Jahrhundert und Gender Dimensionen des Rechts. Ziegerhofer ist Trägerin des Kardinal Innitzer-Forschungspreises, des Leopold Kunschak-Forschungspreises und des Käthe Leichter-Forschungspreises.
Der Vortrag findet am Freitag, 25. Oktober 2019, ab 17.30 Uhr im Hörsaal F0.03 am Campus Bozen der Freien Universität Bozen, Universitätsplatz 1, statt.