Von: mk
Ritten – André Stern war nie in einem Kindergarten oder einer Schule und handhabt das auch mit seinen Kindern so: Der Gitarrenbaumeister, Autor, Schauspieler und Freibildungsexperte aus Paris referiert am Freitag, den 17. November im Haus der Familie am Ritten über ungestörtes und freies Lernen. Die Impfdebatte in Italien befeuert in Südtirol derzeit den Wunsch nach freiem Lernen und alternativen Strukturen.
Der 46-jährige André Stern aus Paris hat nie eine Schule besucht. Seine Eltern haben ihn dahingehend begleitet, dass er sich frei, ungestört und in seinem ganz individuellen Tempo entwickeln konnte. „Spielen ist für die Entwicklung eines Kindes von elementarer Bedeutung“, sagt André Stern und legt den Finger in die Wunde unserer Leistungsgesellschaft: Kinder würden zu Hause, im Kindergarten und in der Schule zur maximalen Optimierung angeleitet und ständig korrigiert. Bestmögliche Ergebnisse seien das Ziel. Das führe zu glücklosen Erwachsenen und zu Unfrieden mit sich und in der Welt. André Stern kommt am Freitag, 17. November ins Haus der Familie am Ritten und referiert von 9.00 bis 17.00 Uhr über „Kinder: Hüter unserer Potenziale“. Auch Waldkindergärten verfolgen das Ziel des freien Lernens. Der Waldkindergarten in Lichtenstern ist einer der ersten in unserem Land und besteht seit nunmehr fünf Jahren, die Waldschule hingegen befindet sich in ihrem dritten Jahr. Der Waldkindergarten ist für die kommenden zwei Jahre ausgebucht. Die Rittnerin Ingrid Mair hat ihn gegründet. Sie bekommt derzeit Anfragen aus ganz Südtirol. Es herrsche großes Interesse, ähnliche Strukturen aufzubauen, sagt sie. Der Boden sei bereitet. Menschen, die sich bisher nicht getraut hätten, spürten jetzt Aufwind.
Als Kind hat André Stern mit diesem Satz für Aufsehen gesorgt: “Bonjour, mein Name ist André, ich bin ein Bub, bin vier Jahre alt, esse keine Bonbons und gehe nicht zur Schule.” Heute gilt er immer noch als Ausnahme, wenn er sich wie folgt vorstellt: “Bonjour, ich heiße André, bin immer noch ein Bub, zwar 46-jährig jetzt, ich esse immer noch keine Bonbons und in der Schule war ich nicht.” Mit dieser Erfahrung etwas Besonderes zu sein, dünkt den Musiker, Autor und Freibildungsexperten aus Paris merkwürdig. André Stern verkörpert das natürliche Lernen und die natürliche Verwirklichung: „Kinder lernen von Natur aus”, sagt er. Doch ermüden viele bei diesem Prozess, während sie die Schule durchlaufen. Konkurrenz, Erwartungshaltungen und Erziehungssysteme setzten Kinder und Eltern unter großen Druck. Das Spiel des Kindes werde zur Pausenbeschäftigung degradiert. Das Kind bleibe in seinen natürlichen Fähigkeiten unverstanden und werde seiner Entwicklungsmöglichkeiten beraubt.
André Stern plädiert für Vertrauen in die natürlichen Veranlagungen des Kindes und dafür, Kinder ungestört spielen zu lassen. Kinder seien die Hüter unserer Potenziale, denen mit Vertrauen in ihre Entwicklung begegnet werden könne. Nur wer begeistert ist, werde lernen – und zwar: spielerisch, zwanglos und glücklich. Gleichzeitig nimmt André Stern die Erwachsenen in die Pflicht: Wir Menschen seien Vorbilder für die Kinder dieser Welt, sagt er und ist überzeugt: “Es gibt keinen Frieden auf der Erde, solange wir keinen Frieden mit der eigenen Kindheit schließen.” Das verletzte Kind in uns bestimme nicht nur den Blick auf uns selbst, sondern auch unseren Blick auf unsere Kinder. Das könne fatal sein: “Wir wollen doch alle Kinder, die als Erwachsene glücklich sind”, sagt der Freibildungsexperte.
Als Freibildungsexperte ist André Stern ein gefragter Referent, der sich international (Europa, USA, Kanada, Afrika, Indien) an der Seite von zukunftsorientierten Akteuren der Bildungslandschaft stark engagiert. Daneben arbeitet er eng mit seinem Vater zusammen und ist mit Prof. Dr. Gerald Hüther Gründer und Leiter der Initiative “Männer für morgen”. Am 17. November 2017 kommt er nach Südtirol.