Das Südtirol Jazzfestival Alto Adige begeistert auch bei seiner 43. Ausgabe

Jazz in Bewegung

Dienstag, 08. Juli 2025 | 16:46 Uhr

Von: luk

Bozen – Improvisation, Experiment und neue Klangräume: Das Südtirol Jazzfestival Alto Adige begeisterte bei seiner 43. Ausgabe erneut mit frischen Impulsen und großer Publikumsresonanz.

Ein Jazzkonzert oder eine Beachparty? Der Eröffnungsabend im NOI Techpark in der Bozner Industriezone war beides zugleich. Während das Brainteaser Orchestra die Piazza vor dem Wasserturm bespielte, lauschten die Besucher und Besucherinnen dem anspruchsvollen Sound der niederländischen Band, lagen entspannt auf Sonnenliegen oder genossen den Abend am Wasserbecken vor dem Transformatorenhaus des ehemaligen Aluminiumwerks. Der Eintritt war frei – die Musik, wie immer beim Südtirol Jazzfestival Alto Adige, überraschend und experimentierfreudig. Menschen aller Altersgruppen nahmen das Angebot begeistert an – und dieser große Zuspruch zog sich durch sämtliche Konzerte des Festivals, das von Stefan Festini Cucco, Max von Pretz und Robert Tubaro geleitet wird.

Anything goes – das gilt beim Südtirol Jazzfestival Alto Adige nicht nur für die Musik, sondern auch für die ungewöhnlichen Spielorte der fast 60 Veranstaltungen. Diese Offenheit und Neugier locken längst nicht mehr nur ein vielfältiges lokales Publikum an, sondern auch zahlreiche internationale Gäste. Doch weder die Wahl der Orte noch die Besetzung der Konzerte ist beliebig: „Keines der Konzerte ließe sich einfach an einen anderen Ort versetzen. Jedes entwickelt seinen eigenen Reiz durch das Zusammenspiel mit dem Ort und die Begeisterung, mit der hier Musik jenseits gestalterischer Grenzen entstehen darf. Genau das macht das Südtirol Jazzfestival Alto Adige – auch in seiner 43. Ausgabe – zu einem mutigen, inspirierenden Fixpunkt in der sommerlichen Kulturlandschaft, weit über die Region hinaus“, schreibt Musikjournalist und Jazzautor Ralf Dombrowski auf der Webseite uk.jazznews.

Die Natur als Bühne, Infrastruktur als Kulisse, Wasser und Wälder als Resonanzräume: In der Klanginstallation Floating Through Sound schwebten die Besucher am Vigljoch durch improvisierte Klangwolken. Gitarrist Reinier Baas bespielte den Klimastollen in Prettau; im Bunker H in Bozen stiegen die Saxophonisten Camilla Nebbia und Dan Kinzelman in einen unterirdischen Teich; in der sonnengeheizten Franzensfeste ließ die Band Purple Muscle Car mit wuchtigem Sound alles Militärische verschwinden: „Wiener Elektronik-Underground mit fettem Synthie, quirlig gebrochenen Schlagzeugbeats und einem dichten, mitunter hyperaktiven Bläsersatz – allen voran ein Saxofon, das an Virtuosität kaum zu überbieten ist. Unter diesen Bedingungen kann einen das umhauen – aber viel wichtiger: So klingt der hungrige Geist einer unermüdlichen europäischen Szene, gerade auch an einem Ort, wo einst k.u.k.-Soldaten patrouillierten“, schreibt die JazzZeitung.

Eine erfolgreiche Neuerung in diesem Jahr war die Reihe Sonic Reactions: Improvisierte Konzerte mit jeweils zwei Musiker und Musikerinnen aus verschiedenen Bands, die zum ersten Mal miteinander spielten und im Plattenladen, einer Kunstgalerie, im Yogastudio, Café oder einer Buchhandlung auftraten. Diese überraschenden „Versuchsanordnungen“ trafen oft auf Menschen, die gar nicht damit rechneten, beim Stadtbummel plötzlich auf Jazz zu stoßen – und gerade diese Unvorhersehbarkeit prägte viele Konzerte des Festivals.

In einer der Hallen der Messe Bozen schuf Flötistin Delphine Joussein einen Sound, der zwischen Impressionismus und Noise oszillierte. Das hauseigene Format Kabarila entfaltete sich als fünfstündiges „Jazzritual“ mit völlig offenen Spielformen. In der Fondazione Antonio Dalle Nogare schließlich wurde das Publikum vom filigranen Klang des Trios Fade in direkt in die rhythmisch strukturierten Klanggewitter der Band The Sleep of Reason Produces Monsters katapultiert. Ein scharf gewürzter Musikcocktail: voller Energie, schrill, berauschend, fordernd – und vor allem: niemals langweilig.

Bezirk: Bozen

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