Plan nach Politik-Streit durch Schulbehörde gekippt

Keine Schulklasse für nicht-deutschsprachige Kinder in Südtirol

Dienstag, 03. September 2024 | 14:05 Uhr

Von: apa

Die Südtiroler Landesschuldirektion hat einer geplanten eigenen Schulklasse für nicht-deutschsprachige Kinder an der Bozner Goetheschule eine Absage erteilt. Eine entsprechende Entscheidung sei Schulleiterin Christina Holzer auch als Dienstanweisung mitgeteilt worden, hieß es Medienberichten zufolge am Dienstag in einer Pressekonferenz. Die Erstklässler müssen nun neu eingeteilt werden, sagte Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner und verwies auf gesetzliche Vorgaben.

Demnach dürfe “keine Diskriminierung basierend auf Sprache oder kultureller Herkunft stattfinden”. Nicht einmal neun Prozent aller Schüler mit Migrationshintergrund seien aktuell in den deutschen Schulen eingeschrieben. “Wir haben die Aufgabe Inklusion zu fördern und Respekt vor Vielfalt zu pflegen. Dies ist keine persönliche Entscheidung oder Meinung, sondern der gesetzliche Auftrag”, wurde die Landesschuldirektorin in einer Aussendung zitiert. In der Schule solle auch soziale Kompetenz vermittelt werden. Falkensteiner und Bildungsdirektor Gustav Tschenett wiesen laut Rai Südtirol auch den Vorwurf zurück, wonach Bozner Eltern ihre deutschsprachigen Kinder vorzugsweise in Nachbargemeinden in die Schule schicken würden.

In Südtirol war in der Vorwoche um die ursprünglich von der Bozner Goetheschule geplante Einrichtung einer eigenen Klasse für Kinder ohne Deutschkenntnisse ein Streit entbrannt. Die Goetheschule hatte Entsprechendes angekündigt, die – geteilten – politischen Reaktionen darauf ließen nicht lange auf sich warten. Dabei zeichnete sich Uneinigkeit sowohl innerhalb der Landesregierung als auch der Südtiroler Volkspartei (SVP) von Landeshauptmann Arno Kompatscher ab. Letzterer erteilte “Populismus” eine Absage. Sonderklassen seien “laut Gesetz verboten”, ließ SVP-Kulturlandesrat Philipp Achammer, zuständig auch für Deutsche Bildung, wissen. SVP-Obmann Dieter Steger hatte die Pläne wiederum gelobt.

Die Meinungen der Partner der Mitte-Rechts-Fünferkoalition aus SVP, Südtiroler Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica zu dem Schritt der Goetheschule gingen jedenfalls teils weit auseinander. Landeshauptmannstellvertreter und Bildungslandesrat Marco Galateo (Fratelli) etwa sprach von einer “Ghetto-Klasse” und “Rassismus pur”. Auch die Reaktionen der Opposition fielen unterschiedlich aus.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Bildungsdirektor Gustav Tschenett, Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner und Andrea Abel, Professorin für germanistische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Bozen und Leiterin des Instituts für angewandte Sprachforschung von EURAC Research Bozen, haben heute Antworten auf Fragen wie “Was sagt die Wissenschaft zu separater Beschulung?” oder “Welche Ansätze zur sprachlichen Bildung gibt es?” gegeben. Dabei belegten die Bildungsverantwortlichen unter anderem durch Ergebnisse der Lernstandserhebungen, dass deutschsprachige Kinder der Bozner Schulen keine schwächeren Leistungen als jene in anderen Schulen erzielen.

“Es geht uns darum, eine sachliche Diskussion zu führen, denn in der öffentlichen Debatte ging es bisher um alles – nur nicht um den Auftrag der Schule“, hielt Bildungsdirektor Tschenett fest. Dieser sei folgender: “Wir haben die Aufgabe Inklusion zu fördern und Respekt vor Vielfalt zu pflegen. Dies ist keine persönliche Entscheidung oder Meinung, sondern der gesetzliche Auftrag aller in Schule beteiligten”, führte Landesschuldirektorin Falkensteiner aus und erinnerte daran, dass Schule eine Gemeinschaft sei, in der es um die Vermittlung sozialer Kompetenzen gehe: “Wir tun gut daran, die Schule als Gemeinschaft so abzubilden, wie wir die Gesellschaft erleben.”

Sprachwissenschaftlerin Andrea Abel ging auf die Nachteile separater Beschulung ein, hob die höhere Wahrscheinlichkeit für frühzeitigen Schulabbruch hervor und wies auf den Mehrwert von Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit hin. “Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Sonderklassen ein erfolgreiches Modell darstellen”, hob Abel hervor. Man dürfe niemals das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen aus den Augen verlieren. Aufgrund der zunehmenden Heterogenität, die eine Herausforderung sei, brauche es einen Ausbau an räumlichen und personellen Ressourcen, betonte die Sprachwissenschaftlerin.

Außerdem wurden verschiedene, in Südtiroler Schulen bereits erprobte, didaktische Ansätze präsentiert, welche die individuellen Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern unterstützen. Zudem wurde die Ressourcenzuteilung vonseiten der Landesschuldirektion thematisiert und das Unterstützungsangebot der Pädagogischen Abteilung vorgestellt.

Weitere Informationen sind auf dem Landeswebportal unter https://deutsche-bildung.provinz.bz.it zu finden.

Bezirk: Bozen

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